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Aufruf zu zivilem Ungehorsam
Die neue Zählweise erzürnt die Tischtennis-Basis
Von Markus Maximilian Pohl (Berliner Zeitung: 14./15. Juli 2001) BERLIN, 13. Juli. Christian Kunath spielt seit einem Vierteljahrhundert leidenschaftlich Tischtennis. Auf eines konnte sich der 39-jährige Berliner stets verlassen: Ein Satz endet nach 21 Punkten, so unumstößlich wie ein Fußballspiel 90 Minuten dauert. Und jetzt? Ab 1. August gilt in allen deutschen Ligen als neues Satzende der elfte gewonnene Punkt. Der Aufschlagwechselt künftig nicht mehr nach dem fünften, sondern schon nach jedem zweiten Ball. "Die wollen Tischtennis kaputt machen", sagt Kunath. In seinem Verein, dem SV Berliner Brauereien am Prenzlauer Berg, seien fast alle Spieler gegen die Regeländerung. "Einige überlegen sogar, mit anderen Vereinen eine Petition an den Verband zu schicken." Das Spiel wird kürzer und zerhackt, Aufholjagden werden unmöglich, man hat kaum mehr Zeit, sich auf den gegnerischen Aufschlag einzustellen - so die Befürchtungen. Murrend haben die Aktiven in den unteren Ligen eben erst hingenommen, dass nach der internationalen Elite nun auch sie mit größeren, langsameren Bällen spielen müssen. Statt bisher 38 haben die Zelluloidkugeln ab der neuen Saison einen Durchmesser von 40 Millimeter. Und nun das Ende der 21. Senile, alte Männer Es ist eine Revolution von oben: Auf Betreiben seines reformfreudigen Präsidenten Adham Sharara beschloss der Tischtennis-Weltverband Ende April in Osaka mit 104:7 Stimmen die neue Zählweise. Als Ausgleich für die Verkürzung auf elf Punkte wird künftig auf drei, bei großen Turnieren auf vier Gewinnsätze gespielt. Die Funktionäre erhoffen sich dadurch mehr Entscheidungssituationen, mehr Dramatik in den Spielen. Zusammen mit den langsameren Bällen soll das den Sport für Fernsehübertragungen interessanter machen. Doch schon in Osaka gab es warnende Stimmen: "Zu viele Reformen sind gefährlich", sagt etwa Jan-Ove Waldner, der schwedische Olympiasieger. "Erst passiert 30, 40 Jahre gar nichts, dann führen sie plötzlich den neuen Ball ein - und jetzt so etwas. Ich denke, manchmal wissen sie nicht, was sie tun." Dennoch setzte der Deutsche Tischtennisbund (DTTB) das Regelwerk am 10. Juni nach einer turbulenten Hauptversammlung national um. Seitdem herrscht in der sonst so beschaulichen Tischtennisgemeinde Aufruhr. Die Landesverbände berichten von wütenden Anrufen erregter Spieler. In Diskussionsforen im Internet, zum Beispiel unter www.tt-news.de , kursieren Aufrufe zum zivilen Ungehorsam: "Entweder weiterhin einfach bis 21 spielen. Oder antreten und alle Spieler verletzen sich beim Einspielen", empfiehlt ein Nutzer mit dem Pseudonym Jaskula . "Ich kann nicht damit leben, dass senile, alte Männer uns sagen, wie wir zukünftig spielen sollen." EinHerbert Pilch ruft gar zu einer "Tischtennis-Intifada" auf. "Proteste einer sehr emotionalisierten Minderheit" nennt DTTB-Sprecher Manfred Schillings das. In den Reihen der 700 000 organisierten deutschen Tischtennisspieler gebe es auch viele positiven Stimmen, aber die Gegner meldeten sich natürlich lauter zu Wort. Schillings verteidigt die Reform als "zeitgemäßen Schritt". Er erhofft sich eine "Attraktivitätssteigerung, um das zu Unrecht hausbackene Image unseres Sports zu korrigieren". Beim Berliner Tischtennisverband sieht man die Dinge Skeptischer. "Ich hätte mir mehr Aufklärungsarbeit im Vorfeld gewünscht", sagt Präsident Jörg Dampke. Er sieht "großen Unmut" unter den Berliner Aktiven. Auf einem Verbandstag Ende Mai hatten zwei Drittel der Deligierten gegen die Einführung der 11-Punkte-Sätze gestimmt. Doch nachdem die Entscheidung international bereits gefallen war, blieb dieses Ergebnis folgenlos. Die vom DTTB unabhängigen Berliner Betriebssportler haben zwar schon angekündigt, weiter bis 21 zu spielen. Dampke rechnet aber damit, dass sich die anderen Vereine den Regeln beugen werden. Schon überlegt der Präsident, ob nicht die traditionsreiche Berliner Verbandszeitschrift "20 beide" umbenannt werden sollte. Ruhe wird so bald nicht einkehren. Schon zur kommenden Saison steht die nächste Reform bevor: Künftig sollen durch den Körper verdeckte Aufschläge verboten werden. Ob der Reformhunger der Verbandsoberen damit gestillt ist, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Schon behaupten Lästermäuler, nächstens werde der Rundlauf auf Wettkampfebene eingeführt. |
Ich stehe nach wie vor zu meinem Aufruf, diese Regeländerungen zu unterlaufen, um damit die Rücknahme zu erzwingen.
Ich bin auch noch damit beschäftigt, eventuell gerichtlich dagegen vorzugehen, aber da läuft man vor Mauern und ich habe ja auch nicht Tag und Nacht nur dafür Zeit, leider. Wir als Verein haben als ersten Schritt die Einzugsermächtigung für unseren Landesverband zurückgezogen, da wir der Meinung sind, daß dieser unsere Interessen nicht vertritt. Den Wortlaut werde ich demnächst posten, damit Ihr eventuell mitmachen könnt. Es ist ganz einfach so, daß das Maß voll ist und wir etwas tun müssen. Egal, ob die 11 noch gekippt werden kann oder nicht, ohne Wirkung darf diese Sache nicht bleiben. |
Nachfolgenden Brief haben wir zusammen mit der Kündigung der Einzugsermächtigung an unseren Verband geschickt. Dies ist unsere erste Antwort auf die ungeheuerliche Art und Weise der Einführung der neuen Zählweise. Wir hoffen, daß andere Vereine unserem Beispiel folgen.
-------------------------------------------------------------------------- HTTV Geschäftsstelle Präsidium des HTTV Postfach 1140 35411 Pohlheim Betreff: Vertrauen Sehr geehrte Damen und Herren, beiliegend erhalten Sie den Widerruf unserer Einzugsermächtigung, die der xxx dem Hessischen Tischtennisverband erteilt hat. Wir möchten dies nicht unbegründet lassen. Die Erteilung einer Einzugsermächtigung ist unserer Ansicht nach ein Zeichen des Vertrauens, das wir als Verein unserem Verband entgegenbringen. Leider hat die Führung des HTTV durch ihr Verhalten vor, während und nach der Bundeshauptversammlung des DTTB am 09./10.Juni 2001 dieses Vertrauen zerstört. Es fällt uns als Vorstand unseres Vereins mit über hundert Mitgliedern schwer, diesen Vertrauensbruch zu akzeptieren und zu tolerieren. So wie wir als Vorstand die Interessen unserer Mitglieder zu vertreten haben, so sollten auch Sie die Interessen Ihrer Mitglieder vertreten. Leider mußten wir feststellen, daß Sie dies nicht getan haben. Sie haben damit nicht nur unsere Erwartungen enttäuscht, sondern nach unserer Auffassung auch gegen Ihre eigene Satzung verstoßen. Paragraph 7.1 der Satzung des Hessischen Tischtennis-Verbandes regelt die Rechte der Vereine, die Mitglieder im HTTV sind. Danach haben die Vereine unter anderem das Recht 1) - die gemeinsamen Interessen durch den Verband vertreten zu lassen. 2) - durch stimmberechtigte Delegierte der Kreise an den Entscheidungen über alle grundsätzlichen und wichtigen Angelegenheiten auf dem Verbandstag mitzuwirken. Zu 1) Die Vereine haben auf den jeweiligen Kreistagen ganz klar Ihre Ablehnung der neuen Zählweise zum Ausdruck gebracht, zum Teil auch bereits vor der Bundeshauptversammlung. In vielfältiger Weise wurden Sie darauf hingewiesen, daß die große Mehrheit die neuen Regeln ablehnt. Mit welchem Recht handelten Sie dann gegen die Interessen Ihrer Mitglieder ? Zu 2) Die Delegierten der Kreise wurden in dieser Frage nicht zur Abstimmung gerufen, ja noch nicht einmal über die Sachlage informiert. Selbst Mitglieder des HTTV-Vorstandes sind einfach übergangen worden. Handelt es sich bei der Änderung nicht um eine grundsätzliche Angelegenheit ? Ist diese Angelegenheit keine wichtige Angelegenheit ? Was aber sollen Mitglieder eines Verbandes von der Verbandsspitze halten, wenn diese in eklatanter Weise und wissentlich gegen die eigene Satzung verstößt ? Wie sollen wir als Funktionsträger der untersten Ebene damit umgehen, daß eine Entscheidung von elementarer Bedeutung für unseren Sport völlig ohne unsere Einbeziehung und sogar ohne jede Information getroffen wurde ? Wie sollen wir uns gegenüber unserem Spitzenverband, dem DTTB, verhalten, wenn dessen Führung mit gezielten Unwahrheiten eine Entscheidung gegen den Willen der großen Mehrheit seiner Mitglieder herbeiführt ? Diese Fragen stellen sich sicherlich viele Sportkameraden und Sportkameradinnen in ganz Deutschland. Daß der HTTV nicht gewillt war, die Interessen seiner Mitglieder bei der BHV in Titisee zu vertreten wurde auch durch den dort vorgelegten Dringlichkeitsantrag deutlich. Dieser Antrag wird von uns als reines Alibi eingestuft, weil er weder dem Willen der Basis entsprach noch umsetzbar war, so daß seine Erfolgsaussichten von vornherein gegen Null gingen. Dieser Antrag war reine Augenwischerei und entbindet die HTTV-Vertreter nicht von Ihrer Mitverantwortung für das Zustandekommen des beschämenden Abstimmungsergebnisses, das in keinster Weise die Stimmung unter den Tischtennisspielern Deutschlands widergibt. Wir halten das Vorgehen der Führungsspitze von DTTB, HTTV und allen anderen Landes- und Regionalverbänden als Vertrauensbruch und ziehen in erster Konsequenz unsere Einzugsermächtigung zurück. Weitere Schritte werden wir uns stets in Absprache mit unserer Basis vorbehalten. Bitte leiten Sie die beigefügte Erklärung an die zuständigen Stellen weiter. Wir bitten Sie um eine Bestätigung dieser Mitteilung und um die Übermittlung der Namen der HTTV-Delegierten bei der Bundeshauptversammlung 2001. ------------------------------------------------------------------------------- |
Guter Brief :top:
Sagt alles das aus, was man begründet und ohne Beleidigungen in Worte fassen kann :top: :top: :top: :) |
@ Jaskula
:top: Mich würde aber noch interessieren , wie euer Verband darauf geantwortet hat. |
wenn er denn antwortet..;) :D :D
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Der Brief ist gestern erst losgeschickt worden, weil drei Vorstandsmitglieder erst noch unterschreiben mussten.
Antworten wird der HTTV wohl schon, allerdings nur in Form der Bestätigung des Eingangs. Vielleicht werden die Damen und Herren auch noch Ihr Bedauern ausdrücken, aber sonst wird sich wenig tun. Ihr könnt aber sicher sein, daß sich von unserer Seite noch etwas tun wird ! |
Auswirkung
Ich hab mal ne Frage: Was meint ihr damit, wenn ihr dem Verband die Einzugsermächtigung entzieht?
Im übrigen sollte man dieses Thema mal ins Hauptforum stecken, da dort auch viele Anitelfer sind, die 2.4 nicht so oft besuchen. Ich bin auch gegen Elfersätze, denn seit dieser Regeländerung läßt sich im Training folgendes feststellen: Das Tischtennisspiel ist unattrakativer!!! Wo wir früher im Training harte und lange Fights (wenn auch nur um eine Dose Cola) erlebten, bei denen tolle Topspinrallys, spektakuläre Ballwechsel aus der Ballonabwehr, tolle Aufholjagten und immer neue überraschende und risikoreiche Bälle an der Tagesordnung waren, erleben wir heute folgendes: - es gibt keine langen Fights mehr, die Sätze sind zu kurz, daß Spiel wird durch zu viele Seitenwechsel untebrochen! - es gibt beinahe keine Ballonabwehr mehr, bis 11 kann man sich nicht leisten einen Punkt so zu riskieren, an die Zuschauer oder den eigenen Spaß zu denken - Topspinrallys sind sehr selten, viele Spieler bauen mehr auf Schupfen, bis der gegner einen Fehler macht oder sich die Gelegnheit zum Schuß ergibt! - auch nehmen die Varianten des Spieles ab, oder wer versucht schon bei Elfersätzen einen langen, schnelle Aufschlag, eine überraschenden Schuß bzw. Konter, oder einen erst vor kurzem gelernten Ball! Nein, meiner Meinung nach ist Tischtennis so unattrakativ wie nie zuvor! |
Leider kennt Markus Maximilian Pohl nicht die bekannte und beliebte Fernsehserie " Kottan ermittelt" :D' @ Jaskula: Habe deinen Brief mal ausgedruckt und werde ihn bei unserer nächsten Vorstandssitzung zur Diskussion stellen ! Widerstand ist weiter nötig ! Heribert Pilch |
@Tansincos
Entzug der Einzugsermächtigung bedeuted zunächst mal nur, daß der Verband unsere Abgaben nicht selbst von unserem Konto einziehen darf. Insofern ist es eigentlich nur mal ein Zeichen. Allerdings sind wir nun frei in unserer Entscheidung, ob, wann und in welcher Höhe wir unsere Abgaben zahlen. Weitergehende Maßnahmen können wir allerdings nicht im Vorstand entscheiden, sondern müssen alle Mitglieder mit einbeziehen, sonst verhalten wir uns genauso wie DTTB und HTTV. Aber wie gesagt, es wird schon noch Maßnahmen geben. |
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