AW: Seamaster 2018 ITTF World Tour, German Open (20.03. - 25.03.2018 Bremen, GER)
Gestern Nacht von den German-Open zurück gekommen. War fast das gesamte Turnier vor Ort.
Zur Orga/Rahmenbedingungen etc.:
Für mich war und ist Bremen und die ÖVB-Arena nach wie vor das Maß aller Dinge in Sachen Pro-Tour in Deutschland. Zentrale Lage mit guter Anbindung in alle Himmelsrichtungen. Schöne Hallen, nicht zu gedrängt in den Gängen.
Klar gab es auch Minuspunkte. Die bleiben bei einer Veranstaltung in solch einer Dimension nun mal nicht aus. Was mich gestört hat, waren die viel zu geringen Kapazitäten in der Nebenhalle. Wenn man schon die Haupthalle für das Training der Profis „reserviert“, damit sich diese an die Bedingungen gewöhnen können, sollte man im Umkehrschluss dem Bedürfnis der Zuschauer nach ausreichend Sitzplätzen auch Rechnung tragen und diesem nachkommen.
Speziell an den Seiten hätte man statt Kameras durchaus noch ein paar Stuhlreihen aufbauen können. So machte es auf mich ein wenig den Eindruck, Hauptsache die Spiele sind gut im Internet präsentiert, der zahlende und anwesende Besucher ist erstmal zweitrangig.
Zweiter Minuspunkt war die Sache mit dem Gepäck. Keine Taschen größer als Din-A4 durften mit in die Halle. Das traf z.B. alle Rucksackträger, die so auf Aufbewahrung angewiesen waren. Gleich neben der Halle, hatte man für diesen Zweck einen Container aufgebaut, wo man gegen eine Gebühr i.H.v. 2,00€ seine Tasche abgeben konnte. Soviel zur Theorie. Der Container beherbergte im Inneren vielleicht 2x3 Regale an den Seiten und war im Nu voll. Größere Taschen oder kleine Koffer durfte man erst gar nicht dort abgeben. Hier hat man m.M.n. nicht zu Ende gedacht.
Wenn ich die Mitnahme von Gepäckstücken auf der einen Seite stark reglementiere, sollte ich auf der anderen Seite wenigstens für eine unkomplizierte und möglichst restriktionsfreie Deponierung sorgen.
Ab mittags fanden so alle „Langschläfer“ an den Turniertagen bereits das rote „wir sind voll, keine Abgabe von Gepäck mehr möglich“ Schild am Container vor. Das hat nicht wenig Leute verärgert.
Das waren aber bereits auch schon die - aus meiner Sicht - erwähnenswerten Mankos.
Ansonsten wurde in Bremen wieder vieles richtig gemacht. Sehr gute Präsentation, Essen und Trinken war ok der Ablauf war reibungslos, störungsfrei und pünktlich. Die Schiris sind mir auch sehr positiv aufgefallen. Egal ob Qualifikant oder Top 10 Akteur - nicht selten wurde mittels entsprechender „Korrekturen“ für präsentes Regelbewusstsein gesorgt.
Bei der Auswahl der Bälle hat man entweder den absoluten Glücksgriff gelandet und die Charge des Jahres erwischt, oder der Hersteller ist die neue Referenz in Sachen Qualität und Haltbarkeit. Ich habe nicht einen Balltausch beobachten können. Premiere bei so einem Turnier. Es gab sicher welche, aber das ich nicht einen einzigen davon mitbekomme, dass gab es noch nie. Stark.
Zum Sport:
Grandiose Spiele egal an welchem Tag. Sicher ist meine Perspektive/Distanz zum Gesehenen - als aktiver Kellerligaspieler - größer als die von anderen, aber wirklich gelangweilt hat sich sicher kaum jemand.
Ich habe einen unglaublichen Dyas gesehen, der sich gegen Fang Bo in einen wahren Rausch gespielt hat. Zufällig saß ich inmitten einer Gruppe Polen, die ihr Glück kaum fassen konnten. Gegen Ende hörten sich die 5 wie 100 an - war ganz schön laut. Live is live und allemal besser als die übliche Bibliothekenstille einer leeren Halle.
In der Zwischenrunde der Damen war ich vom Tempo von Huang Yingqi überrascht. Unglaubliche Beinarbeit und Reaktion. Auf der anderen Seite Li Fen aus Schweden mit starker Übersicht und Routine. Eine, die weiß wo es weh tut, auch wenn sie am Ende das Tempo nicht mehr ganz mit gehen konnte. Tolles Spiel, beide hätten den Sieg verdient gehabt.
Auch Bastian Stegers tragischer Kampf um den Einzug in die Hauptrunde war fesselnd. Mit dem Rücken zur Wand und im Angesicht der Niederlage, packte er sein bestes Tischtennis aus und wehrte sich nach Kräften. Nachdem er dann selbst zwei eigene Matchbälle vergab, sollte es leider einfach nicht sein. Er unterlag Ho Kwan Kit am Ende hauchdünn.
Genau wie Apolonia am Nebentisch gegen Liao Cheng-Ting. Richtig richtig knappes Ding mit super Ballwechseln von beiden.
Spektakulär war es oft auch beim Spiel Gerassimenko gegen Lubomir Pistej. Sehr unorthodoxe Schläge aus der Defensive vom jungen Kasachen, der einfach Mal mit komplett geöffnetem Schläger einen Topspin des Gegners abschoss. Und das aus 2-3 Metern Entfernung. Unterhaltsam, nicht nur akustisch.
Ganz starkes Turnier natürlich von Franziska. Wirkte ein gutes Stück spritziger als sonst, auch wenn da sicherlich noch mehr geht. Die Rückhand ist allerdings wirklich schon ein Wort. Wie ansatzlos er die über dem Tisch (teilweise) parallel durchgeblitzt hat, war schon beindruckend. Selbst für Xu Xin war das des Öfteren einfach zu fix. Gibt’s nicht oft – was den überrascht, überrascht vermutlich auch 90% vom Rest der Tischtenniswelt. Meine These.
Die Taktik des ersten großen Winkels von Xu Xin, um Franziska vom Tisch zu kriegen und in die Ballwechsel zu zwingen, war jedenfalls genau richtig gewählt. Xu Xin wusste einfach, dass er aus der Distanz heraus der bessere Mann ist und mit seiner überlegenen Beinarbeit hier die Hoheit hat.
Im Finale dann jedoch, war Ma Long einfach zu komplett, kompromisslos und sicher. Fast egal was Xu probiert hat, Ma Long wusste es meistens schon vor ihm und hat übernommen. Der Beste Mann im Feld hat zum Ende auch verdient gewonnen. Keine Frage.
Am nächsten dran war für mich noch Timo Boll, der ab Satz drei eine überragende Variation an Platzierungen auf Ma Longs Tischhälfte gezeigt hat und ihn immer wieder überraschen konnte. Die diagonale RH aus Tischmitte, in diversen Hochgeschwindigkeitsduellen, war eine absolute Waffe. Leider war die Aufschlagannahme nicht so sicher wie man sie sonst von Boll gewohnt ist. Hier wurde es Ma Long 2-3 Mal im Satz einfach zu leicht gemacht. Auf diesem Niveau versteht sich.
Mit hat es jedenfalls sehr gut gefallen. Gelungenes Event mit vielen Tischtennis Leckerbissen und guter Atmosphäre, nicht zuletzt dank vieler Zuschauer.
Von mir aus könnten die German-Open Bremen als festen Austragungsort bekommen.
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That rug really tied the room together!
Geändert von Pit Brett (26.03.2018 um 20:46 Uhr)
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