Differenzierte Sicht der Dinge
Ich war ja anfangs sehr skeptisch, muss aber sagen, dass die Verantwortlichen sich bei der Punkteeinteilung m.e. sehr gute Gedanken gemacht haben und das Ziel, dass sich Spieler ähnlicher Spielstärke auf Turnieren messen, viel eher erreicht wird als zuvor.
Grundsatz
Es ist wesentlich ausdifferenzierter als die davorige Einteilung A-D (offizielle Turniere) nach Spielklassen. Durch z.B. C1/C2 bei offenen Turnieren wird es noch ausdifferenzierter und man kann zu Turnieren mit der Erwartung auf ein offenes Ende fahren, ohne dass die Turnierhaie von vorne herein auf dem Podest stehen.
Turnierteilnahmen
Ich denke, dass die Attraktivität zum Turniere spielen wieder steigt, wenn in den Kreisen und Vereinen gute Aufklärungsarbeit geleistet wird und nicht nur das "Dagegen-Schild" hochgehalten wird. Die meisten Spieler haben sich von den Turnieren doch abgewendet, weil man bei bestimmten Veranstaltungen schon vorher wusste, wer auftaucht und wahrscheinlich gewinnt. Und ein Wochenende in der Halle zu sitzen, um dann im Endeeffekt gegen die üblichen Pappenheimer chancenlos zu sein, ist für viele halt witzlos.
Bei der Einteilung über Spielklasse kam es nicht selten vor, dass sich Menschen gegenüber standen, die heute TTR-Unterschiede von 200-400 hatten.Mit Sperrvermerken wurde in der Vergangenheit auch recht sparsam umgegangen, wodurch dies zumindest ein wenig hätte verhindert werden können. Wenn ich einen guten Tag habe, kann ich mal überraschnd jemanden schlagen der um max. 100 besser ist. Schlecht ist das natürlich für die jenigen, die in Verein x 2-3 Klassen unter ihren Möglichkeiten spielen, um dann in der Turniersaison abzuräumen. Das Argument mit dem gemeinsam auf Turniere fahren mit Teamkollegen kann ich zwar nachvollziehen, doch halte ich es nicht für überwiegend real, denn meiner Erfahrung nach waren die o.g. Gründe dafür verantwortlich, dass man im eigenen Team nur wenige für Turnierteilnahmen motivieren konnte. Aus Perspektive eines großen Vereins mit vielen Teams und fließenden Übergängen lassen sich da auch teamübergreifende Turniergemeinschaften bilden.
Abwägung Turnierklassen
Alles in Allem sehr positiv, dass künftig nach Spielstärke statt nach einer manchmal recht willkürlichen Klassenzuordnung eingeteilt wird und dann noch m.E. zuviel Klassen (aus Sicht eines Vereins im HTTV-Bezirk Süd) zusammengefasst waren (z.B. BOL-BK). Wenn man den pyramidenförmigen Aufbau der TT-Spielklassen bedenkt, dann spielen z.B. im Bezirk Süd 8/14 der Spieler BK, 4/14 BL und 2/14 BOL. Schon mal darüber Gedanken gemacht, warum sich nur noch wenige BK-Spieler in der jetzigen C-Klasse haben blicken lassen? Mit Chancen aufs Treppchen sind eh nur die BOL-Cracks und Ausnahmekönner der BL auf Turniere gefahren. Wie solls auch anders sein, die durchschnittlichen BK-Spieler sind so bei einem Wert von 1450-1650 angesiedelt - und die richtig guten BOL-Leute jenseits der 1900. Diese Spannbreite findet sich jetzt bei Meisterschaften in den Klassen B, C, D wieder und bei offenen Turnieren in B1, B2, C1, C2, D1. Damit wird der Paarkreuz-Realität im TT Rechnung getragen. Es ist nunmal so, dass Leute, die in einer Klasse vorne spielen, i.d.R. auch zwei Klassen höher hinten mithalten. In der Vergangenheit gab es nur keine Maßeinheit für die Spielstärke. Das ist jetzt durch den TTR (noch mit einzelnen Anfangsschwächen) umgesetzt und möglich. Wäre doch blöd, das Turnierwesen nicht gerechter zu machen, oder? Wenn man sich eben steigert oder verschlechtert, kann man dies auch in der neuen Klasse beweisen. Das Argument Erfahrung sammeln zählt nicht, kann sich ja jeder schließlich auch höher anmelden.
Manipulation & Fairness
Viele beschweren sich über die Überregulierung in Schland, im Sport, im TT. Leider wird dies immer wieder notwendig, weil manche Menschen auf permanenter Suche nach Lücken im Regelwerk sind, um sich einen eigenen Vorteil zu verschaffen. Wünschenswert wäre der Gedanke, was die Regelgebenden eigentlich beabsichtigt hatten und sich daran zu halten. Doch mancher Mensch tickt anders. Solange es solche Menschen gibt, wird es auch immer neue Lücken und Manipulationsversuche geben. Allerdings mit TTR viel weniger als zuvor. Wer in der Runde Spiele absichtlich verliert, um dann 3 Monate eine Turnierklasse tiefer zu starten, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen, der hat den Sinn und das Fair Play im Sport nicht begriffen. Insofern ist dieses Forum eine gute Hilfe für Verbandsfunktionäre, die das Regelwerk weiterentwickeln, wenn hier Ideen bzw. Befürchtungen ausgesprochen werden, auf die sonst noch niemand gekommen ist, um möglichst viele Eventualitäten durch das Regelwerk auszuschließen.
Verbandsübergreifende Betrachtung
Abgesehen von dem "Gerechtigkeitsmangel" durch Spielklasseneinteilung fand ich ja die frühere Einteilung A-F auch wesentlich besser als die jetzigen Einteilungen. Das ist allerdings eine isolierte hessische Sicht. Andererorts gibt es nunmal nicht so viele Teams und Spieler wie in Hessen oder im WTTV. Um dem Rechnung zu tragen und dem (auch hessischen) Wunsch nach nationalen Meisterschaften in den Spielstärkeklasse Rechnung zu tragen und auch bei offenen Turnieren die Spieler aus verschiedenen Landesverbänden halbwegs gerecht zuordnen zu können, wurde dann A-D (Regional, Verband, Bezirk, Kreis) eingeführt. Es gibt kleine Verbände, in denen Du z.b. auf der jeweiligen Ebene weniger Klassen und keine oder weniger Parallelstaffeln hast, d.h. am Beispiel der hessischen Bezirke dort nur 4 Staffeln mit je 10 Teams (=40 Teams =240 Spieler) statt 14 Staffeln mit je 12 Teams (=168 Teams =1008 Spieler) hast. Was die Turnierklasseneinteilung angeht, denke ich, dass jetzt in den ersten Landesverbänden erst einmal Erfahrungen gesammelt werden müssen und in absehbarer Zeit sich dann auch überregional die Punkteeinteilung annähern und vereinheitlichen wird (oder ggf. je nach Spielstärkestruktur im Landesverband Spielraum bleibt, um gescheite Spielklassen zusammen zu bekommen, schwierig wird es dann nur bei weiterführenden Veranstaltungen). Nur eine Sache kapier ich gar nicht, was sich die Bayern da gedacht haben??? Das macht für mich mal gar keinen Sinn. Insofern finde ich den ersten Aufschlag vom HTTV-Spielausschuss wohl bedacht und ausgetüfftelt - Kompliment (muss man ja auch mal sagen)!
Vergleichbarkeit durch dynamische Rangliste
Und da wären wir bei der Zukunft. Ziel ist ja, dass irgendwann mal alle Verbände mitmachen. Dadurch lassen sich dann auch regionale Unterschiede (zwischen Kreisen, Bezirken, Verbänden) im TTR durch die dynamische Berechnung darstellen. Deshalb sind m.E. auch gerade die offenen Turniere wichtig, um die "Dynamisierung" zu beschleunigen, weil man dort eben auch unterhalb der Topebene die überregionalen Vergleiche hat.
Egosicht vs. ganzheitliche Sicht
Ich denke, die größten Gegenredner argumentieren aus einer recht egoistischen Sichtweise, weil sich für sie gefühlt was verschlechtert, statt das große Ganze und die Vorteile für die Sportart und insbesondere die Turniere zu sehen.
Basisdemokratie & Kommerzielles
Die meisten Verbände machen ja schon mit, einige sträuben sich noch. Auch wenn ich die Zwangsverordnung Topdown nicht für die feine Art halte und es da natürlich auch um kommerzielle Interessen geht, stehen m.E. die Vorteile weit im Vordergrund und es bestehen da eine Menge Chancen, die Sportart TT in vielerlei Bereichen noch attraktiver zu machen und einfach auch nicht den technischen Fortschritt zu verpassen, der dies erst möglich macht. Insofern kann man da auch von einer Win-Win-Situation sprechen. Die Vereine vertreten ihre Mitglieder, die Kreise die Vereine, die Bezirke die Kreise, der Verband die Bezirke und Kreise, der DTTB die Verbände. Da es bei so einer gravierenden Veränderung eher unwahrscheinlich ist, dass eine solche Initiative von unten nach oben gedacht und durchgesetzt wird und "unten" ja auch der Nörgelgrad trotz fehlendem Hintergrundwissen mancherorts recht hoch ist: "Das war fürher alles besser" und "Bleibt besser alles so wie es ist" ... Da ist der Spagat gefragt, der auch eine Generationenfrage ist. Für manche älteren TT'ler ist die Digitalisierung online der Vereinsverwaltung ein schwerer Schritt (Bsp.: KL aufgehört nach Umstellung click-tt), für die Jugend im Netzzeitalter geht das noch zu lahm. Wobei diese Stereotype sich ja auch weiter auflösen (Stichwort Rentner im Netz), allerdings auch regional unterschiedlich sind. Man bedenke mal, dass vor 10 Jahren die Mehrzahl noch kein Internet hatte. Deshalb sind VertreterInnen der jeweiligen Ebene gewählt, die sich detaillierter und weitgreifender mit der Materie auseinandersetzen müssen, als es das normale Mitglied in der Regel kann und will. Und natürlich auch den unterschiedlichen Mitgliederinteressen gerecht werden. Da sind natürlich die Argumente für eine Partizipation und Überzeugung wichtig, damit nicht der Eindruck entsteht, Dinge ohne Basisbeteilgung durchzuwinken. In diesem Fall gibt es viele gute Argumente, doch bin ich mir nicht sicher, ob nicht noch transparenter hätte überzeugt werden können. Da verstehe ich schon so manchen Unmut mit dem Kostenargument, dass man ja eh nicht mehr hätte aussteigen könnte, selbst wenn man das gewollt hätte. Dadurch wurde die Debatte um inhaltliche Vorteile in manchen Diskussionen wegverlagert. Da stellt sich die Grundsatzfrage, wieviel Demokratie ist in einer Verbandskonstruktion im Sport gewollt und sinnvoll. Im Sinne der Partizipation wäre mehr Basisbeteilgung wünschenswert gewesen, doch dann hätte sich die konsequente Einführung garantiert deutlich verschoben (und vielleicht wären auch Verträge nicht erfüllt worden). Inhaltlich freue ich mich persönlich über die schnelle Einführung jedenfalls wegen der Vorteile, auch wenn ich den Weg dahin ein wenig kritisch betrachte.
Gefahren & Datenschutz
Bedenklich finde ich noch an manchen Ecken den Umgang mit Datenschutz, daran müssen sich click-tt und mytt in der Zukunft messen lassen. Das wird auch abhängig vom Zeitgeist und dem künftigen Umgang mit Social Networks sein. In Sachen Transparenz ist der einen Freud der anderen Leid. Problem ist, dass man nicht mehr wirklich selbst bestimmen kann, wieviel von seinem Hobby öffentlich wird und wieviel nicht. Gebt doch mal Euren Namen bei yasni oder google ein. Freunde der totalen Transparenz sehen die Vorteile, sich in der TT-Gemeinde zu vernetzen und Statistik-Freaks gehen sowieso darin auf - andere hat aber die neue TT-Welt auch schon ihren Arbeitsplatz gekostet, wenn sie trotz Krankschreibung ihrer Mannschaft helfen wollten und der Chef das am nächsten Morgen schon aus dem Netz wusste. Natürlich gibt es auch andere gute Gründe, warum Menschen kein TT-Bewegungsprofil im Netz hinterlassen wollen bzw. nicht jeden wissen lassen wollen, wo und wann sie anzutreffen sind (Datenschutz, Familienfede, Prominenz, Gefährdung, Anonymität, usw.). Für und Wieder - letztendlich sind offizielle Sportveranstaltungen aber von öffentlicher Relevanz und der Zeitgeist entwickelt sich derzeit tendentiell zur totalen, unreflektierten Transparenz aller Lebensbereiche.
Praxischeck
Abschließend noch ein Blick auf die Praxis meines Vereins- und Kreisumfeldes. Da muss ich sagen, die Einteilung passt. Stelle ich mir Gegner in dieser Spielstärke auf Turnieren vor, insbesondere mit offenen Turnierklassen, dann kann ich mir persönlich wieder mehr Teilnahmen vorstellen, obwohl die Zeit dafür rar ist. Bei mir wurde jedenfalls wieder ein Reiz geweckt. Außerdem werden wir das neue dynamische Turniersystem im Verein positiv bewerben.
Veranstalterfrage?
Wie ist das eigentlich künftig auf Turnieren? Für Klasseneinteilung und Ergebniseingabe benötigt man ja Internet. Wird da der Ausrichter zu zwangsverpflichtet oder hat jeder Kreis eine UMTS-Karte und einen Laptop oder spielt die/der OSR da eine Rolle. Gerade bei offenen Turnieren, wo Menschen von überall her kommen können, muss man das ja checken können (vielleicht wissen sie es ja selbst nicht). Oder muss jeder Spieler einen Ausdruck mit seinem Q-TTR bei der Anmeldung vorlegen. Dafür müssten aber entsprechende Dateien in mytt genereiert werden können. Oder gibt es da dann künftig was bei click-tt im Download-Bereich? Und zur Eingabe, wann kommt denn da endlich was für die Eingabe? Ich habe schon einige Spieler unterschiedlicher Vereine erlebt, die sich tierisch darüber aufgeregt hatten, dass Relegationsspiele, Pokalendrunden (teilweise trotz Eingabebereitschaft der Ausrichter) und andere Veranstaltungen noch nicht eingegeben wurden, obwohl dies wohl technisch schon möglich wäre? Klar, ab 1.7. gehts erst offiziell los, aber warum wurden da zuvor freiwillige Eingaben nicht ermöglicht? Oder hängt das an den Verbandsorganen der jeweiligen Ebene oder formal an Berechtigungen zur Eingabe? Und wo hängts bei den Schnittstellen? Ist man sich nicht einig, wer diese bis wann definiert und programmiert (Money, Money, Money)? Wäre schön, wenn die eine oder andere Frage beantwortet werden könnte ...
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Nichts bleibt wie es wird!
Mephisto
TSG Oberrad
Geändert von Mephisto (29.03.2011 um 10:57 Uhr)
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