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Time Out bei Profispielern?
Ich schaue momentan den World Cup auf Eurosport.
Beim Spiel Timo Boll gegen Joo Se Hyuk hat gerade eben Timo Boll selber ein Time Out genommen und nicht der Nationaltrainer Jörg Roßkopf. Der Reporter hat angemerkt, dass Timo Boll ein Spieler ist, der immer selber sein Time Out nehmen will und nicht möchte, dass es der Trainer nimmt. Wie ist das sonst so bei den Profispielern? Ist das üblich, dass die selber bestimmen, wann Time Out genommen wird oder ist das eine Eigenart von Timo Boll? Könnte mir vorstellen, dass bei den Chinesen nur alleine der Trainer entscheidet wann Time Out ist. Ich mag mir nicht vorstellen, was Chinas Nationaltrainer Liu Guoliang mit Ma Long anstellen würde, wenn dieser zu einem Zeitpunkt selber Time Out nimmt, wenn es Liu Guoliang noch nicht für richtig hält. :gift: |
AW: Time Out bei Profispielern?
und du verteufelst Timo da jetzt für oder was willst du wissen?
Die Chinesen können sehr wohl auch selber ein TimeOut nehmen |
AW: Time Out bei Profispielern?
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AW: Time Out bei Profispielern?
Für Boll ist ja sein Rhythmus besonders wichtig und er selbst merkt am besten wie gut er grad im Spiel drin ist. Da kann ein unbedachtes Timeout eben kontraproduktiv für ihn sein, wenn er grad das Gefühl hat sich ins Match reinzuspielen.
Beispielsweise ist es meistens so, dass wenn kein Satz mehr verloren gehen darf und der Spieler mit 3 Punkten zurückliegt der Trainer die Notbremse zieht und das Time-Out nimmt. Boll dagegen möchte eventuell gar kein TO, weil er nach Sätzen 2:3 zurückliegt, aber die letzten beiden Sätze gewonnen hat und einfach den Start im 6.Satz verschlafen hat. Nach dem TO würde er eventuell wieder einige Punkte brauchen um voll da zu sein... |
AW: Time Out bei Profispielern?
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Die chinesischen Spieler die in meinen Teams waren, z.B. Tan Ruiwu, Feng Zhe, Ling Weichao und Chu-Yan Leung in Würzburg, außerdem Leung auch ein Jahr in Saarbrücken, da war es so, dass diese anstandslos und ohne jede Diskussion ein von mir genommenes Time Out akzeptiert haben. Selber haben diese Spieler nahezu nie Time Outs genommen und wenn dann nur in Situationen, in denen etwas außergewöhnliches war. Ein "mutiges" Time Out gab es vor vielen Jahren zu meiner Würzburger Zeit bei Petr Korbel (damals ein Superstar der Liga, der uns im Jahr zuvor zur Deutschen Meisterschaft geführt hat). Es war ein völlig außergewöhnlicher Zeitpunkt und es gab die durchaus berechtigte Sorge, dass er uns "umbringen" wird, hehe. Wenn ich mich noch richtig erinnere (im click-tt sind diese Daten leider nicht mehr online), dann war es unser erstes Heimspiel in dieser Saison und wir sind zur Pause gegen Grenzau 1:5 zurück gelegen (1:1 nach den Doppeln und dann kam kein einziges Einzel). Korbel war sowieso schlecht gelaunt, alles war scheiße, er hat sich schon alleine maßlos darüber aufgeregt, dass wir an diesem Tag die neuen Heimtrikots bekommen hatten und diese direkt von der Flockerei neu aus der Verpackung kamen und nicht vor dem Verteilen gewaschen wurden (daher nicht angenehm auf der Haut und nicht gut hinsichtlich des Schweißes) und er sich darin überhaupt nicht wohl fühlte. Er hatte im ersten Einzel gegen Trinko Keen ständig auf seinen Schläger geschaut und sich über den Tisch aufgeregt, der seiner Meinung nach nicht im Wasser stand und mehrfach wären Bälle versprungen. Ich denke wenn er sich nicht die ganze Zeit so aufgeregt hätte, dann hätte er das Spiel gewonnen, aber er hatte einfach einen tierischen Hals und hat das Spiel im 5.Satz verloren (wenn ich mich richtig erinnere, sogar in der Verlängerung). Er hatte einfach restlos die Schnauze voll und der Pausenstand mit 1:5 trug sicherlich nicht zu einer besseren Laune bei. Grenzau war einfach total ausgeglichen, vorne mit Blaszczyk und Keen, hinten mit Cheung Yuk und Fejer-Konnerth. Unsere Chancen standen damit äußerst schlecht. Trotzdem haben wir uns in der Halbzeitpause eingeschworen, dass wir um jeden Ball kämpfen werden und auch den Zuschauern was bieten werden. Nach der Pause legte auch Chu-Yan Leung am Nebentisch los wie die Feuerwehr und führte im ersten Satz gegen Keen bestimmt schon 6:0, während Korbel gegen Blaszczyk direkt ein paar Mal Pech hatte (ich glaube direkt einen Netzroller kassiert, dann einen vermeintlich "sicheren" Punkt "verspielt" da der Ball wohl wieder versprungen ist und ihm gegen die Schlägerkante sprang und dann strittiger Punkt "Kantenball oder war außen!?"). Nachdem es im weiteren Verlauf nicht besser wurde und er sich tierisch aufregte, dass wieder ein Ball versprungen sei und die Schultern hängen lies, gab es ein ganz frühes Time Out, wofür es einige ungläubige Blicke gab. Petr kam aber ohne Murren her, hat erstmal etwas getrunken, tief durchgeatmet und keinen Ton gesagt. Die Ansprache war so ungefähr: "Petr, ich weiß, heute läuft vieles scheiße und das hat auch alles nichts mit Taktik zu tun, aber jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder Du regst Dich weiter wie im ersten Spiel auf, dass die Bälle verspringen, lässt die Schultern hängen und dann können wir in ein paar Minuten mit einem 1:6 heimgehen ODER Du akzeptierst das Problem mit den Tischen und Bällen, machst das beste daraus und kämpfst einfach um jeden Ball. Schau mal wie es bei Leung steht, da kann heute echt noch was gehen! Wenn Du dieses Spiel holst, dann ist das auch ein Signal für alle anderen und vielleicht schaffen wir noch ein Unentschieden." Er antwortete, dass das natürlich stimmt und er sich die ganze Zeit ja schon selber gesagt hatte, dass er das jetzt einfach ignorieren muss und er sich in der Pause wirklich viel vorgenommen hatte, aber dann gleich so ein paar dumme Bälle kassiert hat. Aber er wolle kämpfen und für das Team und die Zuschauer alles geben. Das Kuriose war dann (ich kann leider nicht mehr den "click-tt Beweis" liefern, da nicht mehr online), dass Petr Korbel nicht nur das Spiel 3:0 gewonnen hat, sondern ich glaube sogar im ersten Satz keinen Fehler (!) mehr gemacht hat und im zweiten Satz ebenfalls direkt hoch in Führung ging (ich glaube 1. und 2. Satz überschneidend hat er ca. 15 Punkte am Stück gemacht), er hat Blaszczyk vernichtend geschlagen und wirklich alle mitgezogen und wir haben am Schluß nach einem 1:5 zur Pause noch ein 5:5 geholt. Ein Jahr später mußte ich auch etwas Kurioses erleben. Wir (Würzburg) hatten einen Spieler verpflichtet, der innerhalb eines Jahres in der WRL von schätzungsweise 120 auf ca. 65/70 hochmarschiert ist und der im April bei der WM 2006 im Teamwettbewerb Chuang Chih-Yuan, Chiang Peng Lung und Fedor Kuzmin geschlagen hat. Es handelte sich um Peter Sereda (Slowakei). Es gab ja in dieser Saison immer noch 4-er Mannschaften auf 2 Tischen und damit auch 2 Coaches. Direkt im ersten oder zweiten Spiel der Saison wurde sein Einzel von Fan Changmao betreut und wenn ich mich richtig erinnere, führte Peter Sereda gegen Zoltan Fejer-Konnerth 2:1 nach Sätzen und ich glaube 8:0 oder sogar 9:0 im 4.Satz. Irgendwann stand es 9:4, da zeigte Fan Changmao schon Time Out an, was Sereda ignorierte und auch Gegner und Schiedsrichter nicht sahen. Sereda machte auch den Punkt zum 10:4, aber dann kam eben 10:5 und 10:6 und Fan Changmao stand auf und zeigte deutlich Time Out an. Sereda winkte ab und verweigerte das Time Out. Er verlor diesen Satz dann noch in der Verlängerung und war im 5.Satz dann chancenlos. Das Spiel insgesamt verloren wir dann glaub auch noch 4:6 :rolleyes: Ich selber hatte mit Peter Sereda keine Probleme, auch nicht mit den anderen Spielern, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit für die slowakische Nationalmannschaft betreue. Egal ob Thomas Keinath oder Lubomir Pistej, alle sehr pflegeleicht und es wechselt sich sicherlich 50:50 ab, ob die Spieler Time Out nehmen oder ich. Meistens ist es sogar so, dass wir völlig unabhängig voneinander Time Out anzeigen, denn i.d.R. empfinden fast alle den Spielverlauf ähnlich (z.B. wenn einer 9:3 führt und plötzlich steht es 9:6, dann ist eben normalerweise der Moment gekommen, spätestens bei 9:7). Aber auch da gibt es Unterschiede, z.B. bei Chu-Yan Leung hat man entweder selber das Time Out nehmen müssen oder wenn man gewartet hat (weil man das Gefühl hatte, er will das Time Out vielleicht noch nicht) und es ihm eher "angeboten" hat, dass er es selber nimmt, dann hat man ihn immer etwas zu einem Time Out drängen müssen, denn er selber hat aus meiner Sicht oft zu lange gewartet. Also bei dem gerade genannten Beispiel, nach einer 9:3 Führung, hätte er i.d.R. nicht schon bei 9:6 oder 9:7 das Time Out genommen und nicht mal wenn er nur noch 9:8 vorne gewesen wäre, sondern gewartet bis es 9:9 oder gar 9:10 steht. Allgemein ist es einfach wichtig, dass man sich abspricht. z.B. haben wir so eine Vereinbarung, dass ich manchmal auch ein Time Out nur dem Spieler heimlich "anzeige", es ihm sozusagen "anbiete" (ihm zeige, dass ich es für sinnvoll erachten würde, jetzt ein Time Out zu nehmen), damit dieser sich überlegt, ob er es nehmen will. Und selbst wenn er es nicht nimmt, dann hat ihm dieses Anzeigen zumindest einen Denkanstoss gegeben / einen "Wink mit dem Zaunpfahl" gegeben, dass er etwas ändern sollte, was dem Spieler in dieser Situation auch schon durchaus helfen kann. Früher und auch jetzt noch international mußte/muss ich "Time Out anbieten" heimlich machen, d.h. dass der Schiedsrichter das nicht als Eingriff während dem Satz feststellt. Das geschieht dann eben durch ein bestimmtes Verhalten ("Zeichen"), dass ich eben z.B. meine Sitzposition ändere oder vielleicht meine Arme nicht mehr verschränkt habe sondern was anderes mache (will das jetzt nicht näher ausführen, hehe), man kennt ja die üblichen Tricks, wenn es die Trainer plötzlich an der Nase oder am linken oder rechten Ohr "juckt" oder man demonstrativ mit einem Tempo-Taschentuch seine Nase putzen muss oder aufgrund "trockenen Halses" einen leichten Hustenreiz bekommt. :D In der TTBL ist es dieses Jahr etwas leichter. Man darf den Spielern Hinweise reinrufen. Man darf zwar keine Fragen stellen / eine Konversation starten, sondern nur Kommandos reinrufen, aber das reicht schon. Dann wird der Spieler nicht gefragt "do you want time out?", sondern dann sagt man eben "think about time out!". Die Vereinbarung (bzw. Selbstverständlichkeit) ist eben so, dass beim heimlichen "Time Out anbieten" der Spieler selber entscheidet und wenn ich aber aufstehe und ein klares Time Out Zeichen gebe, dann ist das sozusagen "Gesetz", dann wird das Time Out auch definitiv wahrgenommen. Bei meinen aktuellen Spielern in Saarbrücken ist es komplett unterschiedlich: Bastian Steger will definitiv immer selber die Time Outs nehmen. Ich habe lediglich ein einziges Mal, als ich es für absolut nötig empfunden hatte, selber das Time Out genommen. Basti will es aber wie gesagt selber in der Hand haben und steuern und tendenziell nimmt er selber sehr spät seine Time Outs (was Bojan Tokic neben mir auf der Bank immer fast in die Wahnsinn treibt, der dann immer bettelt "nimm Time Out - egal was er sagt!" oder "wenn er noch einen Fehler macht, musst du Time Out nehmen, auch wenn er nachher auf uns beide sauer ist!"). Bojan Tokic ist das genaue Gegenteil. Bei Bojan kann ich jederzeit selber die Time Outs nehmen. Ich komme allerdings selten dazu, da Bojan wirklich sehr sehr frühe Time Outs nimmt. Manchmal schon im ersten Satz, was auch durchaus Sinn machen kann, je nachdem gegen wen man spielt (*). Bojan wird immer von Basti im Scherz verspottet, weil er immer so früh Time Outs nimmt, da scherzt er immer "Bojan, du bekommst immer gleich Panik! Du würdest sogar Time Out nehmen, wenn du im ersten Satz 3:0 führst und dann macht der Gegner zwei Punkte ;) ". Bei Joao Monteiro kann ich nicht nur jederzeit Time Outs nehmen, sondern muss es im Prinzip auch immer selber machen, denn "so etwas wie Time Out" (Zitat Basti) "kennt Joao gar nicht" :D Joao kommt i.d.R. immer ohne Time Outs aus, egal ob bei Siegen oder seltenen Niederlagen, auch wenn es manchmal sinnvoll wäre. Daher muss man die Time Outs bei ihm selber nehmen. Bei unseren jungen Spielern von der 2.Mannschaft (2.Bundesliga), Cedric Nuytinck (Belgien) und Bojan Crepulja (Serbien), wenn diese mal zum Einsatz in der 1.Liga kommen, dann war es bislang immer so, dass ich die Time Outs genommen habe. Ich hätte aber auch absolut kein Problem damit, wenn diese selber plötzlich zu irgendeinem Zeitpunkt Time Out nehmen. Ich mußte es auch schon erleben, dass ein Spieler, nachdem er bei eigener Führung nach einem Punktverlust selber ein Time Out genommen hatte und er das Spiel noch verloren hatte, dass dieser danach von Dritten verbal attackiert wurde, wie man nur so ein idiotisches Time Out nehmen könne. Hierzu habe ich eine klare Meinung: Wenn ein Spieler zu irgendeinem Zeitpunkt der Ansicht ist, er bräuchte jetzt ein Time Out, dann gibt es absolut keine Diskussion darüber, ob dieses Time Out jetzt im Hinblick auf den Spielverlauf sinnvoll war oder nicht. Wenn der Spieler meint, er braucht es, dann war es auch nötig und fertig. (*) Noch ein allgemeiner Satz dazu, warum es manchmal auch Sinn machen kann, im ersten Satz ein Time Out zu nehmen. Man mag zwar denken, dass es ja noch genügend andere Sätze gibt und erst später die entscheidenden Situationen um Sieg oder Niederlage kommen, aber jetzt mal völlig unabhängig vom jeweiligen Verlauf, sondern nur an die Gegner gedacht, kann man folgendes sagen: Gegen sehr starke Gegner ist es wichtig, nicht 0:1 in Rückstand zu geraten, da kann es durchaus sehr wichtig sein, eine 1:0 Satzführung durch ein Time Out im ersten Satz zu sichern. Gegen schwächere Gegner, gegen die man eigentlich selber Favorit ist, ist es wichtig, nicht 0:2 in Rückstand zu geraten (denn auch wenn man Favorit ist und eigentlich stärker, ein 0:2 nochmal zu drehen ist äußerst schwer). |
AW: Time Out bei Profispielern?
Sehr sehr interessanter, toller und langer Beitrag von dir, ML!
Vielen Dank dafür .. besonders die Geschichte von Korbel konnte man sich gut vorstellen. Er ist heute ja immer noch ein Heißsporn und schnell wütend. Auch die Geschichte über die SB Spieler ist toll. Kann man sich bei Monteiro so auch vorstellen .. immer weiter weiter :-) |
AW: Time Out bei Profispielern?
Kann mich meinem Vorredner nur anschließen!
Sehr toller und vor allem auch interessanter und informatvier Beitrag=) Du musst unbedingt öfter mal ein bisschen was schreiben, ist wirklich sehr interessant, was ein Bundesligatrainer darüber denkt und die Geschichten aus dem Nähkästchen sind natürlich super, ich habe mich schon oft gefragt, wie das so abläuft zwischen Trainer und Spieler, was wird in den Satzpausen/TimeOuts so gesagt.. Daumen hoch!:top: |
AW: Time Out bei Profispielern?
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