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Alt 31.01.2007, 16:06
Chinabomber Chinabomber ist offline
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AW: Nerven liegen blank...

Viele Jugendliche haben das Problem, daß ihre Erwartungen an sich selbst unrealistisch hoch sind. Die meisten wollen mindestens Bezirksklasse Herren oder höher spielen, wenn sie erwachsen sind, obwohl sie wissen, daß sicherlich 90% aller TT-Spieler nur Kreisklasse spielen. Ich habe in meiner Zeit viele Jugendliche gesehen, für die in der 2.KK Feierabend war, obwohl sie Jugend Bezirksliga oder Verbandsliga gespielt hatten. Sicher gibt es Leute, die mit 14 schon reif für die Oberliga sind, aber das sind absolute Ausnahmetalente, die die entsprechende Förderung mit sehr sehr viel Training hatten. Wer in der Landesliga Herren einsteigen will, darf in der Jugend Verbandsliga oben kaum ein Spiel verloren haben. Jugend Verbandsliga unten negativ reicht normalerweise nicht mal für die Kreisliga Herren. Jugendliche sollten sich darüber klar sein, daß bei den Herren ein ganz anderer Konkurrenzkampf herrscht als im Jugendbereich. Eine gute Technik und gute Beine reichen nicht aus, um sich von der Masse deutlich abzuheben. Man braucht Erfahrung und muß in der Lage sein, sein Spiel gegen sehr viele verschiedene Spielertypen spielen zu können. Dazu braucht man in der Regel eine nochmals deutlich verbesserte Technik, um die nötige Sicherheit zu haben, mehr Kraft für Spin und ein noch besseres Stellungsspiel und sehr viel Erfahrung gegen viele verschiedene Gegnertypen. Wenn man das eines Tages vorweisen kann, dann hat man keine Probleme mehr mit unterklassigen Herren - egal welcher Couleur. Man ist dann soviel besser, daß man sie egal wie einfach schlägt - selbst an einem ganz schlechten Tag.

Jugendliche, die so denken wie Truffel, habe ich schon massenhaft gesehen. Sie merken, daß es nicht reicht und geben auf! Sie versuchen dann ihr Glück bei einer anderen Sportart und scheitern ebenso. Wenn man was erreichen will, dann muß man etwas dafür tun.

Nervliche Probleme beruhen auf einer großen Unsicherheit. Diese Unsicherheit hat fast immer einen realen Grund. Man weiß, daß man schon oft versagt hat, weil man das Spiel, was man spielen will noch nicht wirklich sicher spielen kann, oder daß man noch bestimmte Schwachstellen hat, die man nicht übertünchen kann. Bis man dieses Niveau erreicht hat, ist TT zum großen Teil ein Glücksspiel. Deshalb raten Trainer in wichtigen Spielen auf Sicherheit zu setzen, also auf einem Level zu spielen, daß man so sicher beherrscht, daß man nicht nervös wird. Die Frage ist dann natürlich, ob dieses Level ausreicht, um das Spiel zu gewinnen. Wenn nein, dann heißt es eben Zocken, aber dann bitte ohne Reue, denn man hätte ohne verloren, da der andere besser war.

Der sinnvollste Weg, seine Nerven in den Griff zu bekommen, ist kontinuierliche Arbeit an seinen Schwachstellen. Man soll froh sein, wenn ein Gegner eigene S chwachstellen aufdeckt, denn dann weiß man, woran man zu arbeiten hat. Diese Schwachstellen zu verdrängen (und dazu zählt z. B. auch Materialwechsel) hilft nie, nie, NIE, aber Training hilft garantiert.

Meine Trainer haben mir früher immer gepredigt, daß das Gewinnen automatisch kommt, wenn man gut genug ist. Bis dahin sollte ich mir keine Gedanken über Bilanzen o. ä. machen, da sie für sich stark entwickelnde Spieler nicht repräsentativ sind. "Zeig, was du im Training gelernt hast!", "Mach dein Spiel!" oder "Gib alles!" Mehr ist realistisch gesehen nicht möglich.

Sicherlich kann man sich mental und körperlich durch eine optimale Vorbereitung auf ein maximales Level pushen, so daß die Chancen, daß man deutlich über seinen Möglichkeiten spielt groß ist, aber das kann nicht immer gelingen. Normalerweise kann man nur so gut spielen, wie man das momentan kann und nicht besser. Wenn man das akzeptieren kann und Tischtennis als einen langwierigen Lernprozeß betrachtet, dann kommt der Erfolg von ganz alleine und nervliche Probleme gehören der Vergangenheit an.

Nach Abschluß der Saison, schaust du dir deine Bilanz genau an und hast einen relativ objektiven Leistungsstand. 22 Spiele lügen nie. Das Ergebnis muß man dann voll als momentanen Leistungsstand akzeptieren und in den nächsten Jahren darauf kontinuierlich aufbauen. Wenn man gelernt hat, sich selbst richtig einschätzen zu können, dann hat man schon viel erreicht, denn dann hat man etwas handfeststes, worauf man konstruktiv aufbauen kann und kann sich realistische Ziele setzen, die man im Gegensatz zu Luftschlössern auch erreichen kann. Nur so kann man sinnvoll arbeiten.

Geändert von Chinabomber (31.01.2007 um 16:49 Uhr)
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