AW: Das Ende einer Ära!
Natürlich ist es ein wenig traurig zu sehen, wie die Spieler der goldenen Zeit Europas (die 1967 bis 1970er Generation), in der sie sich aus Konkurrenz und einer enormen Entwicklung des Spinspiel-Systems durch die Spieler entwickelt wurde. Es gab großartige Begegnungen untereinander und auch mit anderen TT-Kulturen. Das heutige noch mehr von körperlicher Fitness abhängige Tischtennisspiel, hat ebenfalls seinen Reitz, aber ab und zu vermisst man in Kenntnis früherer feinster Ballbehandlung und extremen ballflugkurven, doch die gute alte Zeit, in der der Block noch richtig Spin haben konnte und Intuition für die Ballrotation deutlich wichtiger war, als mm genau zum Ball stehen zu müssen, um kräftige Abläufe auf den Ball übertragen zu können.
Doch gerade Petr Korbel hat diesen Wandel von 38 mm zum 40 mm Ball aufgrund seiner druckvollen beidseitigen Spinnvarianten vergleichsweise gut verkraftet.
Es ist auch immer die Frage nach der Anpassungsfähigkeit an neue Umstände, die Spieler langjähriger Karrierezeiten besonders fordert. Diese Anpassungsfähigkeit in fortlaufenden Lebensjahren gehen zusammen mit verbleibenden, körperlichen Voraussetzung, selbst in Bereichen, die man als Beobachter nicht gleich zu erkennen vermag. Etwa ob die Augen noch fähig sind, selbst mit Sehhilfen den Ball zu identifizieren und dadurch vorauszuberechnen.
Motivation aus dem Wunsch noch bestimmte Großveranstaltungen erleben zu können, oder ob man sich zunehmend doch als Trainer, denn als Spieler sieht, sind von solchen Umständen abhängig. In Deutschland hat es im Bereich der Sportpädagogik in den vergangenen 15 Jahren eine vermehrte Akademisierung der Trainer gegeben. Langjährige Erfahrungen als Spitzensportler müssen aber, meiner Ansicht nach, mit sportpädagogischer und sportwissenschaftlicher Entwicklung Hand in Hand gehen, Um große Entwicklungsschritte zu erzeugen, die eigentlich jede Generation der Spieler von neuem benötigt. Sind Kräfte in gealterter Generation gebunden, fehlen sie der kommenden möglicherweise.
Gealterte Spieler sind oft auch einfach nicht mehr bereit ihren Körper zu schinden. Regenerationsfähigkeiten lassen nach und damit auch die Motivation. Das war ein von Mikael Appelgren angeführter Grund, sich aus dem internationalen Sport als Herren-Nationalspieler zurück ziehen zu wollen. Jan-Ove Waldner etwa hatte schon so viel erreicht, als die Börsenstürze der New Ökonomie, ihm wenig akzeptable Alternative bot, doch auch mit dem 40 mm Ball seine Fähigkeiten zu zeigen.
Vor allem Spielern die genau wissen, welche Vorbereitung und welche körperliche Fähigkeiten für einen Titelgewinn bei Welt- und Europameisterschaften Voraussetzung sind, sie also wissen ob und wie man sie erlangt, können vergleichsweise genau einschätzen, wie schwer es für sie wird, auch nur einen reale Chance auf Titelgewinne zu haben. Derjenige, der aus seinem Anspruch auf eine Topplatzierung bei einer Großveranstaltung aus ist, aber weiß, dass es für ihn fast unmöglich sein wird, die entsprechende Vorbereitung zu absolvieren, wird auch nicht mehr entsprechend motiviert sein. Waldner hat diese Situation in seinen letzten Jahren als Nationalspieler konkret angesprochen.
Hat man, wie Jörgen Persson, bereits einmal Abschied als Spieler von der Welt-Tischtennis-Szene genommen und als Trainer gearbeitet, dabei für sich festgestellt, dass als Spieler dabei zu sein, alleine auch schon genügend Motivation bringt, so scheint mir das ein guter Neueinstieg zu sein. Das Jörgen Persson er nun auch noch schaffte sich wirklich als nach wie vor Topsspieler zu präsentieren, konnte er nicht sicher wissen. Man stelle sich nur mal vor, Persson würde, als Trainer, zwischenzeitlich 8 bis 15 Kilogramm zugenommen haben. Das kann auch am Glauben zerren, es noch mal zurück zu schaffen.
Die Weltspitze wird von ca. 23 Jährigen und bereits abgeklärten, sowie topausgebildeten Spielern beherrscht, die ohne Materialnachteil, wie es noch bei den Chinesen Anfang der 1990er der Fall war, mit all ihrer Physis und jugendlichen Reaktionsschnelle nach grundlegendem heutigen Wissen der sportlichen Entwicklungsabläufe von Menschen „fabriziert“ wurden. Man kann auch deshalb die Leistung der letzen Jahre, Jörgen Perssons, eigentlich gar nicht hoch genug bewerten, denn er hat sich vollständig bis zu Olympia 2012 an die neuen Materialbedingungen anpassen können, was auch ein wenig durch die inzwischen deutlich verbesserten, nicht ultraharten Beläge neuester Produktionsqualität unterstützt gewesen sein wird.
Petr Korbel ist für mich, entgegen einiger hier gemachter Aussagen durchaus ein absoluter Weltklasseathlet "gewesen", aber es gab halt noch einige wenige, die jeweils ein Stück weit vor ihm sein konnten, zur jeweiligen Zeit. Sein Spiel, ist nicht so ausgefeilt wie etwa das des Supertechnikers Persson, sieht man mal von seinen Paradeschlägen ab. Korbel ist stets von der maximalen Physis abhängig gewesen, weil sein kraftintensives Spin und spindominiertes Schlagspinspiel, diese körperliche Grundlage schlicht voraussetzt. Auf dem Maximum seiner Fähigkeiten gab es Momente, da hätte er Geschichte schreiben können, etwa als er vor wenigen Jahren den damaligen chinesischen Superstar, Ma Lin, kurz vor einer Niederlage bei der WM hatte und dabei das Spiel ungeahnt dominieren konnte. Aber Ma Lin brachte als letzten Ausweg der drohenden Niederlage mit unentwegter Spielverzögerung eine Ablenkung ins Spiel, indem er Petr Korbel den koexistierenden Gedanken zur eigentlichen Spielaufmerksamkeit einpflanzte, von den Schiedsrichtern benachteiligt zu werden. Denn die hätte Ma Lin’s Verzögerungen ahnden müssen, aber es haben nicht.
Daran erkennt man wie sehr auch die geistige Lockerheit gerade für TT-Spieler ein Erfolgsrezept ist. Wer wird denn daran zweifeln, dass Timo Boll, mit all seinen geballten Fähigkeiten nicht mindestens 50 % der Spielbegegnungen mit chinesischen Spitzenspielern gewinnen könnte. Das Problem ist, er ruft nicht genügend dieser Fähigkeiten im entscheidenden Moment und häufig genug ab. Mit dem Blick auf höher gesteckte Ziele aber momentan unplanmäßigem Spielverlauf ist seine Anpassungsfähigkeit scheinbar eingeschränkt, bis blockiert. Wirklich Angst, wie vor den Chinesen oder als Nicht-Schwede damals vor Jan-Ove Waldner, scheint man vor Timo Boll in der Weltklasse auch nicht zu haben, eher wohl verdienten Respekt. Die Anpassungsfähigkeit an aktuelle Spielsituationen ist etwas, das Jan-Ove Waldner, ein eher lockerer Typ, jedoch voll drauf hatte. Weshalb auch oft Angst vor im bestand.
Aussagen chinesischer Trainer, man befasse sich gar nicht mit Jan-Ove Walders Taktik, weil er sie mitsamt der umgestellten Schlagtechniken ohnehin bei Bedarf ändere, sind natürlich nur soweit richtig, wie ihre Einschränkung ihn berechnen zu können, auch zutreffend ist. Die Aussage wird also von einem Fan von Waldner vermutlich überinterpretiert werden, aber in einem nicht ganz gefestigten Spieler, der auf Waldner traf, durchaus Ängste geschürt haben.
Die Statistik Waldners, in seinen recht fitten Jahren belegt seine Anpassungsfähigkeit, denn er war bei Großveranstaltungen zu etwa 1/3tel im Endspiel und gewann davon fast 50 %. Verglichen mit anderen war er also in mehr Endspielen, weil er sich mit den Aufgaben zu steigern wusste und behielt auch noch als es um die "Wust" ging, meist kühlen Kopf. So dominant, dass er aber jedes Endspiel als Gewinner verließ, weil er schlicht viel besser war als andere, war er nicht, was seine generell hohe Anpassungsfähigkeit meiner Ansicht nach eher unterstreicht.
Obwohl man früher über Jan-Ove Waldner sagte, es benötige rote Stressflecken an seinem Körper, die man erkennen konnte, um als sein Gegner zu sich selbst sagen zu können, "Heute habe ich einen Chance", spricht die Statistik für einen unglaublich für Tischtennis geeigneten Geist bei Jan-Ove Waldner.
Zum Ende der gealterten Spieler der großen europäischen Ära im Tischtennis, sehe auch etwas positives, wenn sie als Spieler zurück treten oder schlicht zurückfallen, denn das gibt ihnen Gelegenheit als Trainer ihr großes Wissen an neue Generationen zu vermitteln und den neuen Generationen den freien Weg auch mal Erfahrung sammeln zu können. Jörg Rosskopf hat aus meiner Sicht, da ich den TT-Sport liebe, als Bundestrainer den richtigen Weg genommen und ich denke auch, schon auf ihn zurückzuführende Verbesserungen bei den Spielern im Bereich der Deutsche Nationalmannschaft erkannt zu haben.
Hoffen wir doch, in der Summe der so angeführten neuen Spielergeneration ergibt sich die kritische Masse zur Konkurrenz und damit folgend, eine neue goldene Ära Europas.
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