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Rudi Endres 24.11.2005 21:58

Interview Dr. Niklas
 
Frischklebe-Serie Teil 2: Interview mit Belaghersteller Dr. Georg
Nicklas:
?Frischklebe-Verbot ist eine Chance und kein Problem?

Dr. Georg Nicklas, in kurzer Zeit greift das Verbot der ITTF zur
Verwendung flüchtiger organischer Lösungsmittel in den so genannten
Frischklebern. Wie stehen Sie zu dieser Entscheidung?

Alle diese Mittel sind schädlich für den Menschen und im Umgang
gefährlich. Das ist unstrittig, und deswegen haben diese Mittel im Sport
nichts zu suchen.

Wie sind die Auswirkungen konkret?

Grundsätzlich muss man zwischen schädlich und gefährlich unterscheiden.
Beide Kategorien sind in den jeweiligen Sicherheitsdatenblättern dieser
Chemikalien sehr deutlich dokumentiert. Der Grad der Schädlichkeit hängt
aber natürlich auch von der Dosierung und der Intensität des Umgangs ab.
Ein Beispiel macht das Risiko aber deutlich: Bei der Ausbildung von
Chemikern findet der Umgang mit flüchtigen organischen Mitteln nur unter
Abzugshauben statt, aber im Tischtennis werden schon Kinder zum
ungeschützten Umgang damit geradezu ermutigt. Bei Deutschen
Schüler-Meisterschaften kleben alle frisch, obwohl die Abgabe dieser
Produkte an Kinder per Gesetz verboten ist. So kann es nicht
weitergehen, das muss ein Ende haben. Was die Gefährlichkeit betrifft:
Alle diese Stoffe sind leicht entzündlich und damit per Gesetz als
Gefahrenstoffe deklariert. Die ITTF hat das Problem richtig erkannt und
auch die richtigen Schlüsse daraus gezogen.

Welche Herausforderung bedeutet der ITTF-Beschluss für die Hersteller?

Man muss schauen, dass man Produkte findet, die auf andere Art die
Leistung erzielen, die bislang mit flüchtigen organischen Lösungsmitteln
erbracht worden ist. Es ist eine spannende Entwicklungsaufgabe.

Wie ist denn der Stand der Entwicklungen?

Wir machen gute Fortschritte und sind mit dem Stand sehr zufrieden.

Wann ist denn mit Ergebnissen, sprich akzeptablen Alternativen zum
derzeitigen Frischkleben zu rechnen?

Das Verbot gilt ab September 2007, das heißt, dass eine Anmeldung neuer
Produkte zur Zulassung durch die ITTF bis spätestens 1. Februar 2007
erfolgen muss. Es werden aber schon im kommenden Jahr die ersten
Produkte auf dem Markt sein, die man nicht mehr kleben muss und bei
denen die Wirkung des bisherigen Frischklebens fest eingebaut sein wird.

Kann denn überhaupt die Wirkung des Frischklebens auf anderen,
unschädlichen und ungefährlichen Wegen im Verhältnis 1:1 erreicht werden?

Das wäre natürlich toll und ist ein hohes Ziel. Gänzlich ausschließen
möchte ich das auch nicht, aber ich denke, dass man zumindest vorläufig
mit ein wenig Abstrichen zufrieden sein muss.

Den Laien gilt Wasser gemeinhin als das einzige unschädliche
Lösungsmittel, bindet aber nicht wie andere Stoffe. Ist dennoch auf
Wasser-Basis eine Lösung denkbar?

Das ist eine weitere Frage, die sehr spannend ist. Ich persönlich denke
eher, dass eine solche Lösung nicht gefunden werden kann. Aber auch hier
gilt: Gänzlich ausschließen möchte ich das nicht.

Wie schätzen Sie die Auswirkungen des künftigen Verbots auf das
Tischtennis-Spiel ein?

Das Spiel wird dem heutigen ähnlich bleiben. Als Zuschauer wird man
keinen Unterschied bemerken.

Und als Spieler?

Die Spieler werden sich schnell umgewöhnen. Das Tempo wird etwas
reduziert sein, die Beläge behalten aber einen ähnlichen Charakter wie
bisher.

Warum kritisieren denn so viele Spieler die Einführung des Verbots?

Das ist eine Folge des Informationsmangels. Den Profis kann es zwar nie
schnell genug sein, aber ich tippe mal, dass sie am Ende ganz zufrieden
sein werden. Alle unsere Tests mit Weltklasse-Spielern haben bisher
gezeigt, dass mit unserer TENSOR-Technologie der Ausfall des heutigen
Effekts des Frischklebens mit flüchtigen organischen Stoffen zum großen
Teil ausgeglichen werden kann. Die TENSOR-Technologie ist dabei aber
völlig unschädlich und, das war die eigentliche Grundidee bei der
Entwicklung vor über zehn Jahren, erspart dem Spieler ja außerdem die
ständige Mühe des Neuklebens.

In Bezug auf Frischklebe-Alternativen hört man von anderen Möglichkeiten
kaum etwas und noch weniger über Lösungen, die über das Versuchsstadium
hinausgehen. Ist die TENSOR-Technologie womöglich das Nonplusultra?

Technologie kennt oft viele verschiedene Lösungen. Deswegen halte ich es
für möglich, dass andernorts andere Wege gefunden werden könnten.

Bei der ITTF heißt es, dass den Forschern in Japan und China der
Durchbruch gelungen sein könnte. Haben Sie auch davon gehört?

Ich weiß, dass auch in Japan Forschung mit unserer Technologie betrieben
wird. Sie suchen ja auch nach Produkten, die den Frischklebe-Effekt
ersetzen. Generell wird die Entscheidung für das Verbot langfristig zu
einem Forschungs-Schub führen, der Tischtennis nach vorne bringt. Auch
wir begreifen das künftige Verbot als Chance, nicht als Problem.

Die ITTF-Führung erwartet denn auch von den Herstellern bei der
Problemlösung eine stärkere Konzentration auf die Bereiche Hölzer und
Belag. Wie beurteilen Sie diesen Standpunkt?

Die wenigsten Aktiven spielen mit den schnellsten Hölzern. Demnach kann
jeder mit der Holz-Wahl ein Stück Tempoverlust kompensieren.

Heutzutage ist ein Verbot ohne die entsprechenden Kontrollen oft das
Papier nicht wert, auf dem es steht. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Es ist richtig: Auch dieses Verbot ist nur durch wirksame Kontrollen
durchsetzbar.

Die ITTF ließ kürzlich verlauten, es seien Geräte zur Kontrolle
entwickelt worden. Teure für die großen Veranstaltungen und preiswertere
sozusagen für den Alltagsgebrauch.

Diese Informationen entsprechen auch unserem Kenntnisstand. Die
Kontrollgeräte werden so konzipiert sein, dass sie sich jeder Verein
leisten kann.

Können die Kontrollen auch wirklich wirksam sein?

Ja, es wird diese chemischen Prüfgeräte zur Kontrolle geben, und sie
werden zuverlässig sein.

Was bedeutet das Frischklebe-Verbot für die künftige Entwicklung der Beläge?

Das Verbot wird zu einem enormen Innovationsschub führen. Zuletzt schien
ja die Art und Weise, wie man klebt, wichtiger geworden zu sein als die
Wahl des Belages. Das Frischkleben hat die Eigenschaften der Beläge
geradezu auf den Kopf gestellt. In Zukunft wird die Konzentration der
Hersteller wesentlich stärker auf der Gummi-Entwicklung liegen.

Das eröffnet tatsächlich die Aussicht auf Produkt-Innovationen. Hebelt
das nicht aber auch das Argument der ITTF aus, dass die Widerstände
gegen das Frischklebe-Verbot auf Seiten der Industrie auch wegen der
Angst vor Umsatzeinbußen so groß sind?

Völlig richtig. Um den Umsatz der Hersteller mache ich mir auch für die
Zukunft keine Sorgen. Jeder, der das Verbot als Chance begreift, wird
auch weiter gute Geschäfte machen.

Profit ist aber gerade in der heutigen Zeit für viele Unternehmen die
wichtigste Triebfeder. Besteht deswegen nicht doch die Gefahr, dass das
Streben nach mehr Gewinn auch zu mehr Erfindungsreichtum zur Umgehung
des Verbots führen könnte?

Das Internationale Olympische Komitee hat eine Umwelt-Charta, die so
genannte Agenda 21. Darin sind Stoffe, die schädlich oder gefährlich
sind, für den Sport kategorisch verboten. Tischtennis wird also keine
Möglichkeit haben, so weiterzumachen wie bisher, wenn es seinen Status
als olympische Sportart nicht verlieren will. Das IOC wird dafür sorgen,
dass das Verbot be- und geachtet wird. Ich halte es auch für möglich,
dass die jetzige Position der ITTF bereits auf Druck des IOC
zurückzuführen ist.

Unterstützen sie also die Haltung der ITTF in der Frage des
Frischklebens mit flüchtigen organischen Stoffen auf der ganzen Linie?

Es ist zur Minderung oder Minimierung des Schädlichkeits- und
Gefahrenrisikos die einzig richtige Strategie, die Benutzung dieser
Stoffe so weit wie möglich einzuschränken und den Menschen davor zu
schützen.

Rudi Endres 25.11.2005 08:40

AW: Interview Dr. Niklas
 
Ich vergaß zu erwähnen, Dr. Niklas ist der Experte für Frischkleben und Erfinder der Tensortechnologie.

fresh-clue 25.11.2005 09:11

AW: Interview Dr. Niklas
 
Zitat:

Zitat von Rudi Endres
Ich vergaß zu erwähnen, Dr. Niklas ist der Experte für Frischkleben und Erfinder der Tensortechnologie.


Bezeichnet er sich so oder woher stammt seine uneingeschränkt anerkannte Fachkompetenz?? (ernstgemeinte Frage)

Gruß und Tschüss !
fresh-clue

Rudi Endres 25.11.2005 09:38

AW: Interview Dr. Niklas
 
Er gründete die Firma Donic, die er später verkaufte. Seither forscht er auf dem Gebiet der Belagherstellung und erfand die Tensortechnologie. Dass man dazu ein ausgewiesener Fachmann im Bereich Frischkleben sein muss, ergibt sich von selbst. Er ist in Expertenkreisen international anerkannt. Er war auch schon Dozent beim Symposium des VDTT.

fresh-clue 25.11.2005 10:30

AW: Interview Dr. Niklas
 
Zitat:

Zitat von Rudi Endres
Er gründete die Firma Donic, die er später verkaufte. Seither forscht er auf dem Gebiet der Belagherstellung und erfand die Tensortechnologie. Dass man dazu ein ausgewiesener Fachmann im Bereich Frischkleben sein muss, ergibt sich von selbst. Er ist in Expertenkreisen international anerkannt. Er war auch schon Dozent beim Symposium des VDTT.


Danke für die Information !!

Gruß und Tschüss !
fresh-clue

Rudi Endres 25.11.2005 12:19

AW: Interview Dr. Niklas
 
Ich habe in einem anderen TT - Forum einen Beitrag geschrieben, in dem ich auch auf die Inhaltsstoffe der Kleber eingehe. Da einige PN-Anfragen zur Zusammensetzung der Kleber vorliegen, habe ich aus Bequemlichkeit den Beitrag kopiert.

Ich habe schon mehrfach geschrieben, dass das totale Verbot org. Lösungsmittel der Einführung der hoch toxischen Lösungsmittel durch die Hintertür gleich kommen dürfte. Denn die erlaubten Substanzen gibt es dann nicht mehr zu kaufen
In den bisher erlaubten Klebern sind im wesentlichen Cyclohexane (z. B. Methylcyclohexan), n-Butylacetat und n-Heptan in, je nach Kleber, unterschiedlichen Mengenverhältnissen enthalten. Kleben mehr als vier Personen in einer unbelüfteten Kabine so kann die kritische Grenze zur neurotoxischen Wirkung überschritten werden. Erste Anzeichen sind Minderung der Reflexe und leichte Benommenheit. Würden sich alle an die Regeln halten (draußen kleben), so wäre das Risiko für Erwachsene noch akzeptabel. Aber vor dem Training hält sich (zumindest im Herbst und Winter) so gut, wie niemand an das Verbot.
Kinder dürften unter keinen Umständen mit Klebern auf Basis org. Lösungsmittel hantieren. Dies ist auch gesetzlich verboten. Entwicklungsstörungen sind bei "Dauerklebern" wahrscheinlich.
Die größte Gefahr geht von verbotenen, früher in Frischklebern enthaltenen, organischen Lösungsmitteln aus. Das gefährlichste ist Trichlorethan (= Ethenyltrichlorid, = Methylchloroform). Es erzeugt Nierenkrebs und wahrscheinlich auch Leberkrebs, ist mutagen (erbanlagenverändernd) bis in die 3. Generation und ist ein Umweltgift. Alle halogenierten, als Lösungsmittel benutzten, Kohlenwasserstoffe sind stark gewässerschädigend und eine Gefahr für das Grundwasser.
Toluol ist ein "Homologes" des Benzol (Benzolring trägt Methylgruppe). Es ist ein Nervengift, aber nicht krebsauslösend. Bei Benzol kommt die eindeutig nachgewiesene krebserregende Wirkung hinzu. Xylol führt zu Brechreiz, Kopfschmerzen und Schwindelanfällen.
Die genannten Substanzen (besonders Toluol) sind in vielen Klebern enthalten, die nur draußen verwendet werden dürfen oder nur für punktförmiges, nicht großflächiges Kleben konzipiert sind. Ein solcher Klebermix bescherte mir bei der KM der Jungen vor zwei Jahren einen lebensbedrohlichen Asthamanfall. Jugendliche hatten sich im Baumarkt bedient. Diese genannten Substanzen sind in der Regel Bestandteil vieler preisgünstiger osteuropäischer Kleber, die auch heute noch als (verbotene) Frischkleber gang und gäbe sind. Wie will man das kontrollieren?
Mit Sharara hatte ich mehrfach Emailkontakt (Stichworte: Schadenersatzforderungen, Zulassung als olympische Sportart, Gesundheitssport TT, Imageschaden) Ich habe der ITTF auch die neuesten toxikologischen Erkenntnisse über organische Lösungsmittel zur Verfügung gestellt. Zusammengestellt wurden diese von dem bekannten Chemiker Udo Pollmer(Direktor des Europäischen Instituts für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften in Hochheim). Die umfangreichen, englischsprachigen Unterlagen kann ich gegen Kostenübernahme zustellen. Sharara erwartet sich von einem Verbot der org. Lösungsmittel eine Signalwirkung bis in die unteren Klassen. Wenn die Profis nicht mehr kleben, werden es schließlich die Kids auch nicht mehr tun. Die 200 € - Kontrollgeräte wären für die Untergliederungen der Verbände finanzierbar. So viel gibt mancher Kreis pro Jahr für Pokale aus.
Abschließend noch ein Kommentar zur Behauptung, man klebe schon 15 Jahre und sei immer noch gesund.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen werden meist nicht auf org. Lösungsmittel zurückgeführt. Krebs tritt stark zeitverzögert auf.
Neben der Konzentration spielen noch andere Faktoren, wie die Dauer der Aufnahme und die genetische Disposition eine Rolle. Ich habe diese Zusammenhänge vor etwa 2 Jahren unter TT-News ausführlich erläutert.
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Ich gebe zu, als Betroffener (Asthmaanfälle) und durch mein Studium (Ernährungswissenschaften mit den Schwerpunkten Toxikologie und Biochemie) habe ich eine besonders kritische Haltung. Dies ändert jedoch nichts an den realen Gefahren. Verharmlosung schadet allen.

platten 29.11.2005 11:14

AW: Interview Dr. Niklas
 
O-Ha. Ich bin beeindruckt.
Da ich in meinem zweiten Hobby (Feuerwehr) auch mit Gefahrstoffen zu tun habe, muss ich sagen Rudi hat Recht. Wenn ich das nächste Mal mehrere Kleber in meinem Auto habe, muss ein gelbes Schild dran (keine Ironie).
Als Nicht-Kleber wusste ich nicht, was da alles drin ist...

Und wenn einer ständig klebt, setzt er sich wirklich Gefahren aus, die er noch nicht überblicken kann (3.Generation)

DerJon 29.11.2005 14:33

AW: Interview Dr. Niklas
 
Er hat leicht reden. Finanziell ist das Klebeverbot für ihn ein Vorteil. Denn die ganzen besseren Tensor-Beläge (die deutschen),die alle halbwegs was taugen (Donic Desto, die Andro's, die Joolas), kommen alle von Dr.Nicklas.

Pepino 29.11.2005 14:50

AW: Interview Dr. Niklas
 
Zitat:

Zitat von Rudi Endres
Die ITTF ließ kürzlich verlauten, es seien Geräte zur Kontrolle entwickelt worden. Teure für die großen Veranstaltungen und preiswertere sozusagen für den Alltagsgebrauch.

Die Kontrollgeräte werden so konzipiert sein, dass sie sich jeder Verein
leisten kann.

Selbst wenn diese Dingers existieren würden und erschwinglich wären: weshalb soll sich ein Verein sowas kaufen wollen?

Julius K. 29.11.2005 15:07

AW: Interview Dr. Niklas
 
vielleicht nicht wollen, sondern müssen.


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