|
Bundesliga-Zugehörigkeit ist oft nicht mehr erstrebenswert
Furcht vor dem Aufstieg -
Die Folgen der Arbeitsaufenthaltsverordnung für den Sport
Nürnberger Nachrichten vom 14.04.2003
NÜRNBERG — Bundesliga-Etats sind in vielen Sportarten nur noch von einigen privilegierten Klubs aufzubringen, seit die Arbeitsaufenthaltsverordnung (AAV) Anfang Februar letzten Jahres restriktiver gefasst wurde. Die Konferenz der Innenminister legte in Abstimmung mit dem Deutschen Sportbund fest, dass Trainer und Profis aus Nicht-EU-Ländern und aus den „privilegierten Staaten“ nur dann eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen, wenn sie als Angestellte eines Erstligaklubs mindestens 2250 Euro im Monat verdienen. Eine Ausnahme gibt es nur im Fußball. Auch in der 2. Bundesliga sind Nicht-EU-Ausländer willkommen.
Vor allem für Sportarten wie Handball, Basketball, Tischtennis und Volleyball bringt diese Anordnung oft unlösbare Probleme mit sich. Lydia David, lange Jahre Leiterin der Röthenbacher TT-Abteilung: „Mit den Sozialabgaben müssen wir für unsere chinesische Nummer eins monatlich über 3000 Euro berappen. In der Bundesliga aber brauchen wir eine solche Spielerin.“
Gerade die TT-Klubs stehen vielfach vor Problemen. Schon im letzten Jahr stieg nur Röthenbach ins Damen-Oberhaus auf, das deshalb die Saison mit lediglich neun statt zehn Teams bestritt. Aus der 2. Liga Nord wollte keine Mannschaft nach oben rücken. Obwohl nach dem Röthenbacher Rückzug keine Mannschaft absteigt, sind in der kommenden Saison höchstens neun Vereine erstklassig. Der Norden stellt erneut keinen Aufsteiger, im Süden hat nur der Tabellenzweite Homberg Interesse. Zweitliga-Spitzenreiter Kleinwalsertal und Otterswang mit Ex-Nationalspielerin Nicole Delle scheiden aus.
Bei den Männern will nur Südmeister Würzburg die Gelegenheit wahrnehmen, künftig Bundesligist zu sein. Die im Norden tonangebenden Teams von Hertha BSC und Werder Bremen bleiben zweitklassig.
In nicht wenigen Sportarten hatten bayerische Spitzenklubs schon in der Vergangenheit große Mühe, sich finanziell über Wasser zu halten, konnten schließlich das Aus oder den Rutsch in niedrigere Gefilde nicht vermeiden: Im Volleyball ASV Dachau und die Lohhofer Damen, im Handball Milbertshofen, Schwabing, Günzburg, Tuspo Nürnberg sowie die Frauen des 1. FC Nürnberg, die sich vor ihrer „Wiedergeburt“ in der Landesliga wiederfanden. Und das war schon vor der Neufassung der AAV der Fall.
Die Liste namhafter Mannschaften aus der Region, die des fehlenden Geldes wegen im Niemandsland verschwanden, ist lang, aber keineswegs vollständig: Im Handball 46 Nürnberg, 77 Lauf, TSV Pyrbaum, im Tischtennis Jahn 63 und 48 Erlangen, im Kegeln Gut Holz Nürnberg, im Squash Altdorf und die Neumarkter Damen, im Badminton der ehemalige Bundesligist Siemens Erlangen und der SV Siemens Nürnberg, im Tennis der TV 60 Fürth und die Damen des 1. FC Nürnberg, im Football die Ansbach Grizzlies.
Zuletzt löste sich im Profi-Radsport das Team Nürnberger auf, das LAC Quelle Fürth musste wegen der gekürzten Zuschüsse seines Titelsponsors zahlreiche namhafte Leichtathleten ziehen lassen.
Die wirtschaftlichen Probleme in der Region lassen die Zahl der Sponsoren immer mehr schrumpfen. Erstklassiger Sport wird nur noch von den Fußballern des 1. FC Nürnberg (wie lange noch?), von den Eistigern, den Club-Handballfrauen, den Johannis-Ringern, den Schwimmerinnen der SSG 81 Erlangen und Radfahrerinnen der Equipe Nürnberger sowie dem Billardteam des ATSV Erlangen geboten. Eibacher Keglern und Forchheimer Schachspielern fehlte nach dem Aufstieg in die Bundesliga das Geld, um ihre Teams verstärken zu können. Der sofortige Abstieg war die Folge. Selbst Handball-Zweitligist HC Erlangen pfeift aus dem letzten Loch.
Spitzensport auf höchster Ebene ist nicht in jedem Falle erstrebenswert. Doch seine Ausstrahlung in die Breite und auf die Jugend ist nicht zu unterschätzen. Gerade deshalb tut der Rückzug der Röthenbacher TT-Damen weh. Die mitreißenden Partien von Weltklassespielerinnen wird man vermissen. KLAUS WESTERMAYER
|