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allgemeines Tischtennis-Forum Dies ist unser Hauptforum. Hier geht es um Tischtennis allgemein und hier gehört alles rein, was nicht in die Fachforen oder sonstigen Foren passt.

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  #211  
Alt 29.08.2024, 10:09
Lexmark Lexmark ist gerade online
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AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Genauso ist es. Und wird dann 'als' Ganztagsschule der Gesellschaft schmackhaft gemacht.
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  #212  
Alt 29.08.2024, 10:45
HansWurst123 HansWurst123 ist offline
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AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Bei uns in der nächstgrößeren Stadt gab es von Seiten der Sportvereine auch zunächst "eine Welle der Hilfsbereitschaft" und Sprüche wie "die Sprache spielt keine Rolle usw".

Ein Jahr später kriegten die ukrainischen Eltern einen Zettel "ihr Kind kann leider nicht mehr am Schwimmbetrieb teilnehmen, da es die notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt".

Im Gespräch hat sich dann der Vorstand etwas um Kopf und Kragen geredet, dass es doch einige Disziplin-Probleme gab, die auch mit Google Translate nicht gelöst werden konnten.. eigentlich komplett rassistisch dann das Probleme per Sippenhaft zu lösen, anders sind die aber der Lage nicht mehr Herr geworden, da die Eltern das Problem auch nicht erkennen wollten bzw. nicht kooperationswillig waren ihren Kindern Grenzen zu setzen

Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht

Boxen, Schach und Volleyball liefen besser, weil da zuvor schon mehr russischsprachige Kinder waren und auch der Trainer russisch sprach. Ist jetzt aber auch nicht in Sinne von "Integration durch Vereinssport"

Alles anekdotisch, ich weiß.

Zum Tischtennis im anderen Verein haben sich nur Erwachsene gesellt, die im Ausland bereits gespielt haben. Die wurden auch ganz positiv aufgenommen. Jugendarbeit wird da eh keine gemacht.

Geändert von HansWurst123 (29.08.2024 um 11:23 Uhr)
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  #213  
Alt 29.08.2024, 13:18
Ara Ara ist offline
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Ara kommt allgemein ganz gut an (Renommeepunkte mindestens +60)
AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Zitat:
Zitat von miniping Beitrag anzeigen
Das Leben ist definitiv zu kurz um es mit ping Pong zu füllen außer du hast von Haus aus Glück und hast dein Personal trainer
Vielleicht ist es auch einfach nur eine unrealistische Erwartungshaltung im TT von Verein + Verband alleine bis an die Weltspitze trainiert zu werden?
Schau dir doch mal andere Individualsportarten wie Tennis, Badminton etc. an, da hast du idR überhaupt kein Training vom Verein aus.
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  #214  
Alt 29.08.2024, 13:43
HansWurst123 HansWurst123 ist offline
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AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Zitat:
Zitat von Ara Beitrag anzeigen
Vielleicht ist es auch einfach nur eine unrealistische Erwartungshaltung im TT von Verein + Verband alleine bis an die Weltspitze trainiert zu werden?
Schau dir doch mal andere Individualsportarten wie Tennis, Badminton etc. an, da hast du idR überhaupt kein Training vom Verein aus.
Beim Tennis und noch extremer beim Golf ist es aber ganz normal, dass du Stunden bei einem bezahlten Trainer nimmst.

Da ist auch der Anspruch "inklusiv zu sein" von vorneherein entweder auch gar nicht erst da, man ist ja schließlich unter sich - oder die Leute sparen sich das vom Mund ab - wenn du da einmal >100 Euro/Monat alleine für die Mitgliedschaft zahlen darfst..

Klar haben die auch "Schnupperangebote" für Kinder, es kommt monetär trotzdem einiges zusammen..

Dazu kommt noch: "Die wichtigsten Fragen zu den Kosten beim Golf spielen: Für ein Schlägerset inklusive Tasche fallen je nach Qualität und Umfang zwischen 450 und 1500 Euro an. Bei Golfschuhen und Handschuhen liegen die Kosten etwa zwischen 150 und 200 Euro. Eine komplette Ausrüstung ist dementsprechend ab ca. 650 Euro erhältlich."

Ja, man kann sicher Ausrüstung leihen, wird auf die Dauer aber auch nicht weniger kosten..

Zwei entsprechende Butterfly Beläge kosten übrigens auch mehr als das Jobcenter pro Jahr für Teilnahme am Vereinssport über das Bildungs- und Teilhabegesetz erstattet.

Geändert von HansWurst123 (29.08.2024 um 13:45 Uhr)
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  #215  
Alt 29.08.2024, 13:59
Benutzerbild von Mephisto
Mephisto Mephisto ist offline
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Idee AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Zitat:
Zitat von Levinhero Beitrag anzeigen
...

Speziell im Tischtennis sehe ich keinen besonderen Rassismus im Kindesalter. Alle Kinder sind willkommen und werden gefördert.

Jedoch ist Tischtennis, nach meiner beobachtung ein Sport von Kindern der Mittelschicht. Während im Fußball alle Schichten vertreten sind und auch bis an Spitze kommen können, fängt die Abgrenzung der bereits im Kindesalter an. Man erreicht Kinder der Unterschicht nicht (große Gruppe der Migranten und Geflüchtete mit eingeschlossen) , wenn man die mal erreicht, dann sorgt die Tischtenniscommunity dafür, dass Eltern und Kinder sich in diese Umgebung nicht wohl fühlen und verlassen den Sport wieder. Wir haben im Verein talentierte Kinder von alleinerziehenden teilweise arbeitslosen Eltern. Der Verein befindet sich im Einzugsgebiet eher aus der Mittelschicht.

Während im Fußball für alle Eltern die Schichtzugehörigeit eine untergeordnete Rolle spielte, ist im Tischtennis mehr Kleinbürgertum vorhanden. Es wird weniger nach Rasse abgegrenzt, mehr nach Bildungsstatus und Schichtzugehörigkeit. Tischtennis ist super günstig und kann richtig teuer werden wenn man denn will. Tischtennis ist Markengeil und kleinbürgerlich.

Kenne kein Kind aus meinem Verein der in die Hauptschule geht.

Flüchtlingskinder haben schnell aufgehört. Die wurden aber auch so behandelt als wäre die ein Instrument des eigenen sozialen Gutmensch Egos, anstatt sie als kleine Sportler zu sehen und zu behandeln. Fußball tut das! . Vielleicht werden aus den Kinder keine Bolls, weil sie die unterstüzung nicht erfahren werden oder die Mitteln nicht haben, aber Tischtennis lässt eine Gesellschaftsgruppe mit der höchsten Geburtenrate links liegen und beschwert sich gleichzeit über immer weniger Kinder die TT Spielen.

Während Fußball die wenigsten Nationalspieler aus gut situierten Familien kommen, ist es im strukturell und Sportpolitisch gar nicht möglich den Biss und Kampfeswillen den Unterschichtkinder oftmals entwicklen, für ihr Talent zu nutzen. Tischtennis ist wie Tennis, und das trotz 7 Euro Vereinsbeitrag.
Dein Beitrag hat mich die letzte Woche sehr zum Nachdenken gebracht und es steckt viel Wahres drin. Zwar mag ich einzelne diskriminierende Formulierungen wie "U....schicht" nicht, aber vom Sinn her gehe ich mit.

Früher hat man gesagt, dass folgendes notwendig ist, um richtig gut zu werden:

- Talent
- Wille und Fleiß
- Jemand der einen fährt

... und in den letzten Jahren zunehmend auch finanzieller Backround

Weiter hat man gesagt, dass Wille und Fleiß mindestens genauso entscheidend wie Talent ist, da mittelmäßig talentierte "harte Arbeiter" über ihre Einstellung zu Training und Wettkämpfen oft weiter kommen als die "schlampigen Talente". Optimal natürlich die fleißigen und willensstarken Talente.

Exkurs: Tatsächlich ist die Gymnasiast*innen-Quote, besonders in Ballungsräumen, aber auch im ländlichen Raum, deutlich überproportional hoch. Einmal, weil TT als athletische Denksportart vielleicht auch gerade eher intellektuelle und auch introvertierte Charaktere als Sportart anlockt. Gleichzeitig aber auch, da Kinder anderer Schulformen dann manchmal vielleicht sogar gehänselt werden oder ausgeschlossen werden. Oft nicht bewusst, aber auch unterbewusst. Und die Frage, wie tickt die/ der Trainer*in, was hat er/ sie gerne als ideale Kinder im Training und wie wird beworben. Für die Mädchengewinnung sind auch weibliche Trainer*innen als Rollenmodell, Vorbild, empathische Person, für geschützten Raum wichtig. Für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte ist ein Vorbild mit eigener Zuwanderungsgeschichte, milieutypischen Eigenerfahrungen und ggf. auch der selben Jugendsprache und Fehlerfreundlichkeit z.B. bei Formulierungen und Rechtsschreibung von Vorteil. Hier sind vielen Vereinen und Verbänden die handelnden ÜL und Kids eher vom Bildungsstatus homogen und für andere exklusiv. Gar nicht bewusst, aber Reproduktion der eigenen Sozialisation passiert hier automatisch. Und daraus resultiert dann auch das Gefühl, ob sich ein neues Kind in einer Gruppe Willkommen oder eher als Außenseiter*in fühlt. Gerade wenn es versteckte Codes in Sprache, Verhalten und Umgang gibt. Ich behaupte mal, dass so TT schon viele willensstarke Talente aus sozialen und gruppendynamischen Gründen verloren gegangen sind.

Das deutsche Bildungssystem ist sehr selektiv. Die Selektion im dreigliedrigen Schulsystem ist viel zu früh. Die Bildungsmobilität für ein Industrieland erschreckend schwach. In keinem vergleichbaren Land hängt der eigene Bildungsweg und Werdegang so stark von der Sozialisation und den Ressourcen der Eltern ab. Umso wichtiger, dass im (frühen) Grundschulalter für TT gesichtet wird, wenn noch alle Kinder zusammen sind und noch nicht durch die Selektion im Bildungssystem getrennt werden.

Erst wenn Kinder im Fördersystem angekommen sind, wird der Bildungsstatus nachrangiger, wenn es um Leistung und Entwicklung geht. Da ist ein für die Sportart eher untypischer mittlerer Schulabschluss mit durchschnittlichen Noten ok, wenn es beim TT stimmt.

Da sind wir aber bei den Eltern. Wie groß ist die TT-Priorität und gleichzeitige Toleranz gegenüber mittelmäßigen oder guten Schulleistungen? Und welche zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten stehen zur Verfügung. Bei wem kann ein Elternteil 3-4x die Woche + Wettkämpfe in einem Fördersystem schon ab dem frühen Nachmittag lange Anfahrten zu Förderzentren leisten? Doppelverdiener*innen sind raus, wenn das nicht Oma/ Opa übernehmen. Alleinerziehende Berufstätige sowieso. Manchmal gibt es noch ein gutes Vereinsnetzwerk für die Unterstützung (Fahren und Geld), das ist aber selten. Die Eigenbeteiligungen im Fördersystem sind nicht zu unterschätzen für regelmäßiges Fördertraining, Lehrgänge und Fahrtkosten. D.h. durch die Aspekte "wer fährt", "wer zahlt" und "wer hat dafür Zeit" wird das tatsächlich zu einer sozialen Frage. Ohne Auto geht gar nix.

Beim Fußball ist hinsichtlich der sozialen Frage das Anreizsystem höher, da manche Eltern sich über das talentierte Kind einen sozialen Aufstieg für die ganze Familie erhoffen (ähnlich wie TT in China, zumindest früher). Das ist zwar für die meisten Kids auch nicht gut vom Druck her, ist aber so. Und genau hier sind auch viele Familien mit Zuwanderungsgeschichte bereit, mehr in Kauf zu nehmen, um hohe Trainingskapazitäten und viel Wettkämpfe zu ermöglichen, auch ggf. zu Lasten der Schule. Teilweise fahren die Kids schon mit dem ÖPNV quer durch die Stadt zugunsten von Förderstrukturen. Gerade wenn es um die Frage Schule und Trainingsumfang geht, ist für die meisten einheimischen Eltern und Eltern mit der Prio Bildung TT dann doch nur (ambitioniertes) Hobby und geht nur in hohen Umfängen, wenn die Schule nicht leidet. Schulen mit integriertem Training und Internate können hier eine Lösung sein, ist aber auch nicht für alle was, und kostet ...

Wenn die nächsten Förderschritte im FuBa anstehen, ist es auch ganz normal, in Nachwuchsleistungszentren in anderen benachbarten Städten unterzukommen und dort mehrmals wöchentlich zu trainieren. Die NLZ haben eine ganze Infrastruktur darum aufgebaut. Es gibt 9-Sitzer-Kleinbusse, die z.B. für Wehen Wiesbaden einen Bus voll Kids an einer S-Bahn-Station am Rand von Frankfurt abholen und dorthin nach dem Training wieder zurück bringen. Die Eltern müssen dann erst dort wieder abholen. Hier geht es wirklich im "Kampf" um die besten Kids um Talent, Wille und Leistungsbereitschaft. Von den Eltern wird erwartet, die Kinder abzugeben und das zu ermöglichen. Den Rest organisiert das NLZ. D.h. hier ist es nicht zwangsläufig die Frage der Geldbörse und der Arbeitszeit der Eltern. Der Anteil mit Zuwanderungsgeschichte ist explizit hoch. Solche Zustände sind im TT nicht denkbar, da kann man höchstens von jemanden privat gefördert und mitgenommen zu werden.

Und gleichzeitig wird auch einfach noch mehr auf der Straße und den Schulhöfen gekickt. Auch wenn hier TT auch gut aufgestellt ist mit Steinplatten auf praktisch jedem Schulhof. Welche andere Sportart kann das schon von sich behaupten?

D.h. es braucht Identifikationsfiguren bei den Trainer*innen mit eigener Zuwanderungsgeschichte und eine höhere Durchlässigkeit und Fehlerfreundlichkeit in TT-fremden Eigenschaften.

D.h. es braucht eine Haltungsänderung bei den Verantwortlichen, heterogeneren Milieus eine Wohlfühlatmosphäre zu ermöglichen, statt eher Seinesgleichen im bildungsbürgerlichen Sinn zu fördern.

D.h. es bräuchte unterschiedliche Werbung und Ansprache, die auf unterschiedliche Zielgruppen, insbesondere auch Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, abzielt.

D.h. jede Maßnahme, TT einen Coolen Anstrich für die Außenwahrnehmung zu geben, hilft. Ich finde, hier ist schon einiges passiert. Es passiert mir nur noch sehr selten im Vergleich zu früher, dass ich auf Leute treffe, die TT als Sport nicht ernst nehmen. Das Image hat sich schon stark verbessert!

D.h. es bräuchte logistische Unterstützung, um auch talentierten Kindern von berufstätigen Eltern, Alleinerziehenden, Familien ohne Auto, ... die Teilnahme zu ermöglichen.

D.h. es bräuchte Förderstrukturen, die nicht nur mit privater Finanzierungsbeteiligung funktionieren.

Das sehe ich leider gerade als nicht realistisch an.

Man könnte soziologisch noch tiefer einsteigen und die soziale Teilhabe am Tischtennissport mit den "Kaptalsorten" nach Pierre Bourdieu betrachten (Milieuforschung).

- Ökonomisches Kapital (z.B. finanzielle Ausstattung der Familien, Beiträge)
- Kulturelles Kapital (z.B. Bildungsstatus, Zugang Bildung, Elternhaus, in welchen Kreisen verkehrt wer)
- Soziales Kapital (z.B. Netzwerke, Gruppenzugehörigkeit)
- symbolisches Kapital (Titel, Ansehen, aber auch Äußerlichkeiten wie Hautfarbe, TT-Markenfetisch usw.)

Unter solchen und anderen Gesichtspunkten würde noch mal deutlicher, warum Kinder aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte auf viele unterschiedliche Art und Weisen benachteiligt sind und einen schlechteren Zugang zu Förderstrukturen haben (auch oft ungewollt).

Es wäre sehr sinnvoll, wenn Verbände auch mal unter solchen Gesichtspunkten ihre Fördersysteme reflektieren. Man könnte viel gewinnen, wenn man dadurch tatsächlich die talentiertesten und leistungsbereitesten Kinder für unseren Sport gewinnen könnte - und nicht durch diverse (teils ungewollte) Kriterien und Rahmenbedingungen ausschließt.

Der "Killer" ist dann, wenn kommodifiziert wird und "deutsche" Zuschreibungen als Status Quo gesetzt sind. Der Übergang zu rechtspopulistischer Ausgrenzung ist fließend.

Umso mehr Respekt für die Kinder und deren Eltern, die trotz erschwerten Ausgangsvoraussetzungen den Sprung in die Fördersysteme geschaffen (Kinder von hochklassigen Spieler*innen und aus TT-Familien denke ich hier mal nicht mit).
__________________
Nichts bleibt wie es wird!
Mephisto
TSG Oberrad

Geändert von Mephisto (29.08.2024 um 14:03 Uhr)
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  #216  
Alt 29.08.2024, 14:07
HansWurst123 HansWurst123 ist offline
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AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Zitat:
Zitat von Mephisto Beitrag anzeigen
Dein Beitrag hat mich die letzte Woche sehr zum Nachdenken gebracht und es steckt viel Wahres drin. Zwar mag ich einzelne diskriminierende Formulierungen wie "U....schicht" nicht, aber vom Sinn her gehe ich mit.

Früher hat man gesagt, dass folgendes notwendig ist, um richtig gut zu werden:

- Talent
- Wille und Fleiß
- Jemand der einen fährt

... und in den letzten Jahren zunehmend auch finanzieller Backround

Weiter hat man gesagt, dass Wille und Fleiß mindestens genauso entscheidend wie Talent ist, da mittelmäßig talentierte "harte Arbeiter" über ihre Einstellung zu Training und Wettkämpfen oft weiter kommen als die "schlampigen Talente". Optimal natürlich die fleißigen und willensstarken Talente.

Exkurs: Tatsächlich ist die Gymnasiast*innen-Quote, besonders in Ballungsräumen, aber auch im ländlichen Raum, deutlich überproportional hoch. Einmal, weil TT als athletische Denksportart vielleicht auch gerade eher intellektuelle und auch introvertierte Charaktere als Sportart anlockt. Gleichzeitig aber auch, da Kinder anderer Schulformen dann manchmal vielleicht sogar gehänselt werden oder ausgeschlossen werden. Oft nicht bewusst, aber auch unterbewusst. Und die Frage, wie tickt die/ der Trainer*in, was hat er/ sie gerne als ideale Kinder im Training und wie wird beworben. Für die Mädchengewinnung sind auch weibliche Trainer*innen als Rollenmodell, Vorbild, empathische Person, für geschützten Raum wichtig. Für Kinder mit Zuwanderungsgeschichte ist ein Vorbild mit eigener Zuwanderungsgeschichte, milieutypischen Eigenerfahrungen und ggf. auch der selben Jugendsprache und Fehlerfreundlichkeit z.B. bei Formulierungen und Rechtsschreibung von Vorteil. Hier sind vielen Vereinen und Verbänden die handelnden ÜL und Kids eher vom Bildungsstatus homogen und für andere exklusiv. Gar nicht bewusst, aber Reproduktion der eigenen Sozialisation passiert hier automatisch. Und daraus resultiert dann auch das Gefühl, ob sich ein neues Kind in einer Gruppe Willkommen oder eher als Außenseiter*in fühlt. Gerade wenn es versteckte Codes in Sprache, Verhalten und Umgang gibt. Ich behaupte mal, dass so TT schon viele willensstarke Talente aus sozialen und gruppendynamischen Gründen verloren gegangen sind.

Das deutsche Bildungssystem ist sehr selektiv. Die Selektion im dreigliedrigen Schulsystem ist viel zu früh. Die Bildungsmobilität für ein Industrieland erschreckend schwach. In keinem vergleichbaren Land hängt der eigene Bildungsweg und Werdegang so stark von der Sozialisation und den Ressourcen der Eltern ab. Umso wichtiger, dass im (frühen) Grundschulalter für TT gesichtet wird, wenn noch alle Kinder zusammen sind und noch nicht durch die Selektion im Bildungssystem getrennt werden.

Erst wenn Kinder im Fördersystem angekommen sind, wird der Bildungsstatus nachrangiger, wenn es um Leistung und Entwicklung geht. Da ist ein für die Sportart eher untypischer mittlerer Schulabschluss mit durchschnittlichen Noten ok, wenn es beim TT stimmt.

Da sind wir aber bei den Eltern. Wie groß ist die TT-Priorität und gleichzeitige Toleranz gegenüber mittelmäßigen oder guten Schulleistungen? Und welche zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten stehen zur Verfügung. Bei wem kann ein Elternteil 3-4x die Woche + Wettkämpfe in einem Fördersystem schon ab dem frühen Nachmittag lange Anfahrten zu Förderzentren leisten? Doppelverdiener*innen sind raus, wenn das nicht Oma/ Opa übernehmen. Alleinerziehende Berufstätige sowieso. Manchmal gibt es noch ein gutes Vereinsnetzwerk für die Unterstützung (Fahren und Geld), das ist aber selten. Die Eigenbeteiligungen im Fördersystem sind nicht zu unterschätzen für regelmäßiges Fördertraining, Lehrgänge und Fahrtkosten. D.h. durch die Aspekte "wer fährt", "wer zahlt" und "wer hat dafür Zeit" wird das tatsächlich zu einer sozialen Frage. Ohne Auto geht gar nix.

Beim Fußball ist hinsichtlich der sozialen Frage das Anreizsystem höher, da manche Eltern sich über das talentierte Kind einen sozialen Aufstieg für die ganze Familie erhoffen (ähnlich wie TT in China, zumindest früher). Das ist zwar für die meisten Kids auch nicht gut vom Druck her, ist aber so. Und genau hier sind auch viele Familien mit Zuwanderungsgeschichte bereit, mehr in Kauf zu nehmen, um hohe Trainingskapazitäten und viel Wettkämpfe zu ermöglichen, auch ggf. zu Lasten der Schule. Teilweise fahren die Kids schon mit dem ÖPNV quer durch die Stadt zugunsten von Förderstrukturen. Gerade wenn es um die Frage Schule und Trainingsumfang geht, ist für die meisten einheimischen Eltern und Eltern mit der Prio Bildung TT dann doch nur (ambitioniertes) Hobby und geht nur in hohen Umfängen, wenn die Schule nicht leidet. Schulen mit integriertem Training und Internate können hier eine Lösung sein, ist aber auch nicht für alle was, und kostet ...

Wenn die nächsten Förderschritte im FuBa anstehen, ist es auch ganz normal, in Nachwuchsleistungszentren in anderen benachbarten Städten unterzukommen und dort mehrmals wöchentlich zu trainieren. Die NLZ haben eine ganze Infrastruktur darum aufgebaut. Es gibt 9-Sitzer-Kleinbusse, die z.B. für Wehen Wiesbaden einen Bus voll Kids an einer S-Bahn-Station am Rand von Frankfurt abholen und dorthin nach dem Training wieder zurück bringen. Die Eltern müssen dann erst dort wieder abholen. Hier geht es wirklich im "Kampf" um die besten Kids um Talent, Wille und Leistungsbereitschaft. Von den Eltern wird erwartet, die Kinder abzugeben und das zu ermöglichen. Den Rest organisiert das NLZ. D.h. hier ist es nicht zwangsläufig die Frage der Geldbörse und der Arbeitszeit der Eltern. Der Anteil mit Zuwanderungsgeschichte ist explizit hoch. Solche Zustände sind im TT nicht denkbar, da kann man höchstens von jemanden privat gefördert und mitgenommen zu werden.

Und gleichzeitig wird auch einfach noch mehr auf der Straße und den Schulhöfen gekickt. Auch wenn hier TT auch gut aufgestellt ist mit Steinplatten auf praktisch jedem Schulhof. Welche andere Sportart kann das schon von sich behaupten?

D.h. es braucht Identifikationsfiguren bei den Trainer*innen mit eigener Zuwanderungsgeschichte und eine höhere Durchlässigkeit und Fehlerfreundlichkeit in TT-fremden Eigenschaften.

D.h. es braucht eine Haltungsänderung bei den Verantwortlichen, heterogeneren Milieus eine Wohlfühlatmosphäre zu ermöglichen, statt eher Seinesgleichen im bildungsbürgerlichen Sinn zu fördern.

D.h. es bräuchte unterschiedliche Werbung und Ansprache, die auf unterschiedliche Zielgruppen, insbesondere auch Kinder mit Zuwanderungsgeschichte, abzielt.

D.h. jede Maßnahme, TT einen Coolen Anstrich für die Außenwahrnehmung zu geben, hilft. Ich finde, hier ist schon einiges passiert. Es passiert mir nur noch sehr selten im Vergleich zu früher, dass ich auf Leute treffe, die TT als Sport nicht ernst nehmen. Das Image hat sich schon stark verbessert!

D.h. es bräuchte logistische Unterstützung, um auch talentierten Kindern von berufstätigen Eltern, Alleinerziehenden, Familien ohne Auto, ... die Teilnahme zu ermöglichen.

D.h. es bräuchte Förderstrukturen, die nicht nur mit privater Finanzierungsbeteiligung funktionieren.

Das sehe ich leider gerade als nicht realistisch an.

Man könnte soziologisch noch tiefer einsteigen und die soziale Teilhabe am Tischtennissport mit den "Kaptalsorten" nach Pierre Bourdieu betrachten (Milieuforschung).

- Ökonomisches Kapital (z.B. finanzielle Ausstattung der Familien, Beiträge)
- Kulturelles Kapital (z.B. Bildungsstatus, Zugang Bildung, Elternhaus, in welchen Kreisen verkehrt wer)
- Soziales Kapital (z.B. Netzwerke, Gruppenzugehörigkeit)
- symbolisches Kapital (Titel, Ansehen, aber auch Äußerlichkeiten wie Hautfarbe, TT-Markenfetisch usw.)

Unter solchen und anderen Gesichtspunkten würde noch mal deutlicher, warum Kinder aus Familien mit Zuwanderungsgeschichte auf viele unterschiedliche Art und Weisen benachteiligt sind und einen schlechteren Zugang zu Förderstrukturen haben (auch oft ungewollt).

Es wäre sehr sinnvoll, wenn Verbände auch mal unter solchen Gesichtspunkten ihre Fördersysteme reflektieren. Man könnte viel gewinnen, wenn man dadurch tatsächlich die talentiertesten und leistungsbereitesten Kinder für unseren Sport gewinnen könnte - und nicht durch diverse (teils ungewollte) Kriterien und Rahmenbedingungen ausschließt.

Der "Killer" ist dann, wenn kommodifiziert wird und "deutsche" Zuschreibungen als Status Quo gesetzt sind. Der Übergang zu rechtspopulistischer Ausgrenzung ist fließend.

Umso mehr Respekt für die Kinder und deren Eltern, die trotz erschwerten Ausgangsvoraussetzungen den Sprung in die Fördersysteme geschaffen (Kinder von hochklassigen Spieler*innen und aus TT-Familien denke ich hier mal nicht mit).

Der Nachwuchstrainer fährt jedes Wochenende mit den Kids 200-300 km durch die Pampa und kriegt noch nicht einmal einen Fahrtkostenzuschuss vom Verein - weil wäre der Vereinsbeitrag kostendecked wären die Kinder aus Geringverdiener-Haushalten ja auch draußen..aus welcher sozialen Schicht kommt dann wohl der Vereinstrainer, der noch nicht einmal fürs Training eine Aufwandsentschädigung erhält..weil Dorfclub und so..

Auch ist es so, wer engangiert sich denn normalerweise ehrenamtlich in einem Verein? Das ist eben eher die Mittelschicht und halt nicht die oberen 10.000 (außer als Mäzene) oder die alleinerziehende Bürgergeldempfängerin...

Mit dem ÖPNV einfache Strecke zum Stützpunkt sind es locker >2h einfacher Weg. Du kannst auch von einem Vereinsverantwortlichen - der eh nur Gotteslohn erhält - nicht erwarten ein fremdes Kind, da mehrmals die Woche auf eigene Kosten hinzufahren.

Bei uns im Bezirk machen noch zwei Vereine überhaupt Jugendarbeit, du bist ja froh, dass du überhaupt noch jemanden findest, der überhaupt freiwillig Jugendtraining macht...

Und die gleichen "Experten", die hier für Inklusion werben, sagen einem dann der Mitgliedsbeitrag muss bei >100 Euro liegen - dann kann man ja auch einen Trainer bezahlen..da freut sich die alleinerziehende Bürgergeldempfängerin sicher, weil da sind noch keine Beläge gekauft, kein Lehrgang bezahlt, ist noch zu keinem Tunier gefahren usw...

Geändert von HansWurst123 (29.08.2024 um 15:11 Uhr)
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  #217  
Alt 29.08.2024, 14:28
Benutzerbild von masl83
masl83 masl83 ist offline
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AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Er hat nicht gefordert, er hat sehr sachlich die Lage geschildert...
Und ich denke da ist sehr sehr viel Wahres drin.
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  #218  
Alt 29.08.2024, 14:37
HansWurst123 HansWurst123 ist offline
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Zitat:
Zitat von masl83 Beitrag anzeigen
Er hat nicht gefordert, er hat sehr sachlich die Lage geschildert...
Und ich denke da ist sehr sehr viel Wahres drin.
Es ist unterm Strich einfach ab einem gewissen Level eine Geldfrage..mit 100 Euro pro Jahr kommst du in einem Randsport eben nicht weit.

Aktuelles Beispiel, dieses Wochenende Finale des Sommerteam Cups in Saarbrücken, bis um 8.30 Uhr muss bei der Turnierleitung vor Ort gemeldet sein

Es fahren sicher alle mit dem ÖPNV hin und übernachten in der Jugendherberge. Wäre im Regelsatz sogar mit drinnen, da Mehrbedarf für Alleinerziehende. Machen werden es sicher nur wenige.

Beim Fußball damals in der Jugend gab es auch den Adidas Cup immer ein paar hunderte Km entfernt- da fuhren halt ein paar Mittelschichts-Eltern mit um den eigenen Kindern zuzuschauen und haben den Rest dann mitgenommen

Geändert von HansWurst123 (29.08.2024 um 14:53 Uhr)
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  #219  
Alt 29.08.2024, 14:58
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AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Beim Lesen der letzten Beiträge stelle ich mir die Frage was das Endziel der ganzen Bestrebungen für die Kinder wäre.
Bei aller Liebe zum Tischtennis: Wenn die Zahlen stimmen die mal hier kursierten und
Timo Boll als populärster deutscher Spieler nur geringfügig 6-stellig im Jahr verdient, dann wären sehr viele andere Karrierewege für 99% der Leute sinnvoller.

Es ist sicher auch einfacher sein Leben mit einer vernünftigen Arbeit zu bestreiten und Tischtennis als Hobby zu nutzen und nicht so verkrampft auf einen sportlichen Titel und Erfolge zu pochen, welches dann noch nicht einmal gut bezahlt wird.

Da würde ich das beim Fußball ja noch verstehen, da dort die Gehälter deutlich höher sind.

Ich würde meinem Kind vielleicht Tischtennis als Hobby nahebringen, aber auf keinen Fall suggerieren, dass dies eine valide Karriere-Option ist.

Nur weil man sich mehr Nachwuchs im Sport wünscht, sollte man nicht unterschätzen, dass Tischtennis nun wirklich nicht "die eine Karte" ist, auf die man alles setzen sollte.
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  #220  
Alt 29.08.2024, 16:52
Ara Ara ist offline
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Ara kommt allgemein ganz gut an (Renommeepunkte mindestens +60)
AW: Haben Nachwuchsspieler mit Migrationshintergrund in Deutschland Nachteile (Förderung, Anerkennu

Zitat:
Zitat von v1rtu4l Beitrag anzeigen
Nur weil man sich mehr Nachwuchs im Sport wünscht, sollte man nicht unterschätzen, dass Tischtennis nun wirklich nicht "die eine Karte" ist, auf die man alles setzen sollte.
Nicht nur ein Grund warum weniger eine Profi-Karriere anstreben, sondern auch warum die Nachwuchstalente nicht so stark werden wie sie vielleicht könnten. Die Schule hat heute einen größeren Stellenwert als früher, die meisten wollen (bzw sollen) nebenher noch Abitur machen, das verträgt sich mit Leistungssport eben nur so mittelprächtig.
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