Politik - der Thread für politisch Interessierte (bis Dezember 2021)

[crycorner]

Deine Abneigung gegen Grün ist fast schon pathologisch.

Zitat von Noppenzar

Hartz4
Strompreis massiv erhöht
Steuern für Kapitalgesellschaften massiv gesenkt
Erster Auslandseinsatz der BW

Nehmen wir doch mal diese 4 Punkte, die Du aufgeführt hast.
Vorweg: Die Grünen waren nicht alleine an der Regierung und die SPD war der stärkere Partner.
Und: Die CDU/CSU hat einen riesigen Reformstau hinterlassen.

Hartz4: Die Regierung sah sich konfrontiert mit einer mächtig schlechten Arbeitsmarktsituation. Hohe Arbeitslosenquote, hohe Sockelarbeitslosigkeit, mit steigender Tendenz. In der Retrospekive wird Hartz IV Makroökonomisch als voller Erfolg betrachtet. Natürlich gibt es auch zahlreiche Härtefälle, aber der Zustand vor der Reform war für die Arbeitslosen deutlich zu bequem.

Strompreise massiv erhöht: Inwiefern? Was ist "massiv" für Dich? 2,05 ct/kWh? Also etwa 7-8% des Arbeitspreises (Grundpreis anteilig gar nicht mitgerechnet)? Und was wurde mit den Einnahmen über die Stromsteuer gemacht? Richtig: 90% davon gingen in die Rentenkasse. Der Beitragssatz zur Rentenkasse wurde so von 20,3% auf 18,9% gesenkt. Eine arbeitsfördernde Maßnahme.

Steuern für Kapitalgesellschaften massiv gesenkt: Stimmt. War das jetzt aber gut oder schlecht? Mit damals 25% lagen wir in Deutschland auch ordentlich hoch im Vergleich zu unseren Nachbarn. Gerade bei Konzernstrukturen hat das dazu geführt, dass die Verluste nach Deutschland bilanziert wurden und die Gewinne in einem anderen Land versteuert wurden. Generell hat die Steuersenkung die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen gefördert. War also eine Maßnahme, die den Arbeitsmarkt in Schwung brachte und den Standort Deutschland attraktiver machte. Ist das jetzt eine typisch grüne Vorgehensweise?

Erster Auslandseinsatz der BW: Schon weit vor diesem ersten Einsatz waren bereits CDU, FDP und seit 1992 auch SPD bereits dafür, im Rahmen eines UN-Mandates Auslandseinsätze mitzumachen. Die Grünen haben sich mit Eintritt in die Regierungskoalition dann schlussendlich auch dafür ausgesprochen. Ein großes, realpolitisches Zugeständnis für diese Partei zu dieser Zeit. Da das unter CDU und FDP aber nicht anders gelaufen wäre, war es einfach ein Zufall, dass das innerhalb der SPD/Grüne- Regierung zum ersten Mal geschehen ist.

Fazit: Ein paar Schlagwörter in den Raum stellen reicht nicht, um eine Partei pauschal zu diskreditieren. Und die Grünen haben damals bereits bewiesen, dass sie über ihren Schatten springen und realpolitische Regierungsverantwortung übernehmen können. Mit einer großen Portion Mut im Vergleich zu der CDU- Regierung unter Kohl beispielsweise. Und vielleicht nun auch im Vergleich zur Merkel-Regierung. Wer weiß?

[Noppenzar]

Na ja, die Hartz Reformen haben im Endeffekt nur für den Osten Wirkung gezeigt. Die Frage ist doch, ob eine Gesellschaft bereit ist sich etwas mehr Arbeitslosigkeit "zu leisten", wenn sie dafür die Lohnspirale nach unten verhindert.

Im Grunde war Deutschland nicht "krank", man hatte nur das Problem, dass der Aufbau Ost soviel Schulden gekostet hatte, dass die damals hohen Zinsen den Haushalt extrem belasteten.

Zur KöSt:

Ob 32% wie heute oder 42% damals (inkl. Gewerbesteuer), das sehe ich nicht als entscheidend für den Standort. Ich denke, dass damals wie heute dadurch nicht ein Arbeitsplatz mehr geschaffen wurde. Lediglich die Renditen stiegen. Die Reform hat nur Großunternehmen gedient die Steuerlast zu senken. Mittlere und kleinere Firmen schütten über die Jahre viel höhere Quoten aus und die werden dann sowieso anders besteuert. Dazu gab es damals schon die Steueroase Irland wo jeder halbwegs große Mittelständler schon in den 90ern eine Dependance hatte.

Und schaut man mal im Nachgang auf die Arbeitslosenstatistik, dann sind die Zahlen damals und heute kaum vergleichbar. Mittlerweile ist da soviel rausgerechnet, dass eigentlich eine erheblich höhere Zahl vorliegen würde.

Und richtig, es waren SPD und Grüne, aber der ganze Mist wurde vom Wähler auf die SPD abgeladen. Auch weil die SPD seit 1998 in 17 von 21 Jahren mit an der Regierung ist.
Die Grünen haben schon so lange keine Regierungsverantwortung mehr, dass sich schon gar keiner mehr an den Mist erinnert, den sie verzapft haben.

Bremen, NRW, Berlin, da waren sie aber jahrelang am Ruder und haben die Länder kontinuierlich abgewirtschaftet. In BaWü funktioniert es nur, weil Kretschmann sich im Grunde völlig gegen die Parteilinie stellt und Realpolitik macht.

Zu Kohl:

Unter Kohl war im Grunde in Westdeutschland (!) das meiste in Ordnung. Vielen Menschen ging es sehr sehr gut. DiecKaufkraft war hoch, relativ wenig Arbeitslose. In Problemvierteln mit Konjunkturwandel hat man die Leute mit Frühverrentung, Arbeitslosengeld/-hilfe über Jahre aufgefangen. Die Rente war auch höher.

Die Frage ist jetzt, ob der Rot-Grüne Weg richtig war oder ob man das auch hätte anders lösen können.

Richtig ist aber auch, dass sich CDU und FDP auch in den letzten 20 Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert haben. Die Tendenz geht da eindeutig in die falsche Richtung.

[Armendariz]

Realpolitik wäre heute, sich den realen Herausforderungen des Klimawandels, der Globalisierung und der Digitalisierung mit energischen, notfalls radikalen Maßnahmen zu stellen. In diesem Sinne erhoffe ich mir auch mal Realpolitik von anderen Parteien als den Grünen.

[mithardemb]

Zitat von Armendariz

Realpolitik wäre heute, sich den realen Herausforderungen des Klimawandels, der Globalisierung und der Digitalisierung mit energischen, notfalls radikalen Maßnahmen zu stellen.

Das alleinige bedienen eines Themas ist eher das Gegenteil von Realpolitik. Radikale Maßnahmen bei der Klimapolitik würden real sehr schnell dazu führen, dass die Leute unzufrieden sind. Man kann das gerade bei den Gelbwesten in Schweden erkennen.

Klimapolitik ist gut und schön, aber wenn einem das Geld ausgeht oder alternativ der Job flöten geht, dann sinkt sie in den Prioritäten.

[crycorner]

Puh, echt schwierig, da ständig gegen anzureden. Alleine die Aussage, unter Kohl wäre die Arbeitslosenquote gut gewesen... Und unter Hartz IV würden Arbeitslose verschleiert werden. Das Gegenteil ist richtig. Unter Kohl stieg die Arbeitslosenquote mächtig nach oben. Und ein Vorteil von Hartz IV war, diese verstecken Arbeitslosen offen zu legen. Dadurch haben in der Hartz IV Betrachtung auch erstmal einen Sprung nach oben. Durch die allgemeine Wirtschaftslage und auch durch die wirtschaftspolitischen Entscheidungen ist die Quote aber in den letzten Jahren mächtig gesunken. Aufgrund von Entscheidungen, die Rot/Grün getroffen haben.

[mithardemb]

Zitat von crycorner

Durch die allgemeine Wirtschaftslage und auch durch die wirtschaftspolitischen Entscheidungen ist die Quote aber in den letzten Jahren mächtig gesunken. Aufgrund von Entscheidungen, die Rot/Grün getroffen haben.

Das stimmt. Dafür wurden wir ja auch fast weltweit gelobt. Allerdings möchte sich die SPD davon am liebsten distanzieren.

Das war eine radikale Maßnahme die das Ruder herum gerissen hat und trotzdem ist es das große Trauma der SPD. Vielleicht macht das besser begreiflich, warum Parteien Angst vor solchen Maßnahmen haben.

[crycorner]

Die Grünen ja auch. Wenn sie einen besseren Vorschlag ausarbeiten: prima. Wenn sie Hartz IV einfach rückabwickeln wollen, wäre das verzweifelt populistischen Wahlkampf.

[mithardemb]

Natürlich haben die Grünen das damals mit entschlossen. Aber zugerechnet wird es heute eben hauptsächlich der SPD. Umgekehrt hat die SPD das Problem, dass sie kaum für die sozialen Errungenschaften während der großen Koalition gewürdigt wird.

[crycorner]

Ich meinte: Die Grünen wollen Hartz IV auch wieder einkassieren. Großes Thema für Habeck (Harbeck?).

[Abwehrtitan]

Zitat von vossi39

Man hat die Jugend unterschätzt

Nicht völlig falsch, aber "die Jugend", das sind auch die, wenn sie morgen mal keinen Bock haben, oder feiern müssen, die dann einfach nicht zur Wahl, wahlweise zur Arbeit, wahlweise dorthin wo es weh tut, gehen. Klar, sie müssen die zukünftige Welt bestimmen, keine Frage, das lief schon immer so, und klar, wir Älteren sind wohl mit vielem was sie gerne möchten nicht einverstanden. Darauf wird wie eh und je sicher keine Rücksicht genommen. Sollen sie, dann müssen sie endlich Verantwortung übernehmen, wenn man Papa nicht mehr rufen kann, tief im Wald, sieht die Welt plötzlich ganz anders aus. Bisher hat Papa ihnen gekauft was sie brauchten, einst müssen sie selbst dafür sorgen, davor habe ich Angst. Mit Namen tanzen und grünen Wunschvorstellungen kommste nicht weit. Da stehen die Räder schneller still als man piep sagen kann. Das smartphone beantwortet zwar Fragen, was es nicht tut ist ARBEITEN. Auch egal, das müssen eben die robots tun. Ich werde das nicht mehr erleben, mir graut auch vor einer Welt wo feiern und gambeln höher bewertet wird als .... ich hör auf, es würgt mich im Hals ....