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PeterFalk 25.01.2007 13:44

Mord an Hrant Dink
 
Wie denkt ihr darüber? Kann man die Türkei jetzt wirklich vollwertiges EU-Mitglied werden lassen?

Jack Hahn 25.01.2007 14:03

AW: Mord an Hrant Dink
 
Zitat:

Zitat von PeterFalk (Beitrag 818261)
Wie denkt ihr darüber? Kann man die Türkei jetzt wirklich vollwertiges EU-Mitglied werden lassen?

in keinem fall, auch ohne dieses geschehen!

tischtennisguru 25.01.2007 15:08

AW: Mord an Hrant Dink
 
Never, wer die Menschenrechte so mit Füßen tritt wie die Türkei hat in der EU nichts verloren.

Jack Hahn 25.01.2007 15:28

AW: Mord an Hrant Dink
 
Zitat:

Zitat von tischtennisguru (Beitrag 818336)
Never, wer die Menschenrechte so mit Füßen tritt wie die Türkei hat in der EU nichts verloren.

das trifft es einfach, dieses land braucht noch min. 15 jahre (wenn die reichen)

DerRealist 25.01.2007 15:59

AW: Mord an Hrant Dink
 
Hat der Armenien Konflikt in der Türkei jetzt seinen Höhepunkt erreicht?
Würde ich fast schon so meinen.

sunshiner 25.01.2007 18:12

AW: Mord an Hrant Dink
 
Ich war davor auch schon gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU.

Carstens_Brüderchen 25.01.2007 19:40

AW: Mord an Hrant Dink
 
Ich denke, dass man auch hier - wie in vielen anderen politischen, rechtlichen oder Glaubensfragen - differenzieren muss.

Die Türkei ist in ihrer Gesamtheit und in ihrer Vertretung nach außen (Zypernkonflikt als Beispiel) definitiv noch nicht reif, ein Mitglied der EU zu werden, das als solches auch in puncto Achtung des Menschen, Andersdenkender oder Andersgläubiger nahtlos in diesen Rahmen passt. Wohl gemerkt: In ihrer Gesamtheit. Wenn man zu Grunde legt, dass man einen Querschnitt aller Bürger dieses Landes bildet.

Es gibt durchaus schon seit vielen Jahren eher westlich geprägte Strukturen innerhalb der Türkei - insbesondere Istanbul fällt dabei als Großstadt positiv auf. Hier gehen Frauen ohne Kopftuch und ohne Verschleierung über die Straße; nicht nur das - es ist sogar normal, dass Türkinnen dort geschminkt und im knappen Rock mit ebenso spärlichem Top das Pflaster betreten. Und das, ohne von ihren Landsleuten überhaupt schräg angesehen, geschweige denn gesteinigt zu werden.

Je weiter man in die Provinzen kommt, desto mehr kehrt sich dieses Bild in veraltete, knöchern fundamentalistische Lebensweisen. Das Nord-Südgefälle ist dort extrem - sowohl was die Lebensumstände als auch die Weltoffenheit anbelangt.

Das Resultat ist eine ziemlich gespaltene Gesellschaft im Inneren, auch wenn dies für uns Durchschnitts-Westeuropäer vielfach eher als rückständiger und islamisch dominierter Einheitsbrei anmuten mag. Doch das ist nicht richtig. Die Türkei macht derzeit einen weit größeren internen Kampf mit sich aus, als uns beim "Nebenhermalhinsehen" überhaupt klar werden kann. Daher auch die permanenten Spannungen, die durch Mordanschläge dokumentiert werden - meist aus fundamentalistischen Zellen heraus, die den gesellschaftlichen Fortschritt nicht wahrhaben wollen und diesen kategorisch unter eine radikal verstandene religiöse Interpretation des Seins stellen.

Dass demokratische Strukturen unter Einbindung gesellschaftspolitischer Einheit dort allerdings noch im Wachstum sind, kann man schwer leugnen. Vielleicht wird gerade deshalb die Mitgliedschaft in der EU so vehement angestrebt - nämlich um diesen Prozess, der Vielen unausweichlich und nur folgerichtig erscheint, voranzutreiben. Durch vollendete Tatsachen in Form einer Anbindung an ein überwiegend christlich geprägtes Staatengebilde mit klar definierten (ich weiß - auch da gibt es immer mal Diskussionsbedarf...) rechtlichen, politischen und sozialen Strukturen.

Ich rede nicht davon, dass die EU perfekt ist! Vielmehr spreche ich von einem Gerüst, das deutlich mehr Stabilität bietet als das eigene der Türkei. Insofern erachte ich den Wunsch der Türkei als höchst legitim.

Und was noch viel schwerer wiegt: Es ist eine Öffnung am Tor zum Orient, die gewaltiges Potenzial für die Völkerverständigung der nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte beinhaltet! Das wird meines Erachtens derzeit, trotz aller einhergehender Konflikte, die da lauern, viel zu untergeordnet berücksichtigt.

Das Für und Wider könnte ich jetzt noch über einige Dutzend Seiten weiter ausführen, aber das würde an dieser Stelle deutlich zu weit führen. Daher nur so viel: Es ist eine Chance für alle Beteiligten - eine Chance, die sicher nicht blind ergriffen werden sollte; ebensowenig sollte sie übereilt verworfen oder über Gebühr zurückgestellt werden, bis sie nur noch eine Anekdote der Geschichte darzustellen vermag.

Gruß

Olaf

tischtennisguru 27.01.2007 20:10

AW: Mord an Hrant Dink
 
Solange man es noch als besondere Leistung herausstellen muss, dass man in Istanbul als Metropole des fortschrittlichen Denkens als Frau ohne Kopftuch wandeln kann, ist die Zeit jedenfalls noch nicht reif für einen Beitritt.
Ein Anfang scheint gemacht, doch erst muss sich noch zeigen, in welche Richtung sich die innerpolitischen Strukturen auf Dauer entwickeln werden. Ein Beitritt in die EU kann da kein Allheilmittel sein, sondern sollte eben genau darauf beruhen, dass ein mehr oder weniger stabiles demokratisches System im beitrittswilligen Staat bereits besteht.:)

Jack Hahn 27.01.2007 21:08

AW: Mord an Hrant Dink
 
Zitat:

Zitat von tischtennisguru (Beitrag 819615)
Solange man es noch als besondere Leistung herausstellen muss, dass man in Istanbul als Metropole des fortschrittlichen Denkens als Frau ohne Kopftuch wandeln kann, ist die Zeit jedenfalls noch nicht reif für einen Beitritt.


:top: ohne worte

Carstens_Brüderchen 27.01.2007 23:40

AW: Mord an Hrant Dink
 
Zitat:

Zitat von tischtennisguru (Beitrag 819615)
Solange man es noch als besondere Leistung herausstellen muss, dass man in Istanbul als Metropole des fortschrittlichen Denkens als Frau ohne Kopftuch wandeln kann, ...

Ich denke nicht, dass die Türken das als besondere Leistung herausstellen. Ebenso habe ich gesagt, dass es DORT - in Istanbul - auch völlig normal ist, so wie meinetwegen in Mailand.

Deswegen muss Italien das auch nicht als Errungenschaft betonen. Dennoch gibt es auch dort ein Nord-Südgefälle. Was in Mailand oder Turin völlig in Ordnung ist, wird in Neapel oder in sizilianischen Gefilden ganz anders gesehen - und das bezieht sich nicht nur auf das Auftreten von Frauen in der Öffentlichkeit. Ähnliche Beispiele gibt es auch im EU-Mitgliedsstaat Griechenland.

Insofern kann ich Deine Argumentation nicht gelten lassen, zumal Du an einem Punkt ansetzt, der so überhaupt nicht von mir gesagt wurde.

Mein Ansatz richtete sich gegen hiesige landläufige Vermutungen, dass alle Türkinnen vermummt über türkische Straßen laufen, weil "das in Berlin-Kreuzberg auch so ist", um es mal greifbarer zu formulieren.

Es war nicht die Rede davon, dass sich dort jemand als besonders europäisiert betrachtet, sobald man in Istanbul im Kostüm und mit hohen Absätzen das Trottoir betritt. Wie gesagt - da war Dein argumentatorischer Ansatz leider verfehlt.

Allerdings ist es so, dass in den ländlichen Provinzen die Welt völlig anders aussieht. Und da würde Dein Ansatz dann auch eher greifen.

Genau das war aber der Kern meiner Betrachtung: Es gibt nahezu völlig europäisierte kulturelle Bereiche in der Türkei, die sich auch absolut selbstverständlich so sehen. Zugleich gibt es regelrecht mittelalterliche Strukturen in anderen Landesbereichen. Das birgt natürlich Konfliktpotenzial, nicht zuletzt weil der jeweilige Fokus unterschiedlich motiviert ist - einerseits weltoffener, kulturell liberaler, politisch gesprächsbereit; und auf der anderen Seite mit einem uralten religiösen Fundament, das eher stoisch gepflegt wird. Dies viel zu kategorisch als dass man anderen Ansichten überhaupt Gehör zu schenken bereit wäre.

Dass Religion und Politik hier erhebliche Widerparts bilden können, bleibt nicht aus und macht die gesellschaftlichen Spannungen zu einem großen Teil aus.

Aber mal ganz anders betrachtet: Möglicherweise ist auch die EU schlicht und einfach noch nicht reif, sich einer solchen Aufgabe zu stellen.

Daher belasse ich es jetzt mal dabei.

Gruß :)

Olaf


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