Wie kann ein Holz "spinnig" sein?!

[Kyuss]

Tiefenbacher hat schön öfters auch in der "Tischtennis" veröffentlicht, immer schön sowas , aber wissenschaftliche Fakten kommen wohl nicht gegen Internetmythen und Werbeprosa an.

[Deva]

Zitat von Haureinis Tango

Ein schneller Ball mit Topspin bewegt sich schneller relativ zur Tischoberfläche als ein langsamer Ball mit identischem Topspin. Beim langsamen Ball ist daher die Relativgeschwindigkeit der sich berührenden Oberflächen höher als beim schnell fliegenden Ball mit dem identischen Spin. Es entsteht dadurch eine höhere Wechselwirkung mit der Tischplatte. Der Ball drückt sich praktisch stärker am Auftreffpunkt ab und beschleunigt nach dem Auftreffen, weil Rotationsenergie in Translation umgewandelt wird.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtig verstehe (da leider Physiklaie): Weil der langsame Ball weniger Vorwärtsimpuls hat als der schnelle, schlägt er stärker auf der Tischplatte auf als der schnelle, was dazu führt, dass mehr Rotation in Translation umgewandelt wird (als beim Auftreffen eines schnellen Balls mit identischem Topspin), so dass der langsame Ball (trotz gleicher Rotation wie der schnelle), nach dem Auftreffen auf der Tischplatte stärker beschleunigt als der schnelle?

[Haureinis Tango]

Betrachte es mal aus der Sicht des Topspin-Balles bzw. stelle dir vor, du fliegst mit ihm mit. Dann sieht es für dich so aus, als würde die Tischplatte sich unter dir nach hinten bewegen. Diese "Bewegung" der Tischplatte ist langsamer bei langsamer Fluggeschwindigkeit und schneller bei schneller Fluggschwindigkeit. Klar. Gleichzeitig dreht sich beim Topspin auch die Unterseite des Balles nach hinten. Beim Aufkommen des Balles berühren sich dann die Oberfläche des Balles und die Oberfläche des Tisches. Je mehr sich die Geschwindigkeit des Tisches und die Geschwindigkeit der Balloberfläche bei ihrer Bewegung nach hinten angleichen, umso weniger Wechselwirkung (z.B. Reibung) entsteht am Berührpunkt. Besonders groß ist diese Wechselwirkung im Grenzfall wenn die Tischplatte die Geschwindigkeit Null hat, also man den rotierenden Ball einfach senkrecht auf eine Tischplatte fallen lässt. Dann ist die Wechselwirkung besonders hoch und der Ball springt deutlich nach vorne weg. Der Ball stößt sich praktisch ab und wandelt einen Teil seiner Rotationsenergie in Vorwärtsbewegung (Translation) um.

Beispiel Luftfahrt. Passagiermaschinen bringen vor der Landung ihre Reifen auf die gleiche Geschwindigkeit wie die Landepiste, sonst würden die Reifen durch Reibung zu heiß und platzen.

Steigert man die Fluggeschwindigkeit immer weiter bewegt sich irgendwann der Tisch schneller nach hinten, als die Unterseite des Balles. Dann bekommt man ebenfalls wieder eine Relativgeschwindigkeit zwischen beiden Berührungsflächen und somit wieder zunehmende Reibungskräfte beim Aufkommen. Ab diesem Geschwindigkeitsniveau aufwärts kriegt der Ball beim Aufkommen quasi zusätzlichen Topspin vom Tisch mitgegeben, aber dafür wird seine Fluggeschwindigkeit wieder etwas abgebremst.

[Deva]

Vielen Dank für deine Ausführungen! Ich glaube, jetzt habe ich es verstanden. Wirklich sehr interessant!

[jcd]

@Haureinis:
Relative Koordinatensysteme einfach und verständlich erklärt

[ttarc]

Zitat von Haureinis Tango

@ttarc
Bildet das Modell von T. denn die Realität überhaupt gut genug ab für weitreichende Aussagen? Das Schlägerblatt hat dort anscheinend vor und nach dem Ballkontakt immer den gleichen Winkel. In der Realität macht man beim Topspin aber noch zusätzlich eine umwickelnde Bewegung.
Der Kontaktpunkt zwischen Ball und Schläger beschreibt quasi selbst noch eine gekrümmte Bewegung ("Banana").

Ich bin bei der umwickelnden Bewegung bzw. deren Auswirkungen skeptisch (kenne die Diskussion aber auch nur zum Teil).

Ma Long macht's im Training nicht https://www.youtube.com/watch?v=Ed4yO-otvNs
Hier https://youtu.be/BZ9nKEFSib8?t=259 würde es im Normaltempo vielleicht so aussehen als ob Mizutani das macht (normales Video https://youtu.be/Tq1_EyIkaOw?t=248)
Hier gibt's Xu Xin https://youtu.be/hepM9KBOnRU?t=447 einmal auf Tempo gezogen (108,68 km/h) und danach auf Spin (176,65 Umdrehungen pro Sekunde oder 10599 pro Minute, ab 8:09 im Video, Zeitlupe ab 8:17). Absolut keine Umwicklung.

[Haureinis Tango]

Erstmal vielen Dank für die wunderschönen Studien mit den enthaltenen Zeitlupen. Lohnt sich nochmal in Ruhe zu genießen.

Man muß sich glaube ich nochmal vergegenwärtigen, um welche Kontaktzeiten es hier geht. Eine übliche Kontaktzeit von rund 1 ms ist selbst in den Superzeitlupen noch nicht fein genug aufgelöst. Wenn man es mit einer minimal Umhüllenden schafft die Kontaktzeit auch nur auf 2 ms auszudehnen, wäre das schon gleich eine gefühlte Verdoppelung der Kontaktzeit - aber immer noch ein Wimpernschlag, der in den Videos kaum erkennbar wird. Vorausgesetzt an den unzähligen Aussagen von Spielern ist etwas dran, daß die Ballkontaktzeit bei unterschiedlichen Schlägern für sie unterscheidbar sein soll.

Extremsportler am obersten Ende der Skala repräsentieren auch nicht die durchchschnittliche Schlagtechnik von uns Normalsterblichen. Es ist in den meisten gefilmten Schlägen zusätzlich zum Spin eine orthogonale Komponente (kurz Tempo) enthalten, von der die meisten hier nur träumen können. Wenn aber das Tempo sehr viel kleiner ist und ein Spieler sich bemüht seine ganze Schlagenergie tangential - sprich als Spin - in den Ball zu bringen, hat er zumindest bessere Chancen die kurze Phase des Kletterns des Balles im Belag noch mit einer "Umwicklung" zu beeinflussen. Ein sehr weich und mit weniger Tempo angerissener Ball könnte dafür bereits mehr Zeit geben als schon ein Schlagspin (der wohl am ehesten dem vereinfachten Modell von T. entspricht) oder gar ein Extremschlag mit gleichzeitig extremen Spin und Tempo chinesischer Bauart.

Ein abschließende Meinung habe ich mangels seriösen Quellmaterials allerdings auch nicht.

[vossi39]

Ein nicht geringes Problem bei der Thematik Kontaktzeit ist doch, dass sie vom Spielenden nur indirekt über Vibrationen am Schläger wahrgenommen werden kann.
Wenn man sich die verschiedenen Holzaufbauten anschaut und das dann noch mit der Varianz an Schwammstärke, Schwammhärte und der Varianz im Obergummi (griffig, klebrig, elastischer, fester etc) multipliziert entsteht einfach keine Norm für das was Du mit der Hand wahrnehmen kannst.
Zumal dann die Sensorik des Spielenden (wie empfindlich reagiert er/sie auf Vibrationen etc) auch nicht einheitlich ist.
Da ist einfach viel, viel (zuviel) Gefühltes und wenig Messbares (und damit Vergleichbares).

[Haureinis Tango]

Klar, es gibt die objektive Kontaktzeit (wann berührt der Ball erstmalig das Gummi und wann löst er sich wieder vom Gummi). Die ist nüchtern meßbar.

Und es gibt eine subjektive Kontaktzeit, grob das, was ein individueller menschlicher Organismus für eine Kontaktzeit hält.

Wenn es zu den objektiven Kontaktzeiten in den typischsten realen Schlagsituationen schon kein leicht zugängliches Datenmaterial gibt, muß man sich in den größeren Erstaunlichkeiten der menschlichen Reizleitung, Kognition und Antizipation noch nicht verheddern. Ob Schockwellen, die sich ab der ersten Ballberührung im Holz, den Knochen oder gar den angespannten Muskelsträngen schneller ausbreiten und im Gehirn ankommen, als die Nervenimpulse von den Fingern? Spielt der akustische Reiz für die Zeiterfassung eine Rolle, weil er möglicherweise vom Hörnerv schneller das Gehirn erreicht, als von der Hand? - Ups, verheddert

[ttarc]

Zitat von Haureinis Tango

Erstmal vielen Dank für die wunderschönen Studien mit den enthaltenen Zeitlupen. Lohnt sich nochmal in Ruhe zu genießen.

Vor allem wenn man danach das Original anschaut und sieht wie schnell diese Bewegungen tatsächlich sind... Perfekte Körperbeherrschung.

Eine passende Zeitlupe habe ich noch: Timo Boll https://youtu.be/dL68m34--ng?t=140

Extremsportler am obersten Ende der Skala repräsentieren auch nicht die durchschnittliche Schlagtechnik von uns Normalsterblichen.

Definitiv nicht, aber sie zeigen eine sehr gut optimierte und effiziente Schlagtechnik.
Dann kann man sich überlegen was einfacher (zu erlernen) ist: Eine Schlagbewegung mit Fokus auf möglichst hohem Schlägertempo mit konstantem Schlägerwinkel im Treffpunkt oder eine Schlagbewegung bei der zusätzlich noch im richtigen Moment der Schlägerwinkel kontinuierlich angepasst werden muss.
Anders gefragt: Warum führen die Profis selbst im Training die Schläge nicht so aus oder Xu Xin in einer Laborsituation wo es um maximalen Spin geht?