|
Interview Dr. Niklas
Frischklebe-Serie Teil 2: Interview mit Belaghersteller Dr. Georg
Nicklas:
?Frischklebe-Verbot ist eine Chance und kein Problem?
Dr. Georg Nicklas, in kurzer Zeit greift das Verbot der ITTF zur
Verwendung flüchtiger organischer Lösungsmittel in den so genannten
Frischklebern. Wie stehen Sie zu dieser Entscheidung?
Alle diese Mittel sind schädlich für den Menschen und im Umgang
gefährlich. Das ist unstrittig, und deswegen haben diese Mittel im Sport
nichts zu suchen.
Wie sind die Auswirkungen konkret?
Grundsätzlich muss man zwischen schädlich und gefährlich unterscheiden.
Beide Kategorien sind in den jeweiligen Sicherheitsdatenblättern dieser
Chemikalien sehr deutlich dokumentiert. Der Grad der Schädlichkeit hängt
aber natürlich auch von der Dosierung und der Intensität des Umgangs ab.
Ein Beispiel macht das Risiko aber deutlich: Bei der Ausbildung von
Chemikern findet der Umgang mit flüchtigen organischen Mitteln nur unter
Abzugshauben statt, aber im Tischtennis werden schon Kinder zum
ungeschützten Umgang damit geradezu ermutigt. Bei Deutschen
Schüler-Meisterschaften kleben alle frisch, obwohl die Abgabe dieser
Produkte an Kinder per Gesetz verboten ist. So kann es nicht
weitergehen, das muss ein Ende haben. Was die Gefährlichkeit betrifft:
Alle diese Stoffe sind leicht entzündlich und damit per Gesetz als
Gefahrenstoffe deklariert. Die ITTF hat das Problem richtig erkannt und
auch die richtigen Schlüsse daraus gezogen.
Welche Herausforderung bedeutet der ITTF-Beschluss für die Hersteller?
Man muss schauen, dass man Produkte findet, die auf andere Art die
Leistung erzielen, die bislang mit flüchtigen organischen Lösungsmitteln
erbracht worden ist. Es ist eine spannende Entwicklungsaufgabe.
Wie ist denn der Stand der Entwicklungen?
Wir machen gute Fortschritte und sind mit dem Stand sehr zufrieden.
Wann ist denn mit Ergebnissen, sprich akzeptablen Alternativen zum
derzeitigen Frischkleben zu rechnen?
Das Verbot gilt ab September 2007, das heißt, dass eine Anmeldung neuer
Produkte zur Zulassung durch die ITTF bis spätestens 1. Februar 2007
erfolgen muss. Es werden aber schon im kommenden Jahr die ersten
Produkte auf dem Markt sein, die man nicht mehr kleben muss und bei
denen die Wirkung des bisherigen Frischklebens fest eingebaut sein wird.
Kann denn überhaupt die Wirkung des Frischklebens auf anderen,
unschädlichen und ungefährlichen Wegen im Verhältnis 1:1 erreicht werden?
Das wäre natürlich toll und ist ein hohes Ziel. Gänzlich ausschließen
möchte ich das auch nicht, aber ich denke, dass man zumindest vorläufig
mit ein wenig Abstrichen zufrieden sein muss.
Den Laien gilt Wasser gemeinhin als das einzige unschädliche
Lösungsmittel, bindet aber nicht wie andere Stoffe. Ist dennoch auf
Wasser-Basis eine Lösung denkbar?
Das ist eine weitere Frage, die sehr spannend ist. Ich persönlich denke
eher, dass eine solche Lösung nicht gefunden werden kann. Aber auch hier
gilt: Gänzlich ausschließen möchte ich das nicht.
Wie schätzen Sie die Auswirkungen des künftigen Verbots auf das
Tischtennis-Spiel ein?
Das Spiel wird dem heutigen ähnlich bleiben. Als Zuschauer wird man
keinen Unterschied bemerken.
Und als Spieler?
Die Spieler werden sich schnell umgewöhnen. Das Tempo wird etwas
reduziert sein, die Beläge behalten aber einen ähnlichen Charakter wie
bisher.
Warum kritisieren denn so viele Spieler die Einführung des Verbots?
Das ist eine Folge des Informationsmangels. Den Profis kann es zwar nie
schnell genug sein, aber ich tippe mal, dass sie am Ende ganz zufrieden
sein werden. Alle unsere Tests mit Weltklasse-Spielern haben bisher
gezeigt, dass mit unserer TENSOR-Technologie der Ausfall des heutigen
Effekts des Frischklebens mit flüchtigen organischen Stoffen zum großen
Teil ausgeglichen werden kann. Die TENSOR-Technologie ist dabei aber
völlig unschädlich und, das war die eigentliche Grundidee bei der
Entwicklung vor über zehn Jahren, erspart dem Spieler ja außerdem die
ständige Mühe des Neuklebens.
In Bezug auf Frischklebe-Alternativen hört man von anderen Möglichkeiten
kaum etwas und noch weniger über Lösungen, die über das Versuchsstadium
hinausgehen. Ist die TENSOR-Technologie womöglich das Nonplusultra?
Technologie kennt oft viele verschiedene Lösungen. Deswegen halte ich es
für möglich, dass andernorts andere Wege gefunden werden könnten.
Bei der ITTF heißt es, dass den Forschern in Japan und China der
Durchbruch gelungen sein könnte. Haben Sie auch davon gehört?
Ich weiß, dass auch in Japan Forschung mit unserer Technologie betrieben
wird. Sie suchen ja auch nach Produkten, die den Frischklebe-Effekt
ersetzen. Generell wird die Entscheidung für das Verbot langfristig zu
einem Forschungs-Schub führen, der Tischtennis nach vorne bringt. Auch
wir begreifen das künftige Verbot als Chance, nicht als Problem.
Die ITTF-Führung erwartet denn auch von den Herstellern bei der
Problemlösung eine stärkere Konzentration auf die Bereiche Hölzer und
Belag. Wie beurteilen Sie diesen Standpunkt?
Die wenigsten Aktiven spielen mit den schnellsten Hölzern. Demnach kann
jeder mit der Holz-Wahl ein Stück Tempoverlust kompensieren.
Heutzutage ist ein Verbot ohne die entsprechenden Kontrollen oft das
Papier nicht wert, auf dem es steht. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Es ist richtig: Auch dieses Verbot ist nur durch wirksame Kontrollen
durchsetzbar.
Die ITTF ließ kürzlich verlauten, es seien Geräte zur Kontrolle
entwickelt worden. Teure für die großen Veranstaltungen und preiswertere
sozusagen für den Alltagsgebrauch.
Diese Informationen entsprechen auch unserem Kenntnisstand. Die
Kontrollgeräte werden so konzipiert sein, dass sie sich jeder Verein
leisten kann.
Können die Kontrollen auch wirklich wirksam sein?
Ja, es wird diese chemischen Prüfgeräte zur Kontrolle geben, und sie
werden zuverlässig sein.
Was bedeutet das Frischklebe-Verbot für die künftige Entwicklung der Beläge?
Das Verbot wird zu einem enormen Innovationsschub führen. Zuletzt schien
ja die Art und Weise, wie man klebt, wichtiger geworden zu sein als die
Wahl des Belages. Das Frischkleben hat die Eigenschaften der Beläge
geradezu auf den Kopf gestellt. In Zukunft wird die Konzentration der
Hersteller wesentlich stärker auf der Gummi-Entwicklung liegen.
Das eröffnet tatsächlich die Aussicht auf Produkt-Innovationen. Hebelt
das nicht aber auch das Argument der ITTF aus, dass die Widerstände
gegen das Frischklebe-Verbot auf Seiten der Industrie auch wegen der
Angst vor Umsatzeinbußen so groß sind?
Völlig richtig. Um den Umsatz der Hersteller mache ich mir auch für die
Zukunft keine Sorgen. Jeder, der das Verbot als Chance begreift, wird
auch weiter gute Geschäfte machen.
Profit ist aber gerade in der heutigen Zeit für viele Unternehmen die
wichtigste Triebfeder. Besteht deswegen nicht doch die Gefahr, dass das
Streben nach mehr Gewinn auch zu mehr Erfindungsreichtum zur Umgehung
des Verbots führen könnte?
Das Internationale Olympische Komitee hat eine Umwelt-Charta, die so
genannte Agenda 21. Darin sind Stoffe, die schädlich oder gefährlich
sind, für den Sport kategorisch verboten. Tischtennis wird also keine
Möglichkeit haben, so weiterzumachen wie bisher, wenn es seinen Status
als olympische Sportart nicht verlieren will. Das IOC wird dafür sorgen,
dass das Verbot be- und geachtet wird. Ich halte es auch für möglich,
dass die jetzige Position der ITTF bereits auf Druck des IOC
zurückzuführen ist.
Unterstützen sie also die Haltung der ITTF in der Frage des
Frischklebens mit flüchtigen organischen Stoffen auf der ganzen Linie?
Es ist zur Minderung oder Minimierung des Schädlichkeits- und
Gefahrenrisikos die einzig richtige Strategie, die Benutzung dieser
Stoffe so weit wie möglich einzuschränken und den Menschen davor zu
schützen.
|