AW: es will nichts klappen
Na, ich natürlich
Viel Spass!
Das innere Spiel
Die allermeisten Tischtennis-Spieler sind wohl der Auffassung, dass ein Match maßgeblich im Kopf gewonnen wird. Heute geht es um einen, der behauptet mitunter genau das Gegenteil
Zieh doch durch du Idiot!
Ein ehemaliger Deutscher Meister im Herren-Einzel belegte einmal beim Bundesranglistenturnier ( TOP 12 ) einen der hinteren Plätze.
Ein Journalist fragte ihn damals nach den Gründen für diese Schlappe. Der Spieler antwortete in etwa wie folgt:
„Ach, weißt du, ich habe einfach zu viel gekämpft!“ Ich weiß nicht, ob der besagte Spieler damals das Buch eines Autors namens GALLWEY gelesen hatte. Rein zeitlich gesehen wäre dies aber durchaus möglich gewesen.
W. Timothy Gallwey - so heißt dieser Schriftsteller mit vollem Namen. In seinem weltweit über 700.000 mal verkauften Klassiker „The inner Game of Tennis“ (1974) zeichnet er ein geradezu visionäres Bild von der Psyche eines Tennis-Spielers.
Der Spieler, den Gallwey da idealtypisch beschreibt, geht mit einem optimalen Maß an Konzentration zur Sache. Optimale Konzentration heißt bei Gallwey: Der Spieler ist gelassen und entspannt! Er verkrampft nicht – er „beißt“ aber auch nicht; er ist vor dem Start nicht nervös und während der Auseinandersetzung weder ängstlich noch wütend. Der Spieler klettert in den Ring aus purer Freude am Spiel; die Auseinandersetzung mit dem Ball ist für ihn viel wichtiger, als das Sich messen wollen mit einem Gegner.
Gallweys Akteur ist beim Sport treiben absolut introvertiert, soll heißen:
Er ist STILL und bei sich selbst. Er hat den Kopf bzw. Verstand ( der anfällig ist für ablenkende Gedanken und negative Emotionen ) ausgeschaltet und vertraut darauf, dass sein „Bauch“ ( Nein, nicht der dicke TT-Bauch, sondern die intuitive, empfindsamere Seite seiner Spielerpersönlichkeit ) das Kind schon schaukeln wird.
„Bemüh dich, aber ja nicht zuviel! Lass es einfach von innen heraus geschehen!“
So könnte man Gallweys Philosophie auf eine kurze Formel bringen.
Spätestens als ich las, der Spieler soll sich selbst auf dem Platz nicht kritisieren, aber erstaunlicherweise auch nicht loben ( Denn merke: Lob ist potenzielle Kritik! ), war auch bei mir ENDE der Fahnenstange! Was um alles in der Welt kann Tim Gallweys einem Spieler wie mir mit auf den Weg geben – einem Spieler, dessen Psyche derjenigen des oben genannten Profi-Spielers ziemlich ähnelt. Der oben genannte Crack war in seiner aktiven Laufbahn alles andere als introvertiert. Er war laut in der Box, er schimpfte häufig mit sich selbst, stand offensichtlich unter einem enormen Druck und seine Kampfschreie waren legendär. Er konnte kämpfen bis zum Umfallen und die Psycho-Masche, mit der er seine Spiele bestritt, zog damals unter dem Stichwort: „Selbstbehauptungsmethode“ in die Lehrbücher ein.
Nun, meines Erachtens kann Gallweys Werk durchaus denjenigen weiterhelfen, die auf den ersten Blick so gar nichts gemein haben mit dem oben skizzierten Idealfall eines Spielers- Spielern also, die nachdenken und sich sorgen, die hoffen und sich ängstigen, die um Bälle trauern und sich ablenken lassen.
Gallweys Buch zeigt zunächst einmal handfeste Methoden auf, wie man z.B. mehr Konzentration erlangen kann. Insbesondere Trainer dürften sich darüber hinaus für seine recht alternativen Trainingsformen interessieren, bei denen es weniger um das
( dem - Trainer – ZU -) Hören geht, sondern vielmehr um das ( Zu - ) Sehen, dass
( Sich – bildlich – etwas ) Vorstellen. Neu-Übungsleiter dürften bei der Lektüre des Buches mitunter vielleicht etwas geschockt sein. Zwar können sie nun als Lizenz – Inhaber Anfängern den Ablauf jeder Schlagtechnik minutiös mit Worten beschreiben und erklären. Allein: Gallwey nötigt mit seinem Werk den Trainern eine ganz Neue Sprachkultur ab. Sprachliche Anweisungen sind für ihn allenfalls „Starthilfen“. Trainer sollen ihre Sportler nicht „zuschwallen“, sondern vielmehr mit Fragen und „Wahrnehmungs-Aufgaben“ konfrontieren.
Viele Trainingsmethoden, die heute Gang und Gäbe sind, finden meiner Meinung nach bei Gallwey ein theoretisches Fundament: Observatives Training ( Training durch das Beobachten anderer Spieler ), Bewegungsführung durch den Trainer, Schattentraining / Trockenübungen, verschiedene Mentale Trainingsformen, Einsatz methodischer Hilfsmittel
( Platzierungsfelder etc. ). Mit diesen dürren Worten werde ich allerdings dem in halt dieses Werkes kaum gerecht. Gallweys methodische Ausführungen sind allemal im Detail lesenswert.
Timothy Gallweys Buch kann allen Normalsterblichen, die häufig mit sich selbst hadern, aber auch in einer weiteren Hinsicht hilfreich sein:
Nämlich dann, wenn man in Betracht zieht, dass Gallwey einen Idealzustand beschreibt, dem man sich im Laufe einer Spielerkarriere annähern kann ( weil es Vorteile bringt ), den man aber nicht unbedingt 100%tig in Reinkultur also, erreichen kann.
Für mich als einer, der sich dem Gallwey´schen Ideal lediglich Schrittchenweise annähern möchte, heißt das:
1.
Stumm zu sein wie ein Fisch und „es einfach von innen heraus geschehen zu lassen“ ist sicherlich ein holdes Ideal: Leute aber, die in der Box einfach ihre Klappe nicht halten können, sollten sich vielleicht zunächst einmal „rhetorische Teilziele“ setzen.
Ein Teilziel könnte es sein, in den Ballholpausen nicht allzu blödsinnige Verallgemeinerungen ins Feld zu führen. Soll heißen: Wenn z.B. meine Rückhand heute ein paar Mal nicht geklappt hat, tue ich gut daran, nicht gleich mein GANZES Spiel zu kritisieren (Also: „Blöde Rückhand!“ anstatt „Was spiele ich heute nur für einen Mist!“) Ein Lernfortschritt besteht sicherlich auch darin, nicht gleich über die eigene Person herzufallen – nur weil ein einzelner Schlag nicht gekommen ist
(Also: „Blöde Rückhand!“ anstatt „Du Idiot!“ ).
2.
Gallwey in die Tat umzusetzen, würde meines Erachtens auch heißen, Im Training sollte das (einfache?) Schlagen von Bällen und die Konzentration auf die eigenen Bewegungsabläufe mein in den Mittelpunkt treten. Das Spielen um Punkte und Sätze müsste somit eher eine Randerscheinung sein. Warum?
Nun, das Zählen von Punkten heißt zwangsläufig: Ich bewerte einen Schlag bzw. eine Schlagserie als Gut oder Schlecht – was den Spieler nicht kalt lassen wird. Es wird ihm durch den Kopf gehen und irgendwie Druck auf ihn ausüben. Das Streben nach Punkten überlagert folglich die „Bauchseite“ des Spielers, also die (möglichst) unvoreingenommene Auseinandersetzung mit Schlagbewegungen.
Natürlich heißt das Nicht:
„Lass das Ausspielen von Punkten und Sätzen im Training gänzlich sein!“
Im Gegenteil:
Gallweys Konzentrationsmethoden z.B. müssten meines Erachtens unbedingt zunächst einmal unter Matchbedingungen im Training ausprobiert werden. Aber insbesondere für Spieler, die sich in der Vorbereitung auf eine Saison oder aber in einer spielerischen Krise befinden, kann die Gallweysche Denke eines „wertfreien“ Trainings (No Points – No Cry !) meines Erachtens hilfreich sein. Sportskameraden, die (überhaupt erst mal) wieder reinkommen wollen in ihr Spiel (bzw. technisch etwas Neues dazu lernen wollen), tun folglich gut daran, das Matchtraining zu reduzieren bzw. in den Hintergrund treten zu lassen.
3.
Ein Gewinner der Gallweyschen Sichtweise könnte das Systemtraining sein: Denn beim Systemtraining ergibt sich relativ leicht die Möglichkeit, still „Innen-Schau“ zu. D.h. hier kann man sich wirklich (bewusst und relativ stressfrei) mit technischen Abläufen auseinander setzen und in sich hinein hören….
4.
Gallwey macht sich ferner stark für die Individualität eines Spielers. Er ist gegen „Klon-Tennis“ Das soll heißen: Stars und sonstigen Vorbildern beim Spiel zusehen und sich selbst Anregungen für das eigene Spiel holen, ist für Gallwey absolut OK. Die Spielweise der Anderen exakt (so und nicht anders) kopieren zu wollen und zur Norm für Richtig und Falsch zu erheben, ist für ihn allerdings Nicht OK. Mut macht er dem Leser, von Lehrbuch-Vorstellungen abzuweichen, um bewusst zu experimentieren und so eigene Wege zu finden. Im einem Zeitalter, in dem sich die TT-Jugend zunehmend dem Druck ausgesetzt fühlt, ihr Heil uniform in einem superschnellen Angriffs-Tischtennis suchen zu müssen, ist das ein ganz wichtiger Hinweis, meine ich.
Gallwey sagt uns: Es geht auch anders, es gibt viele Wege den Punkt zu machen!
5.
Die grundlegendste Erkenntnis ist freilich rein theoretischer Natur:
W. Timothy Gallwey macht durch seine Arbeit eindrucksvoll deutlich, dass der Kopf eines Sportlers das Spiel keinesfalls hundertprozentig im Griff haben kann – auch wenn er sich noch so sehr bemüht. Der Kopf bzw. Verstand eines Sportlers darf, kann – ja, muss – kem Körper (dem „Bauch“ / dem „Muskelgedächtnis“) vertrauen, da dieser durch seine Fähigkeiten, zu hören, zu sehen und zu fühlen, motorisch weitaus kompetenter ist als ein vor sich hingrübelnder, dünnhäutiger, immer nur wollender und vorlaut bestimmender Geist.
Irgendwie ist das tröstlich:
Auch der Tischtennis-Spieler weiß nun, dass er sich in der Box nicht allzu ALLEINE fühlen muss. Denn neben dem Kopf auf seinen Schultern (durch den gar oft wirre Gedanken kreisen) gibt es ja immer noch den „Bauch“, der es drauf hat und dem er vertrauen darf – gerade in engen Situationen.
Entspann Dich!
Alles wird Gut!
btw. ich hab ihn für mein Team abgetippt, also war der Aufwand gerade nicht allzu groß
MFG
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