Thema: Pressestimmen
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #3  
Alt 27.04.2006, 17:32
TheLord TheLord ist offline
registrierter Besucher
Junior-Forenmitglied
 
Registriert seit: 10.09.2003
Beiträge: 87
TheLord ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
AW: Pressestimmen

ist zwar ausnahmsweise kein Artikel über Effeltrich aber dennoch sehr interessant und gut geschrieben, wie ich finde!

SPIEGEL ONLINE - 27. April 2006, 16:09
URL: http://www.spiegel.de/sport/sonst/0,1518,413046,00.html

Tischtennis

Die Krux mit dem Kleber

Von Dirk Brichzi, Bremen

Pinsel, Holz und Leim: Das sind die Utensilien, die alle Tischtennisspieler für ihr Ritual benötigen - das Bekleben der Schläger. Doch wenn es nach dem Weltverband geht, ist es damit bald vorbei, die Gesundheit sei gefährdet. Bei den Profis regt sich Widerstand.

Vor jedem Match treffen sich die Tischtennis-Spieler bei der Mannschafts-WM in Bremen im Container vor der Halle. Dann packen sie Pinsel, Holz, Beläge, Kleber und Schere aus und basteln sich ihren Schläger für den Tag. Einmal Holz und Belag bestreichen, antrocknen lassen, den Vorgang bei Bedarf wiederholen, beides zusammenfügen und den Belag an den Rändern des Holzes zurechtschneiden. "Frischkleben" nennt sich dieses Ritual, denn nicht nur die Besten im Tischtennis wissen: Wer siegen will, muss kleben.

Tischtennis-Star Boll: "Selbst klarkommen"
Getty Images
Tischtennis-Star Boll: "Selbst klarkommen"
Diese Methode der Leistungssteigerung zieht sich bis in die unteren Klassen dieses Sports. Spin, Speed und Sound versprechen sich die Spieler davon. Beim Frischkleben legt sich der Leim auf den Schwamm des Belages, das Lösungsmittel zieht durch die Schwammschicht bis ins Obergummi hinein, quillt den Belag auf und macht ihn größer und elastischer.

Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass die Beschleunigung bei frisch geklebten Belägen um mindestens fünf Prozent höher ist, der Spin-Effekt, also die schnelle Drehung des Balles, sogar um 15 Prozent. Zahlen, die nicht nur bei Weltmeisterschaften, sondern auch in der Kreisliga entscheidend sein können. Dazu gesellt sich der Sound. Nur frisch geklebte Beläge erzeugen das typische, klare "Klack" beim Treffen des Balles. Der psychologische Faktor der Akustik ist nicht zu unterschätzen. "Gerade die jüngeren Spieler wünschen sich vor allem einen guten Sound-Effekt", sagt Siegbert Decker von der Ausrüsterfirma Donic im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE.

"Will der Schiedsrichter vorher schnuppern?"

Doch Unheil naht: Ab Sommer 2007 will der Tischtennis-Weltverband das Frischkleben mit organischen Lösungsmitteln aus gesundheitlichen Gründen verbieten. Dann würden die meisten Effekte verpuffen. "Warum sollte man dann überhaupt noch kleben, wenn es ohne Lösungsmittel kaum noch eine Verbesserung gibt", fragt sich Decker, sieht aber vor allem ein anderes Problem auf das Tischtennis zukommen: "Wer will das kontrollieren, ob ein Spieler nicht doch heimlich seine Beläge frisch klebt? Will vielleicht der Schiedsrichter vorher dran schnuppern und dann nach Nasenmaß entscheiden? Da bleiben noch viele Fragen offen, die der Weltverband vorher klären muss." Vorschläge wie eine chemische Überprüfung der Schläger vor jeder Partie steht der Belagexperte ebenfalls skeptisch gegenüber: "Das kann man höchstens im Spitzenbereich machen, aber was machen die dann bei der großen, breiten Masse? Für die gilt das Verbot ja auch."

Die Hersteller haben schon reagiert und preisen überall ihre Beläge "mit eingebautem Frischklebeeffekt". Daran wollen die Spieler jedoch nicht so recht glauben. "Bisher haben es die Firmen einfach nicht geschafft, Beläge mit den gleichen Eigenschaften herzustellen, als wären sie frisch geklebt", sagt der deutsche Nationalspieler Christian Süß SPIEGEL ONLINE. Und die Spieler, die ihre Schläger in der Regel vor jedem Match neu kleben, haben noch eine der letzten Regeländerungen in schlechter Erinnerung. Vor ein paar Jahren wurden die Bälle größer, um das Spiel langsamer und zuschauerfreundlicher zu machen. "Langsamer sei es aber nicht geworden", erklärt Süß, "dafür hat aber die Qualität der Bälle gelitten, sie sind deutlich schlechter geworden. Das haben die Hersteller bis heute nicht in den Griff bekommen."

Das Vertrauen in den Verband ist gering, und auch beim Kleben ist sich jeder selbst der Nächste. "Keiner würde auf die Idee kommen, seinen Schläger mal eben dem Trainer oder einem Betreuer zum Kleben zu geben", sagt Decker, "außerdem hat beim Kleben jeder so seine Macken und Tricks." Manch ein Spieler lässt den Belag am Rand ein wenig überstehen, um mehr Kopflastigkeit des Schlägers zu erzielen, kann dann aber vom Schiedsrichter zurückgepfiffen werden. Andere verzichten aufs Antrocknen und kleben "nass", was die Effekte verstärken und verlängern soll, aber manchmal dazu führt, dass der Ball nicht mehr wie gewünscht abspringt, sondern nach unten fällt. Dann hat der Spieler "überklebt".

Damit könnte es bald vorbei sein, auch wenn Firmen noch an Vorschlägen und Lösungen für den Tag X im nächsten Sommer feilen und auch der Weltverband während der WM noch weiter darüber beratschlagen will. "Im Endeffekt müssen wir damit klarkommen, was entschieden wird", sagt Deutschlands Spitzenspieler Timo Boll. Er hat sowieso seine eigene Sichtweise auf die kommende Regelung: "Wenn der Schläger dann langsamer wird, muss der Arm halt schneller werden."
Mit Zitat antworten