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Stammtisch Hier könnt Ihr über "Gott und die Welt", Politik, Fernsehen, Bücher, Musik und alles was Euch sonst interessiert diskutieren. Plaudern in lockerer Atmosphäre ;-)

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  #21  
Alt 27.02.2003, 17:46
Benutzerbild von Fozzi
Fozzi Fozzi ist offline
Wir schaffen das!
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Registriert seit: 11.12.2001
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Fozzi kommt allgemein ganz gut an (Renommeepunkte mindestens +60)
Zitat:
Original geschrieben von difu
wie beziehe ich aber in diese überlegungen das leben des kindes ein? ist es mehr wert als die menschenwürde? weniger? diese frage ist es ja, die den vorliegenden fall einzigartig macht, denke ich.
Das Problem dabei ist doch, dass es jemanden geben müßte, der eine Entscheidung trifft, in welchen Fällen es welche Einschränkung der Menschenwürde geben darf. So nach dem Motto: Um so mehr Zweck, um so mehr sind die Mittel geheiligt?!

Wer sollte dieser "Inquisor" aber sein, der zwischen Gut und Böse entscheidet?

Ich denke, dass man eventuell mit der Höhe des Strafmaßes spielen kann um somit den Kandidaten ein wenig unter Druck zu setzen. Aber Folter? Weiß nett.....
__________________
Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.
Bertrand Russell
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  #22  
Alt 27.02.2003, 21:56
Benutzerbild von difu
difu difu ist offline
Nicht-Frischkleber
Foren-Stammgast 2000
 
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difu ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
ja sicher, aber wenns einfach wäre, gäbe es ja keine diskussionen.
__________________
Wenn andre klüger sind als wir, das macht uns selten nur Plaisir,
doch die Gewissheit, dass sie dümmer, erfreut fast immer.

Gedanken sind nicht stets parat,
man schreibt auch, wenn man keine hat.

(Wilhelm Busch)
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  #23  
Alt 02.03.2003, 13:27
The Saw The Saw ist offline
TT-Verrückter
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The Saw ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
Als jemand, der schon berufsmäßig mit mutmaßlichen Straftätern zu tun hat, ist alleine schon die Idee zu foltern einfach nur daneben.

Es war in der Geschichte der Rechtssprechung einer der wichtigsten Fortschritte die "hochnotpeinliche Befragung" abzuschaffen (man denke an den "Hexenhammer").

Auch wenn unsere heutige Gesellschaft sicher weitaus mehr Niveau hat als im Mittelalter, aber die Gefahr von Justizirrtümern wie z. B. auch bei der Todesstrafe ist einfach zu hoch und ich finde persönlich die Folter auch schlicht und ergreifend unmoralisch.

Ich wünsche es niemanden, obwohl ich die Arbeit unserer Strafverfolger schätze und anerkenne, der subjektiven Meinung Einzelner, auch wenn diese anscheinend logisch begründet wird, ausgesetzt zu werden.

Und ich kann aus eigener Erfahrung heraus sagen, dass es tatsächlich immer wieder Zufälle gibt, die man kaum glauben mag. Nichts ist so wie es scheint!

Staaten die zum Mittel der Folter greifen, warum auch immer, werden nicht ohne Grund geächtet.

Daher haben wir ja in unserem Staat keine Vorverurteilung, sondern die Taten müssen bewiesen werden und eines der wichtigsten Rechte für Beschuldigte ist dass ZU SCHWEIGEN
__________________
Man muß seinen Gegner nicht nur schlagen, sondern demütigen...

The Saw
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  #24  
Alt 02.04.2003, 14:33
Cogito Cogito ist offline
steht wie ein Fels
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Registriert seit: 02.03.2000
Alter: 74
Beiträge: 4.333
Cogito kommt allgemein ganz gut an (Renommeepunkte mindestens +60)
Fall 1

Es ist mein Kind => ohne mit der Wimper zu zucken, hätte ich in diesem speziellen Fall (er war es; ich glaube sogar nach eigener Aussage) bis hin zur Zerstücklung (das meine ich auch genauso !) alles versucht.

Fall 2

Ich bin Organ des Staates. Jetzt wird es sehr sehr schwierig. Zwar war der Fall glasklar, doch wenn man einmal damit anfängt, warum dann nicht auch in anderen Fällen. Warum nicht auch beim Rauschgifthandel, dessen Folgen auch ganz konkret viele Leben kosten ? Da weiß die Polizei oft ganz genau, wer die Bosse sind, kann aber nichts nachweisen. Schnell etabliert sich eine Polizei, die nach Gutdünken schon mal hier und da nachhhelfen darf.

Es reicht mir schon, wieviele gewalttätige Übergriffe es durch Polizisten gibt - besonders im Rahmen der Nachbehandlung von Demonstranten - , die nie geahndet werden. Ich glaube pro Jahr sind es ca. 1000 Vorfälle, die angezeigt werden, ungefähr 50 die zur Verhandlung kommen bei höchstens 1-2 Verurteilungen. Da diese Verhältnisse durchaus bekannt sind, dürfte die Dunkelziffer noch wesentlich höher liegen. Gut, daß ich noch nie davon betroffen war.

Zurück zum obigen Fall: auch als Polizist hätte ich hier Gewalt angedroht und dann natürlich auch angewendet, aber eben genauso wie Herr Daschner es getan hat: mit sofortiger Selbstanzeige und Willens die Konsequenzen zu tragen.

Letzteres scheint mir das wirklich wichtige Kriterium zu sein: es muß weiterhin strafbar sein zu foltern und wer es dennoch tut, muß dafür bestraft werden. Es ist ganz klar, daß mir die Strafe bei meinem eigenen Kind völlig egal ist. Ist mir die Sache als Strafverfolger ebenfalls wichtiger als mein Beruf, den ich dann nie mehr ausüben kann, als die Strafe, die ich abbüßen muß, dann ist die Angelegenheit für mich auch in Ordnung, denn dann wird es nie eine routinemäßig folternde Polizei geben.
__________________
Immer schön eklig spielen !
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  #25  
Alt 11.04.2003, 05:30
CSWOB CSWOB ist offline
Gelegenheitsschreiber
erfahrenes Forenmitglied
 
Registriert seit: 13.11.2001
Ort: Wolfsburg
Alter: 48
Beiträge: 297
CSWOB ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
HILFE

Gut-gäh-en Morgen,

ich bin noch nicht so wirklich fit, hat gestern die Verhandlung begonnen?
Ich glaube, ich habe heute morgen gehört, sein Geständnis wird nicht anerkannt, weil er unter "Folter" gestanden hat.

Habe ich da etwas nicht mitbekommen?
Ich dachte er hätte schon vorher gestanden, und Hr. Daschner hätte danach erst mit körperlicher Gewalt gedroht, um den Ort herauszufinden.

Kann mir da mal jemand helfen?
Ich war der Meinung das es auch wie genannt im Stern stand.

EDIT:
Ok, ich habe es gerade nochmal gehört.
Sein Anwalt hat nagekündigt, das er vor Gericht ein Geständnis ablegen wird, weil die bisherigen Geständnisse bei der Polizei unter Folter abgegeben wurden.
Also einfach ein Versuch die Strafe herunter zu setzen.
__________________
Die Majorität der Dummen ist unüberwindbar und für alle Zeiten gesichert.
Der Schrecken ihrer Tyrannei ist indessen gemildert durch Mangel an Konsequenz.
Albert Einstein

Geändert von CSWOB (11.04.2003 um 05:33 Uhr)
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  #26  
Alt 11.04.2003, 08:39
Flachschupfer Flachschupfer ist offline
Chancenvernichter
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Flachschupfer wurde negativ bewertet und hat seinen Bonus aufgebraucht (Renommeepunkte im Bereich 0)
Mich interessiert was anderes (Juristen an die Front): In unserer Tageszeitung stand, laut des Vorsitzenden Richters sei die Geständnis-Erpressung "zwar verfassungswidrig, begründe aber kein absolutes Verfahrenshindernis".
Was könne denn dann ein "absolutes Verfahrenshindernis" begründen - wenn schon nicht Verfassungswidrigkeit ??
:confused:
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  #27  
Alt 11.04.2003, 11:32
Sascha Eichmann Sascha Eichmann ist offline
Reformwahngegner
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Sascha Eichmann ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
Der Prozess steht ja noch auf anderen Füßen; deshalb ist das ungültige Geständnis kein absolutes Verfahrenshindernis. Wäre das Geständnis hingegen der einzige Beweis der Staatsanwaltschaft, stellte dies ein absolutes Verfahrenshindernis dar.
__________________
Gänzlich frei von Signaturen...
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  #28  
Alt 14.04.2003, 20:09
MagicBackhand MagicBackhand ist offline
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MagicBackhand ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
Man muß grundsätzlich zwischen repressiven und präventiven Handeln der Polizei unterscheiden. Handelt sie repressiv, so wird sie als Strafverfolgungsorgan tätig, handelt sie präventiv, so wird die Polizei als Ordnungsbehörde tätig, um eine Gefahr zu verhindern. Auch dies geht unter bestimmten Voraussetzungen. Beides ist streng voneinander zu trennen und unterliegt ganz anderen gesetzlichen Konzeptionen.

Im repressiven ( strafrechtlichen ) Bereich ist eine Folter m. E. ganz und gar ausgeschlossen. Um einen Verdächtigen zu überführen darf ein Geständnis oder eine anderweitige belastende Aussage nicht herausgefoltert werden. Das Schweigerecht eines Verdächtigen im Rahmen der Strafverfolgung genießt Verfassungsrang ( " nemo tenetur se ipsum accusare" ) und darf nicht unterwandert werden. Außerdem verstieße eine Folter gegen § 136a StPO. Deswegen wurde auch das erpreßte Geständnis um Fall Metzler folgerichtig und absolut zu Recht vom Strafgericht für unverwertbar erklärt.

Im präverntiven ( ordnungsrechtlichen ) Bereich kann sich die Lage anders darstellen. Hier geht es nicht um die Verfolgung eines Täters, sondern nur darum, ob eine Gefahr für die öfentliche Sicherheit abzuwenden ist. Hier ist die Polizei nicht den Regeln der StPO unterworfen, sondern "nur" den Vorschriften des Polizeigesetzes und - natürlich - der Verfassung. Das verfassungsmäßige Schweigerecht des Verdächtigen schützt ihn hier schonmal nicht, da im ordnungsrechtlichen Bereich der "Täter" ( juristisch korrekt müßte man ihn "Störer" nennen ) nicht der STrafverfolgung unterworfen ist. ( Hier würde auch nicht das Strafgericht über die Rechtmäßigkeit der Folter zu entscheiden haben, sondern das Verwaltungsgericht. ) Das Polizeigesetz eines jeden Bundeslands hat eine sog. "Generalklausel", die alle Handlungsweisen der Polizei deckt, welche nicht von vornherein durch eine Spezialermächtigung abgedeckt wird. Also auch die Folter. Im Rahmen dieser Generalermächtigung hat der Polizeibeamte - wohlgemerkt im präventiven Bereich - die Pflicht, sein Eremssen auszuüben und u. a. zu prüfen, ob die Folter "verhältnismäßig" ist, wie die juristen sagen. Er muß die NAchteile, die dem Betroffenen entstehen ( dem Gefolterten ) gegen die Vorteile, die der Öffentlichkeit entstehen, abwägen. Hier kommt dann das Grundrecht des "Täters" aus Art. 2 GG ( körperliche Unversehrtheit ) und ARt 1 GG ( Menshcenwürde ) ins Spiel. Diese Grundrechte sind prinzipiel unbeschräkt, dürfen also nicht verletzt werden. Genauso hat aber jeder andere Mensch dasselbe Recht auf körperliche Unversehrtheit, wie der "Täter", was der Staat zu schützen verpflichtet ist. Deswegen muß der Polizist im ordnungsrechtlichen Bereich eine Abwägung dieser sich entgegenstehenden Grundrechte vornehmen. Und da kann es sein, daß er zu dem Ergebnis kommt, daß das Recht vieler auf Leben das Recht des einzelnen auf körperliche Unversehrtheit überwiegt ( etwa bei dem Beispiel mit der Atombombe in einer Großstadt und nur einer kennt den Code etc. ). So wurde dies auch einst ( ich meine 1997. 1998 oder 1999 ) in einem Aufsatz in der JZ ( Juristen Zeitung ) von einem Mannheimer Staatsrechtsprof. gesehen. Und ich meine, diese Sicht ist vertratbar.

Das führt dann zu dem zugegebenermaßen merkwürdigen Ergebnis, daß das Herausfoltern des Codes für die besagte Atombombe im Strafprozeß nicht verwertbar wäre, weil hier gegen die dem Verdächtigen von Verfassungswegen her zustehenden Rechte verstoßen worden wäre. Das Strafgericht müßte dies ignorieren und wenn keine anderen Beweismittel als die herausgefolterte Einlassung des Angeschuldigten vorlägen, dann zu einem Freispruch kommen. Im Verwaltungsrechtsprozeß könnte das VG aber zu dem Ergebnis kommen, daß die Folterung in präventiver ( = ordnungsrechtlicher ) Hinsicht nicht zu beanstanden war.

Im Fall Metzler war es richtig, daß erpreßte Geständnis im Hauptverfahren vor dem STrafgericht für unverwertbar zu erklären. Ob es in präverntiver Hinsicht ebenso verboten gewesen wäre, den "Täter" zu foltern, um das Kind zu retten ( das steht dann im Vordergrund, nicht die Überführung des "Täters" ), will ich, ohne den genauen Sachstand zu kennen, nicht abschließend bewerten. Dafür ist die Frage zu wichtig. Wie ich die Presse anber verstehe, dürfte man hier auch nicht dazu kommen, eine Folter fpr rechtens zu halten, da keine Anzeichen für eine akute Lebensgefahr vorlagen. Das Kind hätte genausogut eingesperrt irgendwo in relativer Sicherheit sein können. ICh verfolge den Fall aber nicht wirklich, so daß meine Informationsdecke hier extrem dünn ist.

Hier überschneiden sich halt Straf- und Ordnungsrecht. Das muß man aber in einer Diskussion darüber trennen, sonst kommt man m. E. nicht weiter.
__________________
Gazelle 2.0
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  #29  
Alt 14.04.2003, 20:53
Flachschupfer Flachschupfer ist offline
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@ MagicBackhand

Aber in dem Moment, wo ein solches Geständnis erpresst würde, wären doch schon Rechte des Verdächtigen eingeschränkt. M.W. muss sich doch niemand selber belasten - das gilt doch schon für die Ermittlungen, oder ? - so dass Du ganz schnell wieder im Strafrecht wärst. Schliesslich muss der Staat die Straftat nachweisen, und nicht der Verdächtige/Beschuldigte/Angeklagte seine Unschuld. IMO könnte eine solche "Öffnung" für Folter jede Verteidigungsstrategie ad absurdum führen.

Ich lasse mich aber gerne weiter belehren.
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  #30  
Alt 14.04.2003, 22:22
MagicBackhand MagicBackhand ist offline
Herr des ruhenden Balls
Foren-Stammgast 500
 
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MagicBackhand ist zur Zeit noch ein unbeschriebenes Blatt (Renommeepunkte ungefähr beim Startwert +20)
@ Flachschupfer

MAn muß präventives ( Gefahrenabwehr für die öffentliche Sicherheit ) und repressives ( Strafverfolgung ) Handeln trennen. Das Erpressen einer Information durch die Polizei kann sowohl repressiver als auch präventiver Natur sein. Die jeweilige Intention des Beamten zählt, das äußer Erscheinungsbild ist unerheblich. Und was präverntiv rechtmäßig ist, muß repressiv noch lange nicht zulässig sein. Zur Abwehr einer drohenden Gefahr ist die Polizei auch befugt, in eine Wohnung einzuddringen. Einen Durchsuchungsbefehl braucht sie dafür bei ordnungsrechtlichem Handeln nicht. Im Rahmen eines ordnungsrechtlich gerechtfertigten Eindringens in eine Wohnung darf aber dann fgrundsätzlich keine Durchsuchung im Sinne der StPO durchgeführt werden. Vorgefundene Gegenstände unterlägen dann einem Beweisverwertungsverbot, ebenso wie ein erpreßtes Geständnis ( wobei die rechtlichen Anforderungen an eine Durchsuchung sehr viel geringer sind als bei Verhören - in der Praxis kann die Polizei ( zumindest gewisse Dienstgrade ) auch ohne richterlichen Beschluß durchsuchen - dies zu erörtern würde aber zu weit führen ).

Ordnungsrechtlich ist weit mehr erlaubt als strafrechtlich, weil der Gedanke des Ordnungsrechts die Verhinderung von Schaden ist. Im STrafrecht will man dem Verdächtigen auf die Pelle rücken, weswegen er eine Reihe von Abwehrrechten hat, um die Fairness zu wahren.

Insoweit hast Du natürlich Recht: DAs Herausfoltern eines Geständnisses verstößt gegen das Schweigerecht bzw. das Recht, sich nicht selbst belasten zu müssen. Im Strafverfahren ( auch Ermittlungsverfahren ) darf sowas nicht passieren. Davon zu trennen ist aber das ordnungsrechtliche ( nicht strafrechtliche ) Verfahren zur Gefahrabwehr. Hier gelten die in meinem obigen Beitrag dargestellten Grundsätze. Es wäre ja geradezu absurd, wenn die Polizei selbst bei akutester Lebensgefahr nicht zu Gunsten des Opfers einschreiten dürfte, weil sie die einschlägige Information auf unrechtmäßige Weise erlangt hat. Diese Erkenntnisse dürften aber, wenn sie tatsächlich auf einem Rechtsbruch beruhten, im Strafverfahren nicht berücksichtigt werden. Aus diesem Grund kann es zu dem Ergebnis kommen, daß zwar aufgrund der im ordnungsrechtlichen Verfahren auf illegale Weise gewonnenen ERkenntnisse ein Mensch gerettet werden konnte, diese ERkenntisse aber aufgrund der wesentlich strengeren Regeln im Strafverfahren nicht verwertet werden könnten mit der Folge, daß der "Täter" dort freizusprechen wäre. Mutet komisch an, ist aber so. Das ist der Preis, den wir für den Rechtsstaat zahlen. Der Schnitt zwischen Ordnungs- und Strafrecht ist ein sehr Komplizierter, der auch Juristen nicht immer leicht fällt.

Noch ein Beispiel, um das ganze abzurunden: Mal weg von der Folter, dieses Thema ist sehr emotional.

Fall: Der Verdächtige hat eine Bombe in einer U-Bahnstation deponiert. Er wird deswegen verhaftet, die Bombe allerdings nicht gefunden. Ohne Zeit zu verlieren beginnen die Polizisten sofort mit der Vernehmung des Beschuldigten.

Der Rechtsverstoß liegt hier darin, daß der Verdächtige vor seiner ersten Vernehmung als Beschuldigter über seine Rechte aufzuklären ist ( vor allem: Verteidigerkonsultation ). Geschieht dies nicht, so wird seine gesamte Einlassung im Strafverfahren unverwertbar ( wenn der Anwalt dies rügt und unter anderen im einzelnen hier nicht relevanten Voraussetzungen ). Wenn keine anderen Beweismittel da sind, müßte das Verfahren notfalls eingestellt werden, weil die Tat im Prozeß ( und nur darauf kommt es an ) nicht nachweisbar wäre. Es käme zum Freispruch. Soweit die strafrechtliche Seite. Ordnungsrechtlich stellt sich die Sache aber so dar, daß die Polizei natürlich sofort mit der sog. "Gefahrerforschung" beginnen kann und den "Täter" ( müßte ordnungsrechtlich eigentlich "Störer" genannt werden ) befragen darf, wo seine Bombe liegt. Wenn er dies preisgibt, so erfolgt selbstverständlich eine Entschärfung.

Das ordnungsrechtliche und strafrechtliche Vorgehen deckt sich hier beinahe völlig. Die strengeren Anforderungen des strafrechtlichen Vorgehens ergeben sich aus der Stellung des "Täters" als Beschuldigter. Im ordnungsrechtlichen Sinne ist er eben nur "Störer" und nicht "Beschuldigter". Das ordnungsrechtliche Verfahren erfolgt zu Gunsten der Allgemeinheit, das strafrechtliche Verfahren richtet sich gegen den Beschuldigten. Man muß halt auseinanderhalten, daß es um zwei völlig verschiedene Paar Schuhe geht.
__________________
Gazelle 2.0
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