Einzelnen Beitrag anzeigen
  #1  
Alt 19.08.2002, 11:49
Cheftrainer Cheftrainer ist offline
registrierter Besucher
Foren-Urgestein - Master of discussion **
 
Registriert seit: 25.06.2000
Beiträge: 7.968
Cheftrainer ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
Zensur beim Plopp!!! Dieser Artikel wurde nicht veröffentlicht!

Hallo Leute!

Oliver Buckolt hat einen Leserbrief geschrieben, indem er die Rechtmäßigkeit eines Urteils der Revisionskammer anzweifelt. Dieser Brief scheint absolut sachlich zu sein.

Dennoch wurde der Brief aus mir unbekannten Gründen nie im Plopp veröffentlicht.

Bitte lest ihn Euch durch und macht Euch selbst ein Bild warum hier Zensur erfolgen musste!!!

Nur am Rande möchte ich darauf hinweisen, dass dieser Brief von Herrn Buckolt heute morgen an sämtliche ihm bekannten Emailadressen von Mitglieder hessischer TT-Vereine gesandt wurde, da eine Veröffentlichung über den Plopp ja abgelehnt worden war. Die Erstveröffentlichung fand also nicht bei TT-News statt!

Der Brief wurde von dem Mitglied des VRA Oliver Buckolt geschrieben und richtet sich an die ehrenamtlichen Richter der Revisionskammer, welche ein (für die Vereine des HTTV) sehr folgenschweres Urteil getroffen hatten.

Ein Urteil, das für jeden Verein künftig Konsequenzen haben könnte, da es in Kurzform besagt, dass auch Strafen ausgesprochen werden müssen, wenn kein Verschulden vorliegt

In der Deutschen Rechtsprechung gilt nämlich der Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld!!!". Oliver Buckolt kritisiert, dass dieser Grundsatz scheinbar nicht beim Sportrecht Gültigkeit hat

Ich möchte diese Aussage nun gar nicht werten. Aber ich möchte die Frage stellen, ob der Plopp nicht gerade solche sachlichen Leserbriefe veröffentlichen sollten, auch wenn hier ein Urteil einer HTTV Revisionskammer diskutiert wird.

...
------------------------------------------------------------------------------

Offener Brief an die ehrenamtlichen Richter der Revisionskammer


Liebe Sportkameradinnen und Sportkameraden,

mit dem nachfolgenden Brief wende ich mich an die ehrenamtlichen Richter der Revisions-kammer, die eine meiner Ansicht nach nicht hinnehmbare und für uns alle folgenschwere Entscheidung getroffen haben. Anlaß dazu gab eine Bestrafung wegen Nichtantretens der Schülerinnenmannschaft des TSC Neuses bei den Hessischen Mannschafts- und Pokal-meisterschaften im Mai 2001, obwohl drei der vier Spielerinnen erkrankt bzw. verletzt waren (ärztliche Atteste lagen für alle Spielerinnen vor). Vom Verbandsrechtsausschuß (VRA) wurde kein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) durch den Verein festgestellt und die Strafe aufgehoben. In letzter Instanz hat jedoch die Revisionskammer, die den VRA bezichtigte, juristisch nicht exakt gearbeitet zu haben, entschieden, daß eine Bestrafung aus dem Katalog der Ziffer 2.2.4 StO nur eine objektive Pflichtverletzung und kein Verschulden voraussetzt. Dies bedeutet, daß ein bloßes Nichtantreten - egal aus welchen Gründen - immer zu den in Ziffer 2.2.4 StO genannten Strafen führen muß. Es kann uns als Verein, Mannschaft oder Spieler also künftig passieren, daß wir ohne jegliches Verschulden vom Verband bestraft werden.
Ich halte das Urteil der Revisionskammer für eine gravierende Fehlentscheidung mit weitreichenden Konsequenzen und bitte herzlichst um Rückmeldungen per E-Mail an Oliver.Buckolt@recht.uni-giessen.de oder per Fax, falls Ihr/ Sie diese Entscheidung auch nicht für richtig haltet/ halten. Für Eure / Ihre Unterstützung danke ich Euch/ Ihnen!


Oliver Buckolt, Beisitzer Verbandsrechtsausschuß

------------------------------------------------------------------------------

Sehr geehrter Herr Kollege Binnewies,
sehr geehrte Frau Schubert, sehr geehrter Herr Pieschel,

Sie werden sich fragen, welche Veranlassung ich habe, Ihnen diesen Offenen Brief zu schreiben. Vor allem die Ereignisse, die im Zusammenhang mit dem Rechts- und Gnadenverfahren des TSC Neuses gegen den Verbandsjugendausschuß (Urteil des VRA 09/01; Urteile der Berufungskammer 01/01 I und II; Urteil der Revisionskammer vom 15.12.2001) aufgetreten sind, geben mir dazu einen zwingenden Anlaß. Nachdem die Urteile in diesem Verfahren nun rechtskräftig geworden sind und auch mehrere Gnadengesuche des Vereins bei der Präsidentin keinen Erfolg hatten, halte ich es für notwendig, einiges anzumerken. Ihre Entscheidung ist in wesentlichen Punkten nicht hinnehmbar, überaus abenteuerlich und sachlich nicht korrekt.

Nicht nachvollziehbar ist für mich die Passage im Urteil, daß sämtliche Fundstellen aus Rechtsprechung und Literatur in Ablichtung dem Urteil beigefügt werden müssen, damit das Urteil in sich für die Parteien des Verfahrens ohne Einschaltung eines Rechts-anwaltes verständlich, nachvollzieh- und überprüfbar ist. Zunächst können dies (bei zehnfacher Ausfertigung der Urteile und mehreren Fundstellen) durchaus einige hundert Seiten sein, die völlig unnötige Kosten für den Verband und damit auch für die Vereine verursachen. Zum anderen widerspricht diese Verfahrensweise der der Rechtsprechung in der Bundesrepublik Deutschland, so daß ich mich frage, wie Sie auf diese aben-teuerliche und indiskutable Idee gekommen sind. Alle Fundstellen sind frei zugänglich - vor allem auch und gerade für Sie, Herr Binnewies! Das Studium der Fundstellen wird den Rechtsunkundigen ohnehin nicht weiterführen. Mit Ihrer Formulierung im Urteil, die genau vom Gegenteil ausgeht, degradieren Sie den Berufsstand des Rechtsanwaltes zum bloßen Fundstellensucher. Eine solche Sichtweise halte ich für unerträglich, auch wenn Sie, Herr Binnewies, selbst offenbar als Staatsanwalt tätig sind.

Die Revisionskammer kritisiert die Arbeitsweise des VRA, indem sie ausführt, daß die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) von 1959 weder genau erörtert und zitiert wird noch sich der VRA mit dieser juristisch exakt auseinandersetzt. Diese Kritik ist meiner Auffassung nach nicht berechtigt. Der VRA geht auf die Rechtsprechung des BGH ein, stellt sie korrekt dar, folgt aber im Ergebnis - mit Begründung - der Interpre-tation der herrschenden Meinung in der Literatur und der der überwiegenden Zahl renommierter deutscher Rechtslehrer und Kommentare. Dabei hätte sich der VRA noch intensiver mit dem Passus „kleinere Strafen“ auseinandersetzen können.
Hingegen setzt sich die Revisionskammer zwar mit der BGH-Rechtsprechung auseinander, übersieht aber die bereits im VRA-Urteil erwähnte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von 1966 („keine Strafe ohne Schuld“) und des Oberlandesgerichts Frankfurt von 1986. Daß sich die Revisionskammer überhaupt nicht mit diesen beiden Entscheidungen auseinandersetzt, ist wahrlich keine lobenswerte Vorgehensweise. Meines Erachtens muß nach der Auseinandersetzung mit diesen Entscheidungen auffallen, daß der BGH zum heutigen Zeitpunkt seine Entscheidung aus dem Jahr 1959 so nicht mehr vertreten würde, mithin das Urteil der Revisionskammer keine Grundlage in der Rechtsprechung mehr hätte.

3. Ich habe zumindest Zweifel, daß die Entscheidung der Revisionskammer für alle Rechtsorgane des HTTV bindend ist. Aus dem Wortlaut der Ziffer 3.7.3 RO ergibt sich dies nicht.

In der Sache selbst führt die Revisionskammer aus, daß die Strafen nach Ziffer 2.2.4 StO Ordnungsstrafen seien und eine objektive Pflichtverletzung genüge, ein Verschulden also nicht erforderlich sei. Diese Auffassung ist meiner Meinung nach falsch, und zwar aus juristischer, menschlicher, sportpolitischer und ethisch-moralischer Sicht.
Die von der Revisionskammer vorgenommene Abqualifizierung der o. g. Strafen zu „reinen“ Ordnungsstrafen führt zu erheblichen systematischen Widersprüchen sowie Wertungswidersprüchen und kann daher juristisch nicht als richtig angesehen werden.
Zunächst ist nicht einsichtig, inwiefern die herausgearbeitete verschuldensun-abhängige Sicht mit Ziffer 3.1.5.6 JO vereinbar ist. Zur Feststellung des Verhinderungsfalles ist nämlich auch eine subjektive Komponente erforderlich.
Die Strafen im Katalog der Ziffer 2.2.4 StO können nicht als „kleinere Strafen“ angesehen werden. Stellen Geldstrafen in Höhe von 205 Euro und Punktabzüge (siehe Katalog der Ziffer 2.2.4 StO) für Tischtennisvereine wirklich „kleinere Strafen“ dar? Die Strafgewalt in Ziffer 2.1 StO reicht bei Geldstrafen nur bis 250 Euro. Damit wäre dieser Strafrahmen mit den sog. „reinen“ Ordnungsstrafen bzw. „kleinen Strafen“ ja schon fast völlig ausgeschöpft. Ein Vergleich mit den weiteren Geldstrafen in der Strafordnung kann die vorgenommene Abqualifizierung nicht rechtfertigen.
Ziffer 2.2.1.1 StO spricht von „Ordnungsstrafen“ bis zum Höchstbetrag von 50 Euro. Hingegen hat der Normgeber die Bezeichnung „Ordnungsstrafen“ in Ziffer 2.2.4 StO gerade nicht verwendet, sondern spricht in Abgrenzung zu dem vorher verwendeten Begriff „Ordnungsstrafen“ nun von „Strafen“ (ebenso in Ziffer 2.2.5 StO).
Fehlerhaft ist auch die Ausführung der Revisionskammer, es gebe bei der Verhängung von Strafen nach Ziffer 2.2.4 StO keinen Ermessensspielraum. Sie über-sieht dabei, daß sich die Rechtslage im Juli 2001 zwar geändert hat, für den vorliegenden Fall (05/2001) aber die alte Rechtslage anzuwenden war (12/2000). Demnach mußten die im Katalog der Ziffer 2.2.4 StO aufgeführten Strafen „als Mindeststrafen“ ausgesprochen werden, was mithin einen Ermessensspielraum eröffnete.
Die Revisionskammer verweist schließlich auf Ziffer 2.2.2 StO, der die Strafen nach Ziffer 2.2.4 StO als Ordnungsstrafen bezeichne. Auch dieser Verweis geht fehl. Ausdrücklich werden darin nämlich nur die Strafen nach Ziffer 2.2.4.6 und 2.2.4.7 StO als Ordnungsstrafen bezeichnet, welche sich nach der in der Tabelle aufgeführten Strafhöhen auch im Rahmen des in Ziffer 2.2.1.1 StO ausgewiesenen Höchstbetrages von 50 Euro halten.
Schließlich wird den Vereinen ein „Strafbescheid“ zugestellt. Wer will da noch ernsthaft von sog. „reinen Ordnungsstrafen“ sprechen?

In menschlicher Hinsicht ist Ihre Entscheidung meiner Auffassung nach nicht vertretbar und steht in einem unerträglichen Widerspruch zum Gerechtigkeitsgefühl aller billig und gerecht denkenden Menschen. In zahlreichen Gesprächen habe ich Vereine und auch Funktionäre auf die Rechtsprechung der Revisionskammer hingewiesen und habe dabei ausnahmslos Unverständnis für die Entscheidung erfahren müssen. Welcher Verein, welche Mannschaft und welcher Spieler hat Verständnis dafür, daß gegen ihn ohne jegliches Verschulden Strafen verhängt werden müssen? Ist dies mit dem sportlichen Gedanken vereinbar?

Die Revisionskammer hat die sportpolitischen Auswirkungen des Urteils offenbar nicht hinreichend bedacht. Da zukünftig jedes bloße Nichtantreten zur zwangsläufigen Ordnungsstrafe führt, gibt es nun für die Vereine, Mannschaften und Spieler keinen Grund mehr zur vorherigen Absage. Die Kosten für die Absage kann man sich nun sparen. Verbandsfunktionäre, die in Fällen von unverschuldetem Fehlen von Mann-schaften (z. B. Unfall, Glatteis, Krankheit) diese nicht bestraft haben, handeln nun rechts-widrig und müssen in Zukunft bestrafen. Ich bin gespannt, welche Auswirkungen dies auf die Starterfelder bei Mannschaftsturnieren und die damit verbundenen Enttäuschungen der Organisatoren und Gegner haben wird. Nach der Auffassung der Revisionskammer stellt ja ein Nichtantreten keinen Verstoß gegen die „Gruppenethik“ dar. Ob dies die Gegner und Veranstalter bzw. Ausrichter wohl auch so sehen?

Die Entscheidung im zu behandelnden Fall kann ich ferner ethisch-moralisch nicht vertreten. Im vorliegenden Fall ist eine Strafe - gleichwohl ob Ordnungsstrafe oder nicht - vollkommen unangebracht, und es ist für mich nicht ersichtlich, welchem (Straf-)Zweck sie dienen soll. Wenn man bedenkt, daß eine Mannschaft, die auf dem Weg zu einer Veranstaltung verunglückt und deshalb nicht teilnehmen kann, nach Ihrer Entscheidung mit einer Ordnungsstrafe bedacht werden muß, dann fehlt mir hierfür sowohl jegliches Verständnis als auch eine moralische Vertretbarkeit.
Die Revisionskammer übersieht weiterhin, daß nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 47, 172, 178; 55, 381, 385) die Straftatbestände und die angedrohten Strafen bzw. Ordnungsmaßnahmen vor der Tat in der Satzung festgelegt gewesen sein müssen (nullum crimen et nulla poena sine lege). Das gilt nach der Rechtsprechung auch für die Nebenfolgen wie die Veröffentlichung des Urteilsspruchs und die Pflicht zur Tragung der Verfahrenskosten. Lediglich für die Verfahrensregeln wird eine Ausnahme dahin gemacht, daß sie in Ordnungen niedergelegt sein dürfen, die nicht von der Mitglieder-versammlung beschlossen sein müssen, deren Urheber aber eine satzungsmäßige Legitimation vorweisen kann. In solchen, im Rang unter der Satzung stehenden Ordnungen dürfen Strafvorschriften lediglich konkretisiert, nicht aber erstmals aufgeführt, erweitert oder zusätzliche Rechtsnachteile vorgesehen werden (BGHZ 47, 172, 178). Da die Satzung des HTTV diesen Anforderungen zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht gerecht war (nach Hinweisen des Verfassers wurde die Satzung im Mai 2002 in diesem Punkt geändert; siehe Plopp 10/02, Seite 4), war diese Strafe rechtswidrig und wäre vor ordentlichen Gerichten aufgehoben worden.

Ich habe Verständnis dafür, daß die Verantwortlichen des TSC Neuses nach über einem Jahr mit unermüdlichem Kampf und unter Opferung Ihrer wertvollen Freizeit sich nun wieder mehr der Vereinsarbeit zuwenden und nicht weiter gegen die Strafen vorgehen wollen, da ohnehin schon erhebliche Kosten für den Verein angefallen sind.

Ich gehe davon aus, daß Ihr Urteil bei vielen tausend Mitgliedern des HTTV auf Unverständnis und Empörung stoßen wird. Daher hoffe ich, den Anstoß zu einem zukünf-tigen Umdenken gegeben zu haben, damit eine solche Ungerechtigkeit nicht anderen Vereinen im HTTV widerfährt.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Sportkamerad
Oliver Buckolt

Geändert von Cheftrainer (19.08.2002 um 11:53 Uhr)
Mit Zitat antworten