Tischtennis komplett kaputt reguliert während der letzten 20 Jahre

[KevKev]

Mal aus der Sicht eines Spielers, der "erst" seit rund 10 Jahren dabei ist:

Ich kann mir absolut nicht vorstellen, zwei Gewinnsätze bis 21 zu spielen. Oder vor jedem Meisterschaftsspiel in einen extra angelegten Raum zu gehen, um mit Chemikalien zu hantieren, die mir einen Wettbewerbsvorteil verschaffen - bzw. einen Nachteil ausgleichen, den ich hätte, wenn ich es nicht tun würde. Oder gegen Material zu spielen, welches dem logisch-rationalen Denken durch gnadenlose Unvorhersehbarkeit jeglichen Wind aus den Segeln nimmt. Oder KEIN Timeout zu haben (ist das echt neu???). Oder es einfach hinzunehmen, wenn mein Gegner den Aufschlag verdeckt und mir effektiv die Chance auf einen guten Rückschlag verwehrt. Oder oder oder...

Warum ich das so negativ formuliere? Weil ich es anders gewohnt bin - genau wie viele von euch es "vor meiner Zeit" wiederum anders gewohnt waren, als ich. Der Mensch ist eben doch ein Gewohnheitstier - wir Einzelsportler mit unseren abergläubigen Marrotten wohl noch mehr - und daher ist es doch ganz normal, dass man vor Veränderungen grundsätzlich erstmal in die Schutzhaltung geht. Geht mir in vielen Lebenslagen erstmal ähnlich.

Die Umstellung von Zelluloid auf Plastik hab ich beispielsweise auch miterlebt, und ich fand den Plastikball zu Beginn schrecklich - weil: anders. Mittlerweile ist es wieder so normal, dass sich eigentlich fast niemand mehr darüber beschwert. Und genau so war es doch mit allem: Irgendwas ist am Anfang "neu" und wird abgelehnt, bis es dann mit der Zeit - irgendwann später - "schon immer so war" und doch bitte so bleiben möge.


Lasst mich zum Abschluss frech andeuten: Aus Sicht der Heutigen ist heute alles besser - aus Sicht der Früheren jedoch...

[Matousek]

@KevKev
Es wird weiterhin ein Schläger benötigt um das umsichdrehende Runde übers Netz zu bringen. Bin jetzt seit 40 Jahren dabei, als Spieler, Vereinsverantwortlicher, Funktionär auf Bezirksebene, bin immer noch fasziniert. Lasse jetzt zwar nur noch spielen, hat aber andere Gründe als die Neuerungen. Nervlich ist Corona u. die damit verbundenen Schwierigkeiten.

[Sportfreund]

Zitat von KevKev

Oder vor jedem Meisterschaftsspiel in einen extra angelegten Raum zu gehen...

Das mit dem extra angelegten Raum war auch eine Änderung. Zu Beginn durftest du überall kleben. In der Regel in der Umkleide, in der du dich auch umgezogen hast.

[chris6]

Ich ärgere mich zwar immer mal wieder über ein paar Dinge, aber das nimmt mir nicht den Spaß am Tischtennis an sich, vor allem mit meinen Vereinskameraden!

[SpinDevil]

Zitat von Sportfreund

Das mit dem extra angelegten Raum war auch eine Änderung. Zu Beginn durftest du überall kleben. In der Regel in der Umkleide, in der du dich auch umgezogen hast.

Zum Teil wurde in den Hallen geklebt. Das Frischklebeverbot war imo der richtige Schritt.

[Quizard]

Ich spiele jetzt 40 Jahren Tischtennis und habe viele Regeländerungen mitgemacht. Hier mal eine kleine Zusammenfassung:

1. Umstieg von 38mm Zelluloid auf 40mm Plastik: relativ egal. Das Spiel ist dadurch schneller und weniger spinnig geworden. Das Problem ist, dass die Bälle sehr unterschiedlich sind und dadurch der Heimvorteil extrem gestiegen ist.

2. Umstellungen von 21 Punkte auf 11 Punkte: völlig egal

3. Frischklebeverbot: absolut positiv. Was eine sinnlose Zeitverschwendung vor jedem Training und auch wirklich gesundheitsschädlich.

4. Kein Verdecken bei den Aufschlägen: absolut positive Idee, leider nicht richtig kontrollierbar. Das sollte man noch weiter verfolgen (z.B. du darfst nur frontal zum Tisch stehen, oder so etwas in der Art; dann kann man es auch kontrollieren).

5. Timeout: völlig egal

6. Fünfter Satz bis 6 ohne 2 Unterschied (in der CL): Blödsinn

7. Entscheidungsspiel in der CL (jeder Spieler spielt einen Satz): Blödsinn

8. Spielen mit mehreren Bällen (wie in der TTBL): völlig egal

Habe ich was vergessen?

Trotzdem haben alle Regeländerungen nicht dazu geführt, dass Tischtennis interessanter wird und auch mal im Fernsehen kommt. Deshalb muss man sich unbedingt überlegen, wie man es schafft, längere Ballwechsel zu generieren. Auch eine Shot-Clock sollte eingeführt werden (die Pausen in der TTBL zwischen den Ballwechseln sind wirklich unerträglich; da haben die Deutsche Meisterschaften U15 deutlich mehr Spaß gemacht).

Da fällt mir noch ein
9. Umstellung auf 4er Mannschaften: besch... (aber das habe ich, glaube ich, schon oft genug gesagt).

[Power-Seven]

Zitat von Quizard

Habe ich was vergessen?

Neue Belag-Farben.

Ich nehme mal an, du hättest die nicht unbedingt gebraucht, würdest diese Änderung aber sachlich für dich und dein Spiel als "egal" einstufen?

Zitat von KevKev

Irgendwas ist am Anfang "neu" und wird abgelehnt, bis es dann mit der Zeit - irgendwann später - "schon immer so war" und doch bitte so bleiben möge.

So läuft es aktuell mit den Belägen.

Einer Vielzahl von Spielern, denen das "klassische" Rot/Schwarz gereicht hätte und die "den Blödsinn nicht auch noch wollten", musste man allerdings erstmal erklären, dass Rot/Schwarz mitnichten so klassisch und die Farbpalette bis in die 80er Jahre breiter war.

Die "Progressiven" von heute üben den Schulterschluss mit den "Vorgestrigen" - die einen finden es neu und geil, und die anderen freuen sich, dass was aus früheren Tagen zurück kommt - und die nächste Generation kennt es nicht anders.

Übrigens, als die Farben damals aus dem Spiel verschwanden, fand ich das zwar schade, aber es gab gute Gründe dafür. Manchmal liegt ja tatsächlich auch sowas einer Regeländerung zugrunde.

[Der springende Punkt]

@Quizard:
Wenn du seit 40 Jahren spielst, hast du noch viel vergessen. Ohne lange nachzudenken fällt mir ein:
Einführung verschiedenfarbiger Beläge
Einführung schwarz-roter Beläge
Einführung schwarz-bunter Beläge
Einführung des 3. Doppels bei Sechser-Mannschaften
Abschaffung des Flugballs ("angenommen")
Einführung des 40 mm Zelluloidballs
Einführung des Durchspielens bei Vierermannschaften

Da gibt es bestimmt noch etliche weitere Änderungen solchen Kalibers.

[Neuanfang]

Fünf Dekaden an Veränderungen sind an mir selbst nahezu spurlos vorübergegangen.
Nur das viele Bücken nach den Bällen fällt etwas schwerer.

[Rudi Endres]

Reden wir von Änderungen, denn nicht alle Änderungen waren Regeländerungen der ITTF. Dann könnte man in Deutschland den TTR-Wert hinzuzählen. Er verhindert, dass Platzhirsche junge Spieler mit abstrusen Argumenten ausbremsen, zerstört aber u.U. gewachsene Strukturen. Ach ja, die Coaching-Regel. Davon hatte man sich eine Emotionalisierung des Sports versprochen. Schuss in den Ofen.

Schaut man sich die Mitgliederentwicklung an, hatten alle bisher genannten Änderungen kaum Einfluss. Der Rückgang verläuft gleichmäßig, auch unabhängig von Erfolgen oder Misserfolgen.

Rechnet man den demographischen Wandel heraus, bleibt trotzdem ein gefährlicher Abwärtstrend. Wir werden in der Liste der Sportarten nach unten durchgereicht. Es gibt sicherlich nicht den EINEN Grund. Aber der Laie akzeptiert die kurzen Ballwechsel nicht. Ehrlich gesagt, selbst ich schaue mir lieber Click-Ball an. Doch die kurzen Ballwechsel sind eine heilige Kuh. Erst wenn auch die WTT scheitern sollte, wird man sich vielleicht Gedanken machen. Ich glaube nicht daran, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.