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Zum "Verbot" von glatten langen Noppen
E-Mail an den Präsidenten des DTTB zum geplanten "Verbot" von glatten langen Noppen:
Zitat:
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Mannschafts- und die Senioren-Weltmeisterschaft Anfang dieses Jahres in Bremen war für das deutsche Tischtennis sportlich wie organisatorisch ein überaus großer Erfolg. Tischtennis kann ein attraktiver Zuschauermagnet sein, schlechterdings wäre der Bremer AWD-Drome nicht dermaßen besucht worden. Diejenigen, die es nicht live miterleben durften, haben die Live-Ergebnisticker via Internet in Anspruch genommen und nunmehr besteht sogar die Möglichgkeit, sich Bundesligapartien im Internet in DVD-Qualität anzusehen. Alles dies belegt das vorhandene Interesse am schnellsten Ballsport der Welt, das noch weiter ausgebaut und gefördert werden muss.
Allerdings wurde in Bremen auch ein Stein ins Rollen gebracht, der sehr vielen Spielern - und das nicht nur im deutschsprachrigen Raum - sehr schwer im Magen liegt. Protestemails erreichen mich aus den Niederlanden, aus Belgien, Österreich, der Schweiz, ja sogar aus Australien, die ich unter www.pimples.de ins Internet gestellt habe Alamierender ist jedoch nicht dieser weltweite geäußerte Unmut, sondern der Umstand, dass sich hier Spieler nicht aus dem professionellen Bereich, sondern aus der großen Masse des Breitensports besorgt über die derzeitige und künftige Situation im Tischtennis äußern.
Der Hintergrund ist der folgende: Auf Vorlage durch das Materialkomitee wurde in Bremen eine Resolution an das Board of Directors beschlossen, wonach zukünftig ein "Mindestreibungskoeffizient" für glatte lange Noppen eingeführt werden soll. Dieser Minimum-Reibungslevel soll später für alle Noppen-außen-Beläge als Teil der Zulassung eingeführt werden, um so mehr das Geschick des Spielers und weniger die Wichtigkeit des "unberechenbaren" Materials zu betonen.
Die Auswirkung von glatten langen Noppen besteht indes hauptsächlich aus einem "Spinerhaltungs-Effekt", der bisweilen auch unkorrekt als "Schnittumkehr" bezeichnet wird. Die vom Gegner durch immer innovativere Sandwich-Beläge erzeugte Rotation (bei Topspin Vorwärtsrotation) wird durch einen glatten Belag lediglich aufrechterhalten: der Ball rotiert quasi auf der glatten Noppe weiter, verliert bestenfalls nur sehr wenig seiner Rotation und verlässt den Schläger mit der Rotationsrichtung, die ihm der Gegenspieler mitgegeben hat. Da der Ball jedoch stärker als bei einem Anti-Belag "durchdreht" kommt der Ball aus Sicht des Spielpartners mit Unterschnitt (Rückwärtsrotation) zu ihm zurück. Der Spielpartner kann also selbst steuern, welche Art von Rotation zu ihm zurück kommt. Gibt er dem Ball Unterschnitt mit, kommt ein Topsspinball zu ihm zurück; aus Linksschnitt wird Rechtsschnitt etc.
Ob dieser Ausrechenbarkeit und wegen der fehlenden Führbarkeit des Balls hat sich der Spieler mit glatten langen Noppen in seinen Aktionen selbst limitiert. Mit glatten langen Noppen Druck zu erzeugen, ist nur mit sehr viel Training möglich. Jeder, der sich über die Spielkultur - vornehmlich älterer Spielpartner - amüsiert und dann selber mal einen Schläger mit einem solchen Belag in die Hand genommen hat, weiß, wieviel Geschick tatsächlich vonnöten ist, um damit gegen einen Spieler mit Sandwich-Belägen (erfolgreich) bestehen zu können.
So gesehen limitiert sich der Noppenspieler in seinem Schlagrepertoire selbst. Eigenen Spin zu erzeugen ist schlechterdings unmöglich. Dies ist der Hauptgrund dafür, warum unter den ersten 500 der Weltrangliste nicht ein einziger Spieler mit glatten langen Noppen zu finden ist. Spitzenspieler wie Chen Weixing taktieren mit griffigen Noppenaußenbelägen; damit ihr Spiel nicht zu berechenbar wird, müssen diese Defensivspieler auch eigenen Schnitt erzeugen können.
In Bezug auf glatte lange Noppen lässt sich daraus folgern, dass hier gerade nicht das Material, sondern taktisches Gespür, Spielwitz und Übersicht sowie sicheres Block- und Konterspiel das erfolgreiche Noppenspiel auszueichnen.
Gerade in den unteren Spielklassen - das Rückgrat der Regional- und Landesverbände- können vornehmlich ältere Spieler, die viel Zeit und Herzblut mit unserem geliebten Sport verbinden, oftmals nur mit Material gegen die "jungen, wilden Topspinspieler" mit ihrem hochgezüchteten Sandwich-Belägen gegenhalten. Zwar wurde das Frischklebeverbot nach hinten verschoben, allerdings liegen bereits heute neue Belagtechnologien in den Regalen der Händler bereit, die das Frischkleben auch gar nicht mehr erfordrlich machen
Diese Vielfalt, das harmonische Miteinander von Jung und Alt, die Schulung des taktischen Gespürs durch das Spiel gegen Material droht nun durch die Entschärfung der Noppenregeln in dieser bewährten Form nicht mehr aufrechterhaltbar.
Zu beachten ist weiter, dass bereits die Absenkung des Verhältnisses von Noppenlänge zu Noppenbreite (Aspect Ratio) von 1,3 auf 1,1 sowie die Einführung des größeren 40mm Balls die Materialspieler einseitig benachteiligte.
Der Präsident des ITTF, Mr. Adham Sharara hat einem Interview für die Zeitschrift Tischtennis noch dargelegt, dass er (als ehemaliger Abwehrspieler) persönlich für mehr Flexibilität beim Schläger sei. Mr. Sharara führte in der Ausgabe der Tischtennis, Nr. 5/2006, S. 42 weiter aus, dass wir Material brauchen, das den Abwehrspielern ermöglicht, den Ball besser zu kontrollieren, vielleicht einen Belag aus Plastik. Wenn es den Firmen erlaubt sei, Beläge für maximalen Spin zu entwickeln, dann sollten sie auch das geeignete Gegenmaterial entwickeln dürfen. Eine Meinung, die von den betroffenen Materialspielern so sofort unterschrieben wird.
Es geht nicht um das Betrügen durch ein unerlaubtes Nachbehandeln von Noppenbelägen, so dass diese gerechtfertigter Weise die Zulassung verlieren. Es geht vielmehr darum, dass eine Spielphilosophie, die wie oben gezeigt für sich gesehen schon eine Selbstlimitierung darstellt, in der jetzigen Form ihre Zulassung verlieren soll.
Das Tischtennis braucht diese überflüssige Regeländerung nicht. Das Tischtennis braucht Vorhersehbarkeit, wie beim Spiel gegen glatten langen Noppen (s.o.), Planungssicherheit, Konstanz, Vertrauen und Kontinuität.
Als das Spiel beim Tennis immer schneller und unansehnlicher wurde, das attrraktive "Serve and Volley"-Spiel ist nahezu ausgestorben, wurden die neuen HiTech-Schläger auch nicht verboten und die langsamen alten Holzschläger qua Regelung als einzig zulässiges Material bestimmt. Die Tore beim Fussball wurden auch nicht größer und breiter, nur damit mehr Tore fallen und das Spiel attraktiver wird. Das Tischtennis braucht dieselbe Kontinuität wie diese noch populäreren Sportarten.
Ich fordere Sie daher höflichst auf, sich dieses Themas anzunehmen. Die mit der ITTF in diesem Zusammenhang bereits gewechselten Schriftsätze sind auf der Internetseite www.pimples.de veröffentlicht.
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OB
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