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Unerwünschter Besuch von alten Damen
so lautet heute die Schlagzeile in der © Berliner Morgenpost
"Vor der Tischtennis-EM herrscht bei den jungen Spielerinnen Aufregung, weil Jie Schöpp und Olga Nemes zurückkehren wollen
Von Dietmar Wenck
Heute startet die deutsche Tischtennis-Nationalmannschaft ihre Reise zur Europameisterschaft nach Courmayeur in Norditalien. Die Herren um den Weltranglistenersten Timo Boll haben das Ziel, zum ersten Mal den Mannschafts-Titel zu gewinnen. Auch im Einzel ist der Titelverteidiger aus Gönnern der große Favorit. Die Damen, im vergangenen Jahr erst im Finale gescheitert, wollen erneut ins Endspiel einziehen. Sie haben aber noch etwas anderes, sagt Bundestrainer Richard Prause: "Wir haben ein Problem."
Bei den Damen herrscht helle Aufregung, seit die 34-jährigen Jie Schöpp und Olga Nemes ihre Rückkehr in die Nationalmannschaft angekündigt haben. In Courmayeur sind sie noch nicht dabei, aber die folgenden Großereignisse locken umso mehr: WM vom 19. bis 25. Mai in Paris und die Olympischen Spiele 2004 in Athen.
Die ursprüngliche Planung hatte anders ausgesehen. "Ich bin 2000 angetreten mit dem Ziel, eine junge Mannschaft zu formen", sagt Prause. Nemes war im selben Jahr aus dem Nationalteam zurückgetreten, Schöpp folgte ein Jahr darauf. Neben den Stammkräften Nicole Struse (31 Jahre) und Elke Wosik (29) zählten von nun an Tanja Hain-Hofmann (23), Laura Stumper (18) und Jessica Göbel (21) zum Team der Zukunft. Letztere spricht aus, was die Jungen über die Rückkehr der Älteren denken: "Ich glaube, es ist nicht verboten, wenn wir davon nichts halten." Und außerdem: "Sie wollten mit Nationalmannschafts-Lehrgängen nichts mehr zu tun haben. Aber jetzt interessieren sie sich für die WM."
Auch die Verantwortlichen im Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) sähen die Comebacks nicht ungern. Das ist nachvollziehbar. Jie Schöpp bewies Anfang Februar mit dem Sieg beim "Europe Top 12" in Saarbrücken ihre Klasse. Nemes kam dort bis ins Viertelfinale und gewann vor gut drei Wochen bei den deutschen Meisterschaften in Bielefeld den Einzeltitel - unter anderem nach Siegen über Stumper (Viertelfinale) und Göbel (Halbfinale).
Der Nachwuchs dagegen hat wenig Erwähnenswertes vorzuweisen. Hain-Hofmann kam bei der EM vergangenen Jahres in Zagreb ins Achtel- und kürzlich beim Pro-Tour-Turnier in Katar ins Viertelfinale. Auch Göbel kam in Kroatien in die Runde der besten 16. Gestartet sind sie und die anderen bei vielen weiteren Turnieren, doch ohne großen Erfolg. "Es könnte sein", sagte Chefbundestrainer Dirk Schimmelpfennig im Fachmagazin "dts", "dass wir mit Nemes und Schöpp in Paris planen."
Es gibt einen weiteren Grund. Die beiden Ex-Europameisterinnen traten zwar nicht mehr für die Nationalmannschaft an, beteiligten sich aber nach wie vor an größeren Turnieren. Und zwar mit einigem Erfolg, was ihnen in der aktuellen Weltrangliste die Positionen 26 (Schöpp) und 33 (Nemes) einbrachte. Für die Olympischen Spiele qualifizieren sich 20 Spielerinnen direkt aufgrund dieses Rankings, wobei nur zwei pro Land startberechtigt sind. Nach Abzug etlicher Chinesinnen wären nach derzeitigem Stand Schöpp und Nemes dabei. Verzichten sie, rückt allerdings nicht automatisch eine andere Deutsche nach - die Plätze würden verfallen.
Es bliebe der Weg über die Europa-Qualifikation, die im nächsten Jahr in Deutschland stattfinden soll. Nur die besten acht von 64 Teilnehmerinnen dürfen nach Athen. Wobei das Nationale Olympische Komitee das letzte Wort hat: Es fordert für die Nominierung eine Endkampfchance - das mögliche Erreichen des Viertelfinales.
Bei so viel Wenn und Aber kann man schon den Mut verlieren. Zumal Prause zugibt: "De facto sind die Jungen noch nicht so weit." Er setzt große Hoffnungen auf die Europameisterschaft: "Sie müssen mit Leistung überzeugen, an den älteren Spielerinnen vorbeiziehen, sonst werden wir immer weiter diskutieren müssen." Der Damen-Bundestrainer verweist auf das Beispiel Timo Boll: Der hatte 1999 das gleiche Problem, schlug aber bei der EM in Eindhoven den damaligen Weltranglistenersten Jan-Ove Waldner aus Schweden. Und wurde prompt anstelle des in der Weltrangliste vor ihm platzierten Steffen Fetzner für die Olympia-Qualifikation nominiert. Eine Investition in die Zukunft, die sich ausgezahlt hat. Hain-Hofmann nimmt es mit Galgenhumor: "Am besten ist es wohl, ich werde jetzt Europameisterin."
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