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Alt 01.03.2004, 12:26
Taugenichts Taugenichts ist offline
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Re: Mentaler Erfolgsfaktor "Konzentration"

@martinspin
Grossartig, dass Du eine musische Ausbildung bewältigt hast! Ich bin nie weiter gekommen als bis zur Jugendmusikschule, habe allerdings damals auch nicht recht begriffen, was ein Instrument auch ohne professionelle Absichten persönlich bedeuten kann.
Das Klavierbeispiel zeigt aber auch, dass man natürlich nicht alle Aspekte einer Tätigkeit bildhaft auf eine andere übertragen kann, jedes Modell hinkt irgendwo. Beim TT endet der Vergleich dort, wo der Wettkampf, respektive vor allem der Gegner ins Rennen kommt (habe ausser bei Komödianten noch nie davon gehört, dass beim Klavierkonzert jemand im Kasten sitzt und den Pianisten mit Störaktionen ärgert...). Du schreibst, dass die perfekte Schlagausführung eventuell plötzlich nicht mehr gelingt im Match, und man dann zu taktischen Mitteln zurückgreifen muss. Ich sehe das quasi genau von der anderen Seite her, charakteristisch für TT ist ja, dass es ein Rückschlagspiel und keine Zielsportart wie Speerwerfen oder Kunstturnen ist. D.h. es steht einem jemand gegenüber, der die eigene perfekte Schlagausführung unter allen Umständen verhindern will. So gesehen, könnte man auch das Schachmodell als Vorbild sehen, d.h. es steht ein intelligenter Mensch gegenüber, der auch gewinnen will. Häufig scheitert dementsprechend die saubere Technik gerade an der Taktik und am Können des Gegners. Wenn ich beim Servicereturn nicht immer denselben Noppenschupfball spiele, sondern auch mal einen sogenannten Druckschupfball oder sogar einen Noppenheber einstreue, liegt die höhere Fehlerquote des Gegners bei der Eröfnung ja auch ein Stück weit an diesen taktischen, variierten Bällen (das gleiche gilt für US-Verteidigung: Hacker versus "Fakes"). Wenn ich einen perfekten Topspin unklug platziere, werde ich ausgeblockt, wenn ich den Ball taktisch gut platziere, mache ich den Punkt oder kann ohne gross dem Ball hinterherrennen zu müssen einfach weiterspielen, etc. Ich muss mich beim TT also dauernd mit dem vielleicht recht cleveren Spiel des Gegners beschäftigen und auch ein bischen Schach mit Ihm spielen (ich denke, Samsonov hat gegen Kreanga auch die falsche Strategie gewählt an besagtem Tag, und als es klar war, konnte er nicht mehr erfolgreich genug umstellen). Ich sehe taktisches Spiel in jeder Situation also als Notwendigkeit und Stärke, keinesfalls als Notlösung wenn's nicht klappt.

Was Du zur Spaltung zwischen Training und Matchsituation sagst, ist tatsächlich fatal, da bin ich völlig einverstanden. Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass man eben irgendwie vom Spiel ausgehen sollte. Wenn die Grundschläge in der Grobform einigermassen sitzen (o.k., einverstanden, der Topspin sitzt ja nicht mal bei den Profis wirklich gut, aber irgendwo muss man mal einen Punkt machen...) und sich beim Spieler Präferenzen für eine Spielweise zeigen, kann man von einem Spielsystem ausgehen und mal schauen, was denn dabei so für typische Matchsituationen auftreten. Diese können dann schwerpunktmässig integral technisch und taktisch trainiert werden (z.B. ist bei mir der Gegentopspin aus der Halbdistanz sicher viel wichtiger als bei den meisten anderen Spielern meiner Spielstärke, was sowohl technisch als auch taktisch im Training direkt Beachtung finden muss). Damit ergibt sich automatisch ein sehr spielnahes Training mit regelmässigen, halbregelmässigen und unregelmässigen Uebungen, ohne Spaltung von Taktik und Technik. Ueberhaupt wird bei uns teils zuviel Gewicht auf den einzelnen Schlag gelegt und z.B. zuwenig auf die Wechselsituationen (VH-RH, RH-VH, Service-Eröffnung-TS auf Block, Langsam-Schnell, viel Spin-wenig Spin...). Du kennst doch sicher auch die Einspiel-Konterkönige, die dann im Match kaum zwei Bälle hintereinander kontern können wegen der dauernden Wechselsituationen.

Wahrscheinlich lässt es sich nicht vermeiden, dass immer wieder dieselben Themen in verschiedenen Stadien des Könnens wiederkehren. Das kann natürlich daran liegen, dass man sie nie richtig bewältigt hat, es kann aber auch sein, dass dieselbe Problematik auf höherem Level etwas anders in Erscheinung tritt. Ich denke, dass mein RH-Abwehrball recht sicher ist, aber wenn ich mit deutlich stärkeren Spielern trainiere, stimmt plötzlich einiges an der Schlagausführung wieder nicht mehr, die Beinarbeit ist lausig, kein Abdrehen der Schultern, kein richtiges Reinhacken, etc... Das liegt aber zuerst mal daran, dass die Kerle einfach viel schneller spielen als die Gegner in einem D-Turnier, meine Antizipation ist zu langsam, etc.. Irgendwann gewöhne ich mich an diese Anforderungen und mein Schlag wird in allen Aspekten besser (vorausgesetzt meine Rohform von vorhin hat gestimmt...).

Man kann also das TT-Pferd von der technischen oder der spielerisch-taktischen Seite her aufzäumen. Wahrscheinlich sind unsere Vorstellungen gar nicht so unglaublich verschieden, wir kommen aber irgendwie von zwei verschiedenen Seiten an die Sache ran.

Grüsse
Taugenichts
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