Politik - der Thread für politisch Interessierte (ab Dezember 2021)

[Glücksball]

Zitat von mithardemb

Das mit den Gegenstimmen liegt wohl hauptsächlich an der politischen Ausrichtung. Würdest du ernsthaft Gegenstimmen erwarten, wenn der Fall umgedreht wäre und man der AfD das vorgeworfen hätte.

Dafür habe ich keine Anhaltspunkte. Ich halte es durchaus für möglich, dass einige der Richter den Absolutheitsanspruch der Neutralität nicht so akzeptiert haben.

Zitat von mithardemb

Natürlich ist niemand neutral und von einem Politiker erwarte ich auch nicht ernsthaft dass er das nicht ist. Da wäre auch widersinnig. Wenn man aber ein politisches Amt wie das des Bundeskanzlers bekleidet, dann sind Äußerungen gegenüber der Presse keine private Meinung mehr.

Und da erwartest Du Perfektion? Dass jemand der zu 100% in der Öffentlichkeit steht, nicht auch mal die nicht-neutrale Meinung äußert? Egal, ich finde, wir haben uns an der Tangente genug abgearbeitet.

Zitat von mithardemb

Alles klar. Ich dachte du würdest das mit dem Filibuster auch so sehen wie er. Dann braucht es natürlich auch keine Begründung von Ringostar wegen einer Parallele.

Ich hatte es doch als Schande für die US-Demokratie bezeichnet und auch (mit anderen Worten) als in D nicht übliches Mittel.

[Glücksball]

Zitat von mithardemb

Im Gegensatz zur EU gibt es in Thüringen das Vorschlagsrecht für die anderen Fraktionen. Nur das Recht für den ersten Vorschlag hat die stärkste Fraktion. Bisher hat sich in Thüringen offenbar niemand daran gestört, dass die stärkste Fraktion dieses Recht hat.

Was ja auch überhaupt kein Problem wäre, wenn der Alterspräsident nach dem durchgefallenen Kandidaten auch Kandidaten anderer Fraktionen zulassen würde.

[mithardemb]

Zitat von Glücksball

Dafür habe ich keine Anhaltspunkte. Ich halte es durchaus für möglich, dass einige der Richter den Absolutheitsanspruch der Neutralität nicht so akzeptiert haben.

Du merkst schon selbst, dass du dich verrannt hat oder?

Zitat von Glücksball

Und da erwartest Du Perfektion? Dass jemand der zu 100% in der Öffentlichkeit steht, nicht auch mal die nicht-neutrale Meinung äußert? Egal, ich finde, wir haben uns an der Tangente genug abgearbeitet.

Mit einem Amt kommt eben eine gewisse Verantwortung, ansonsten kann man auch Trumps Aufruf zum Sturm aufs Capitol als Privatmeinung abtun.

Zitat von Glücksball

Ich hatte es doch als Schande für die US-Demokratie bezeichnet und auch (mit anderen Worten) als in D nicht übliches Mittel.

Es ist in Deutschland noch nicht mal ein vorkommendes Mittel. Insofern verstehe ich nicht, was du eigentlich aussagen willst.

[es.ef]

Zitat von Allsquared

Ich kann die Vorgänge in Thüringen juristisch nicht bewerten, interessant finde ich aber schon die Berichterstattung. Während alle deutschen Medien so schreiben, als hätte die AfD gerade versucht, die Demokratie abzuschaffen, bewertet die NZZ die Situation völlig anders:

https://www.nzz.ch/meinung/streit-mi...-an-ld.1850225
Die vier anderen Fraktionen taten alles, um die AfD um ihre Rechte zu bringen, sie sogar zum Rechtsbruch zu verleiten – und inszenierten sich obendrein noch als die Hüter der Demokratie.
[...]
Die um 12 Uhr eröffnete Sitzung wurde das erste Mal um 12 Uhr 12 unterbrochen, das zweite Mal um 12 Uhr 28 – und immer so weiter, bis sie nach 16 Uhr ergebnislos endete. Der Alterspräsident des neuen Landtags, Jürgen Treutler (AfD), hatte sich bis dahin streng nach Lehrbuch verhalten, kam allerdings nicht weit. Man erlaubte ihm zunächst, eine Rede zu beginnen, die er jedoch aufgrund von Störmanövern der CDU lange nicht beenden konnte.
[...]
Weit nach 14 Uhr hatte man den ersten Tagesordnungspunkt «Eröffnung durch den Alterspräsidenten» noch immer nicht beendet. Treutler wurde daran gehindert, seine Eröffnungsrede zu beenden, insbesondere durch ständige Zwischenrufe und Respektlosigkeiten vonseiten der CDU. Die Fraktion, die sich als besonders demokratisch feiert, beachtete keine demokratischen Gepflogenheiten.

Sie verlangte zudem, dass sofort die Beschlussfähigkeit festgestellt werde, und kündigte an, dies zu erzwingen. Das war ohnehin als Punkt drei der Tagesordnung vorgesehen. «Als Alterspräsident bin ich verpflichtet, die geltenden Rechtsnormen strikt zu achten», sagte Treutler. Zuerst müssten Schriftführer benannt werden. Von der Reihenfolge könne nicht abgewichen werden.
[...]
Tatsächlich verhielt sich Treutler korrekt, während die CDU in beispielloser Weise Obstruktion betrieb. Dabei hätte sie es recht einfach haben können.

Richtig interessant wäre es nämlich erst bei den Tagesordnungspunkten vier und fünf geworden, zu denen man nun nicht mehr kam. Punkt vier war nachträglich eingefügt worden mit dem Ziel, der AfD das Vorschlagsrecht für das Amt des Landtagspräsidenten zu nehmen, und hatte eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung zum Gegenstand. Punkt fünf sah dann die Wahl des Landtagspräsidenten vor, den nach der neuen Geschäftsordnung nun eine Mehrheit der Abgeordneten ohne AfD-Vorschlag wählen sollte.
[...]

Wenn die Berichterstattung der NZZ korrekt ist, dann war die Änderung der Geschäftsordnung sowieso als Tagesordnungspunkt 4 vorgesehen (bereits vor der Wahl genau deswegen von den anderen Parteien eingefügt), es wäre sowieso möglich gewesen, einen anderen als einen AfD-Landtagspräsidenten zu wählen, und das ganze Schauspiel wurde nur inszeniert, um die AfD medial schlecht aussehen zu lassen.

Da würde ich vlt. mal einen Verfassungsrechtler fragen:

https://www.mdr.de/nachrichten/thuer...tzung-100.html

Nun, es stehen sich eigentlich zwei unterschiedliche Rechtsauffassungen gegenüber. Die AfD ist der Auffassung, dass die Geschäftsordnung des alten Landtages weiter gilt. Und sie vertritt die Auffassung, dass, bevor ein Landtagspräsident gewählt werden kann, zunächst einmal darüber befunden werden muss. Sie sagt also: Der Landtagspräsident kann erst gewählt werden, wenn der Landtag sich konstituiert hat.
...
Die Auffassung der anderen Fraktionen geht dahin, dass es das Selbstverwaltungsrecht des Parlamentes ist, sich jederzeit selbst verwalten zu können, selbst organisieren zu können. Und das schließt auch das Recht ein, Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung einzubringen, über die heute nicht abgestimmt werden durfte.
...
Noch ganz kurz, ja oder nein? Hat der Alterspräsident der AfD seine Kompetenzen heute überschritten?
Eindeutig ja. Er hat eine lediglich protokollarische Funktion, aber nicht die Rechte des eigentlichen Parlamentspräsidenten.
...

Ich denke, wir werden heute Klarheit darüber bekommen. Am Ende ist es nur noch peinlich und wir bei den Politikverdrossenen nicht zum Demokratieverständnis beitragen.

[mithardemb]

Zitat von Glücksball

Was ja auch überhaupt kein Problem wäre, wenn der Alterspräsident nach dem durchgefallenen Kandidaten auch Kandidaten anderer Fraktionen zulassen würde.

Was konkret hat Treutler denn zu diesem Thema gesagt?

[mithardemb]

Zitat von es.ef

Am Ende ist es nur noch peinlich und wir bei den Politikverdrossenen nicht zum Demokratieverständnis beitragen.

Das sehe ich auch so. Ich frage mich, wie häufig es schon in der konstituierenden Sitzung von Bundes- und Länderparlamenten seit bestehen der BRD versucht wurde, die Geschäftsordnung in letzter Sekunden vor der Abstimmung über die Ämter noch kurzfristig zu ändern.

[JanMove]

Zitat von Glücksball

Natürlich ist das Kasperletheater mit Opferpose der AfD. Aber ich sehe nicht, dass es nach dem zweiten Wahlgang einen kleineren Eklat gegeben hätte. Der Alterspräsident hat doch klar gemacht, dass er keine anderen Kandidaten zulassen wird.

Also meinem Verständnis nach haben doch die anderen Parteien und insbesondere die CDU das Kasperltheater veranstaltet. Laut Thüringer Verfassung gilt die bisherige Geschäftsordnung bis eine neue in Kraft tritt. Eine neue Geschäftsordnung kann aber erst beschlossen werden, wenn sich der Landtag konstituiert hat. Dies ist der Fall nach der Wahl des Landtagspräsidenten. Die Geschäftsordnung kann also eigentlich nicht wie von den anderen Parteien gewünscht vorher abgeändert werden.
Bin mir aber ziemlich sicher, dass das Verfassungsgericht anders entscheiden wird und dem Eilantrag stattgeben wird. Es wird halt alles zurechtgebogen wie man es braucht. Ich bin ja sicherlich kein Freund der AfD, aber zum einen sollte man sich schon an die bisherigen Gepflogenheiten in den Parlamenten halten und zum anderen wird dieser Vorgang der AfD bei der Bundestagswahl eher noch helfen Stimmen einzufangen. Wieso bringt es eigentlich niemand fertig, sich mit der AfD argumentativ auseinanderzusetzen anstatt diese ganzen Scharmützel zu fabrizieren, die die AfD tatsächlich in eine Opferrolle bringen.

[mithardemb]

Kasperltheater ist das richtige Wort. Nachdem es schon seit längerem absehbar war, dass die AfD die stärkste Fraktion wird, hätte man schon vorher versuchen können die Geschäftsordnung entsprechend anzupassen.

Nachdem man das verpasst hat stellt sich auch die Frage, weshalb man nicht einfach den Kandidaten der AfD durch Abstimmung durchfallen lässt.

[jimih1981]

Dazu müsste man zunächst Mal akzeptieren dass die AfD eine legitime demokratisch gewählte Partei ist und nicht eine politische Feindbekämpfung durchführen und dafür den Verfassungsschutz instrumentalisieren und alle anderen möglichen Dinge um die AfD auszugrenzen. Übrigens die Art und Weise wie der Verfassungsschutz der Weisungsgebunden ist missbraucht wird das gibt es so in keinem anderen demokratischen Land der Welt. Vorallem verbietet sich eine politische Positionierung des Verfassungsschutzes wie es Herr Haldenwang ständig tut denn seine Aufgabe ist es lediglich die Verfassung zu schützen und eine Einflussnahme durch den Verfassungsschutz in das politische Tagessgeschäft verbietet sich eigentlich. Vorallem die Aussagen von Herrn Haldenwang bezüglich der nichstrafbaren Rahmen lassen Zweifel aufkommen dass er überhaupt für sein Amt geeignet ist. Wenn man sich dann noch den in Thüringen betrachtet der eben auch nur ein Parteisoldat ist dann weiß man schon was hier das grundsätzliche Problem ist.

Die Strategie ist bisher gescheitert und sie wird weiter scheitern. Statt die eigene Politik anzupassen und aus dem Wahlergebnissen zu lernen, wollen sie soweiterwursteln wie bisher was wieder zu schlechten Wahlergebnissen führen wird, bis es auch der letzte begriffen hat das ein Großteil der Leute eine andere Politik will. Ich befürchte nur das es dann für das Land schon viel zu spät ist.

[Cousin Eddie]

Zitat von mithardemb

Nachdem man das verpasst hat stellt sich auch die Frage, weshalb man nicht einfach den Kandidaten der AfD durch Abstimmung durchfallen lässt.

Ich meine in dem Zusammenhang irgendwo gelesen zu haben, dass genau das noch zu Zeiten der Ramelow-Minderheitsregierung versucht wurde - und an der CDU gescheitert ist