Thema: Hartz IV
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Alt 11.08.2004, 14:24
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Hartz IV

Hallo, Leute,

anbei zur Kenntnis eine doch recht unverdächtige Quelle
betr. HARTZ IV - keine Stimmungsmache, keine Vedrehungen,
keine Hinweise darauf, dass Menschen falsch informiert wurden usw. usf.
Man lese einfach die FTD -


Mit freundlichen Grüßen


Christian

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Kolumne: Protest kommt für Schröder zu spät
Aus der FTD vom 11.8.2004
Auch tolle PR-Tricks werden die von Hartz-IV Benachteiligten nicht
von angeblichen Vorteilen überzeugen.

Da kommt Spannung auf. Wolfgang Clement und Gerhard Schröder wollen
die Vorzüge und Annehmlichkeiten von Hartz IV werbend noch besser
erklären als bislang. Wie werden sie den bisherigen Beziehern von
Arbeitslosenhilfe erklären, dass es für sie und ihre Kinder von Vorteil ist,
wenn sie ab nächstes Jahr weniger Stütze bekommen?

Der Superminister hatte schon, als er Chef in Nordrhein-Westfalen
war, ein Händchen für Werbliches. So wird ihm auch diesmal etwas
einfallen. Unvergessen ist die Plakat- und Anzeigenaktion "Teamarbeit für
Deutschland". Da riefen seiden und halbseiden gewandete Personen lächelnd zun einer gemeinsamen Anstrengung zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit in Deutschland auf.

Vielleicht ist der Kampagne seit letztem Herbst das Geld knapper geworden.
Jedenfalls wirbt sie viel verhaltener als ehedem. Vielleicht auch findet
Herr Clement, das Problem Arbeitslosigkeit sei nicht mehr so dringend.

Volkswirtschaftlich werden weder Clement noch Schröder argumentieren.
Sie werden, ehrlich wie sie gelegentlich sein können, nicht behaupten,
die Einschnitte in den sozialen Sicherungsleistungen für Millionen von
Bürgern schüfen mehr Arbeitsplätze. Sie werden den von der Reform Beglückten nur eröffnen, sie müssten jetzt eifriger nach Arbeit suchen, denn ihre finanzielle Lage werde schließlich weniger leicht erträglich und müsse umso
dringlicher geändert werden. Zuletzt aber werden Schröder und Clement dem
zustimmen, was Georg-Paul Hefty in der FAZ klar so ausgedrückt hat: "Es gibt
keine Anhaltspunkte dafür, daß die Hartz-IV-Reform die Zahl der Arbeitslosen senken wird."

Zwei Gründe für Hartz IV

Die Gründe für Hartz IV sind schließlich auch ganz andere. Der eine
ist die erhoffte Entlastung der Staatsfinanzen. Der andere ist der
gewünschte Effekt der Lohnsenkung. Die Staatsfinanzen werden entlastet, weil die bisherigen Empfänger von Arbeitslosenhilfe künftig nur noch Sozialhilfe
erhalten. Das ist erheblich weniger Geld. Es kann eingespart oder an anderer
Stelle ausgegeben werden.

Der Effekt der Lohnkürzung stellt sich ein, weil künftig jede Arbeit
für jeden zumutbar ist. Wenn Arbeitslose schlecht bezahlte Arbeit nicht
mehr ablehnen können, weil ihnen sonst sogar die Sozialhilfe gestrichen
wird, entfällt jede Veranlassung für die Unternehmen, einigermaßen
auskömmliche Löhne anzubieten. Der Lohndruck macht dabei nicht bei einfachen Beschäftigungsverhältnissen Halt. Er setzt sich überall durch. Die von Regierung und Arbeitgebern bei Löhnen und Gehältern gewünschte "Flexibilität" - nach unten - wird durch Hartz IV auf allen Ebenen des Arbeitsmarktes gefördert.

Diese Sachverhalte in Magdeburg, Leipzig, vielleicht auch Gelsenkirchen oder Hannover jeden Montag den Demonstranten werbend zu erläutern wird Clement und Schröder keinen großen Spaß machen. Tatsächlich stellt
sich Hartz IV als unsozialster Bestandteil der unsozialen Agenda 2010 und
als klassische Konfliktlinie zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern,
zwischen Arm und Reich und politisch zwischen Links und Rechts heraus. Auch
mit den tollsten PR-Tricks wird es da schwer sein, die von der Reform
Benachteiligten von ihrer wohltuenden Wirkung zu überzeugen und den
Interessengegensatz zu verschleiern.

Fest an die rechte Seite gestellt
Zu sehr hat sich unter Kanzler Schröder die SPD auf die rechte Seite
gestellt. Während seiner ersten Regierungsperiode vermittelte Kanzler Schröder selbst nach Oskar Lafontaines Abgang noch den Eindruck, es sei das primäre innenpolitische Regierungsziel, die Arbeitslosigkeit zurückzudrängen. Mit der Ernennung von Wolfgang Clement zum Superminister, spätestens aber seit März 2003, als die Agenda 2010 dem Publikum und der Partei als Programmersatz präsentiert wurde, hat Gerhard Schröder Regierung und Regierungspartei fest an die Seite der Arbeitgeberverbände, der Unternehmensvorstände und der konservativen Politikberater geführt.

Unter diesen Umständen ist erfreulich, dass mehr und mehr Menschen
begreifen, dass diese Art Politik ihnen nicht nur kurzfristig Opfer
abverlangt, sondern dass diese Opfer sinnlos, ja schlimmer noch, für den Zustand des Landes insgesamt schädlich sind. Erfreulich ist auch, dass in den
Gewerkschaften ein Umdenken beginnt und die einst gut begründete Präferenz
für eine sozialdemokratisch geführte Regierung einer kritischen Haltung weicht.
Erfreulich sind die Montagsdemonstrationen und die an Franz Müntefering geschickten Parteibücher von langjährigen SPD-Mitgliedern. Erfreulich sind die Versuche, links von der SPD tragfähige politische Strukturen zu konstruieren. Es ist ja auch der gegenwärtigen SPD-Führung völlig klar, dass sie umso mehr mit Konkurrenz von links rechnen muss, je mehr rechts gestrickt die von ihr
betriebene Politik wird.

Unerfreulich allerdings sind die Perspektiven. Für diese rot-grüne Regierung kommen nämlich alle erfreulichen Protestaktionen und jede Hilfe zu
spät. Schröder kann zwar Clement noch feuern, aber die unsoziale und
ineffiziente Wirtschaftspolitik, die als "Reform" bezeichnet wird, ist seine. So
wendig ist selbst Schröder nicht, dass er seine Agenda 2010 eigenhändig
zurücknehmen könnte. Da müsste er schon, wie ihm in Magdeburg und Leipzig

vielfach empfohlen wird, einfach zurücktreten.

Geändert von chr.flader (11.08.2004 um 14:31 Uhr)
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