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#41
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
Der Anfang des TT-Sport in China laesst sich nicht mehr mit vollkommener Gewissheit rekonstruieren - was kaum ueberraschen duerfte. Die allgemein Akzeptierte Fassung besagt, dass TT Anfang 20. JH durch einen Mann names Wang Daoping eingefuehrte wurde. Der Chef eines Schreibwaren-Geschaefts in Schanghai hatte TT bei seiner Reise in Japan kennen gelernt und importierte 1904 zehn Saetze TT-Geraeten aus Japan fuer sein Geschaeft. Um die Geraete zu verkaufen, demonstrierte er das Spiel vor Kunden und Schaulustigen.
1916 errichtete die CVJM (im Englischen bekannt als YMCA) in Schanghai einen Tischtennis-Raum mit 9 Tischen. Spaeter breitete sich der Sport in anderen Grossstaedten wie Peking und Kanton (Guangzhou) aus. 1927 besuchte eine Delegation chinesischer TT-Spieler Japan, im selben Jahr wurde TT als Demonstrations-Disziplin bei den 8. Fernost-Spielen in Schanghai aufgenommen. Bis zu den fuenfzigern Jahren blieb Schanghai das Zentrum des chinesischen Tischtennis. Daneben war auch Kanton (im Westen wurden frueher sowohl die Provinz Guangdong als auch deren Haupstadt Guangzhou "Kanton" genannt) sehr stark, u. a. dank Einflusses aus Hongkong, wo Tischtennis sehr populaer war. Rong Guotuans Wechsel von Hongkong nach Kanton und sein WM-Sieg fuehrte spaeter natuerlich dazu, dass Guangdong bis heute ein Hochburg fuer chinesischen Tischtennis geblieben ist (die prominentesten Vertreter heute: Ma Lin, Liu Guozheng, Zhang Chao). Die Mannschaft von Schanghai verlor seit den Achtzigern jedoch immer mehr an (Gesamt-)Niveau, weil der Lebensstandard dort fuehrend in China ist, und die Eltern ihre Kinder statt einer Profi-Sportler-Karriere lieber studieren lassen. Doch dank seiner fruehren Glorie dominiert noch heute Vertreter als Schanghai die Funktionaersebene im chinesischen TT-Verband. Nun, nach einer jahrzehntlange Durststrecke, in der das Schanghaier Tischtennis-Flagge quasi von Wang Liqin allein hochgehalten wurde, scheint mit den Senkrechtsstartern Xu Xin und Yao Yan (s. meine Berichte ueber die diesjaehrige WM-Vorbereitung hier im Forum sowie im neusten tischtennis-Heft) eine Wiederbelebung zu beginnen. Auch die Geschichte der chinesischen TT-Industrie begann natuerlich in Schanghai: In 1927 produzierte die Chinesische Zelluloid-Fabrik in Schanghai (spaeter Chinesische Tischtennis-Fabrik) den ersten chinesischen TT-Ball. 1937 wurde dort die TT-Ball Marke "Double Circuit" geboren, die dann von Tischtennis-Verband Schanghai offiziell als Spielball genehmigt wurde. 1946 gruendete eine Familie in Schanghai einen Konkurrenzbetrieb namens Hualian Tischtennis-Fabrik, die 1949 in Schanghai Tischtennis-Fabrik umbenannt wurde. 1957 wurde dort der erste nahtlose TT-Ball in China produziert. (Nichtsdestrotz sind TT-Baelle mit Nahtschlitz, die wesentlich billiger sind, noch bis Anfang Neunziger unter chinesischen Hobby-Spielern weit verbreitet.) Nach Rong Guotuans WM-Sieg 1959 wurde die darauf folgenden WM an Peking vergeben. In Vorbereitung darauf beschloss die politische Fuehrung, einen chinesische TT-Ball-Serie zu praesentieren, die den internationalen Qualitaetsstandard entspricht. Mehrere Unternehmen und Forschungsinstitutionen unter der Fuehrung von Schanghai TT-Fabrik forschten drei Monate lang fieberhaft, um diese Aufgabe noch rechtzeitig zum 10-jahrigen Staatsjubilaeum (Gruendungsdatum der Volksrepublik China: 1. Oktober 1949) zu erledigen. Der Ministerpraesident Zhou Enlai gab der neuen Ball-Serie den Namen "Double Happiness" - mit den "zwei Froehlichkeiten" sollten Rong Guotuans WM-Sieg und das 10-jaehrige Staatsjubilaeum geehrt werden. 1960 wurde die Double-Happiness-Baelle von ITTF als internationalen Spielball anerkannt. Gleichzeitig begann die Schanghai Schlaeger-Fabrik, TT-Schlaeger der gleichen Marke zu produzieren. 1995 fusionierte die Schanghai Tischtennis-Fabrik, Schanghai Schlaeger-Fabrik und Erste Schanghai Sportgeraet-Fabrik zu Schanghai Doube Happiness Sportgeraet-Generalfabrik. Im gleichen Jahr gruendete diese zusammen mit Hong Kong Crown City Co. Ltd. die "Shanghai Double Happiness Crown City Sporting Goods Co. Ltd.". 2000 wurde das Konzern "Double Happiness Sports Corporation" (DHS) gegruendet, die u. a. eine Tochterfirma fuer Sport-Yacht (ja, wirklich) eroefnete. Heute ist Tischtennis zwar immer noch die prominenteste Produktsparte von DHS, doch wirtschaftlich gesehen ist sie natuerlich voellig unbedeutend im Vergleich zu der Sparte Luxus-Yacht... Geändert von henrypijames (16.05.2007 um 09:16 Uhr) |
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#42
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Sehr interessant. Dankeschön.
Daß die Anfänge zurück bis auf den Beginn des 20. Jahrhunderts gehen, hätte ich nicht gedacht. In Japan fiel der Startschuss dann ja augenscheinlich noch früher. - Die von dort nach Shanghai importierten ersten Schläger dürften wohl jenen ´langstieligen Kellen´, wie man sie von alten Photos aus der Endphase des Victorianischen Zeitalters in England kennt, ähneln; von späteren Penholder-Modellen noch etwas entfernt. Fernost-Spiele also bereits seit 1919 - und TT im Jahre 1927 zum ersten Mal als Demonstrations-Disziplin dabei. Ab wann gab's dann bei dieser Veranstaltung die ersten richtigen Wettkämpfe ? Und wann die ersten Landes- oder Provinz-Meisterschaften mit ausschließlich chinesischer Beteiligung ? (Womöglich fing auch alles mit einer Art ´Shanghai Open´ an...? ) Geändert von Rieslingrübe (16.05.2007 um 07:31 Uhr) |
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#43
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
Zitat:
http://en.wikipedia.org/wiki/Far_Eas...pionship_Games Die Beschreibung "Demo-Disziplin" war vielleicht nicht ganz zutreffend. Es war ein Show-Wettkampf zwischen Japan und China. Geändert von henrypijames (16.05.2007 um 09:03 Uhr) |
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#44
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
Wo Ihr gerade so in der Geschichte kramt....
Ich habe irgendwo mal gelesen, daß die Entdeckung des Tischtennis in nobleren Kreisen mit rund geschnitzten Sekt- Korken und Zigarren- Schachtel- Deckeln gemacht wurde. Ist das nur ein Gerücht? Wenn ich den blöden Artikel nur wieder finden könnte. Als Ursprung wurde England und Ende 1800 genannt, wenn ich mich da nach über 20 Jahren annähernd richtig erinnere. Irgendwie paßt das dann aber zu dem Spielbetrieb in Japan, den ich für glaubwürdiger halte. Nachtrag: Wikipedia hilft..... England... aus Indien.. paßt doch.
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vG, . . . wW -- Geändert von w_W_ (16.05.2007 um 09:01 Uhr) |
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#45
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
Anfang 20. JH lebten sehr viele Japaner in Schanghai. Parallel zu der Einfuehrung des TT durch Herrn Wang (s. o.) wurde auch in den japanischen Fabriken und Schulen in Schanghai mehr und mehr Tischtennis gespielt. Ein "Tischtennis-Club der Japaner in Schanghai" wurde gegruendet.
Maerz 1918 gruendete Mitglieder der Shanghai Morale Association (ein linksliberaler Anti-Luxus-Verein, gegruendet 1911) den Chinesischen Tischtennis-Verband Schanghai. Kurz spaeter gruendete der Verband den Chinesische Tischtennis-Forschungs-Verein (das Wort "Forschung" in den Name kommt von gewissem japanischem Einfluss, denn Clubs in Japan nennen sich traditionell gerne XYZ-Forschungs-Club), der aktiv um Mitglieder warb. Im Fruehjahr 1923 fand vermutlich das erste TT-Turnier in China statt, zwischen St. John's University, Nanyang College (heute Jiaotong University, wo Liu Guoliang derzeit Personalwesen studiert), Shanghai YMCA (gegruendet 1900) und dem Japanischen Jugendverein Schanghai (gegruendet 1890). 1924 fand die erste Schanghait-Mannschaftsmeisterschaft statt. Sehr viele Mannschaften nahmen daran teil, allein die Vorrunde bestand aus 11 Gruppen. Am Ende siegte der oben erwaehte Tischtennis-Forschungs-Verein. 1925 fand das erste internationale Turnier, den Akiyama-Cup, statt. Es war ein halbjaehrlicher Mannschaftskampf zwischen China und Japan, genauer gesagt Chinesen aus Schanghai und Japaner in Schanghai. Das Turnier wurde von der damaligen Mitsubishi-Vertretung in Schanghai gesponsort und wurde nach deren Chef Akiyama benannt. Dieser wollte eigentlich damit die Ueberlegenheit der Japaner gegenueber den Chinesen demostrieren, jedoch gewann die Chinesen bis 1927 fuenf aus sechs Male (9:2, 6:5, 5:6, 7:4, 7:4, 8:3), worauf hin der gute Akiyama keine Luft mehr hatte, das Turnier weiter zu sponsorn. Die aus japanischer Sicht unerwartete Niederlagen beim Akiyama-Cup sorgte in Japan selbst fuer gewisses Aufsehen, also lud der Japanische TT-Verband die chinesische Spieler nach Shanghai. Eine Delegation mit fuenf Spielern aus Schanghai ging nach Japan ging nach Osaka und schlug die Japaner mit 4:2. Es war bis zur Gruendung der Volksrepublik 1949 das einzige Mal, dass China gegen Japan gewann. 1935 fand die 6. Nationale Spiele (nicht zu verwechseln mit den jetzigen Nationalen Spielen, die erst nach der Gruendung der Volkrepublik begann) statt. Der Chinesischen Tischtennis-Verband Schanghai nutzte diese Chance, um den Gesamtchinesischen Tischtennis-Foerderungs-Verein zu gruenden und die erste Nationale Tischtennis-Meisterschaft parallel zu den Nationalen Spielen (bei der TT kein Disziplin war, da es ausserhalb von Schanghai noch nicht verbreitet war) abzuhalten. 8 Mannschaften, die jeweils eine Stadt repraesentierten, nahmen daran teil, und die Besten von ihnen konnten schliesslich bei den Nationalen Spielen einen Schau-Wettkampf anbieten. Bei den naechsten und vorerst letzten Nationalen Spiele 1948 (nach 13 Jahre Kriegspause) gehoerte TT dann schon zur offiziellen Disziplin. Dort allerdings gewann Schanghais Herren und Damen jeweils nur Silber, Gold ging an Taiwan und Hongkong. In der dreissiger Jahren war TT in Schanghai aeusserst populaer, es gab mehrere Hundert Mannschaften und mehrere Duzende Pokalmeisterschaften, gesponsort von verschiedenen Unternehmen. Selbst waehrend der Kriegszeit wurde munter weiter gespielt, allein zwischen 1940 und 1941 waren in den Zeitungen Berichte ueber 33 TT-Turniere in Schanghai zu lesen. Geändert von henrypijames (16.05.2007 um 10:28 Uhr) |
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#46
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
@ w_W_
das mit den Zigarrenkisten-Deckeln und den Sektkorken ist so auch in Jürgen Schmickers "Das große Buch vom Tischtennis" beschrieben. Die Geschichte des chinesischen Schreibwarenhändlers spricht er auch (leider nur ganz kurz) an. Um die Jahrhundertwende soll demnach der TT-Sport evtl von einem japanischen Professor aus England in dessen Heimatland gebracht worden sein. @ henrypijames vielen Dank für die ganzen Infos, super-interessant ! |
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#47
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
In den zwanziger Jahren wurde mit blanken Holzschlaegern gespielt, die Technik-Repertoire bestand lediglich aus Konter, Block und Schuss. Die Japaner waren sehr stark mit dem Vorhand, dafuer schwach mit dem Rueckhand - ein Merkmal, das auch heutige Japanische-Penholder-Spieler wie Ryu Seung Min beerbt haben. Im Vergleich konnten die Chinesen sowohl mit Vor- als auch Rueckhand angreifen, und waren wesentlich besser im Aufschlag und Aufschlag-Angriff-Kombination - auch diese Tradition ist heute nicht verloren gegangen.
Mitte dreissiger Jahren kamen die ersten Schlaeger mit Belag, womit auch der Schnitt ein wichtiger Faktor der TT-Technik wurde. Eine Reihe gute Abwehr-Spieler mischte die TT-Szene in Schanghai auf, und bis zuletzt blieb Schanghai der Abwehr-Hochburg im chinesischen TT (Zhang Xielin, Lu Yuansheng, Ding Song). |
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#48
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
Wieder mal super Beiträge von henrypijames!
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#49
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AW: Altersentwicklung europaeisches Spitzen-TT
Tischtennis-Spielraum der Chin Woo Athletic Association (bekannt aus Jet Lis letzjaehrigem Spielfilm "Fearless") in Schanghai, 1919:
Das erste Angestellten-Turnier der chinesischen Banken in Shanghai (im Gegensatz zu auslaendischen Banken, die in damaligen Schanghai in Ueberzahl waren), irgendwann in den Dreisigern: Tischtennis auf der Strasse von Schanghai, 1938: Geändert von henrypijames (16.05.2007 um 16:45 Uhr) |
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#50
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Klasse Aufnahmen.
- Das älteste auf Zelluloid gebannte Match welches ich bisher (in Ausschnitten) gesehen habe, war jenes zwischen Laszlo Bellak und Madjaroglou in München 1931 (bekannt von dem Video ´Legends of Table Tennis´). Zitat:
Irgendwo in einem alten Interview mit Victor Barna aus den 60ern meine ich übrigens mal etwas von über 20.000 Zuschauern bei einem Endspiel (1935 in London?) gelesen zu haben - und auch in Peking 1961 soll die Halle brechend voll gewesen sein. Tja, von solchen Hexenkesseln* kann der Tischtennissport heute nur träumen... Auf jeden Fall nochmal Danke für die ganzen Infos. - Dies ist für mich persönlich der mit Abstand informativste und interessanteste Thread seit Bestehen von TT-News überhaupt .* Stichwort Hexenkessel: Solch gerammelt volle Hallen sind heute natürlich auch aufgrund verschärfter Sicherheitsbestimmungen nicht mehr denkbar (ebenso wie z.B. die beiden Boxkämpfe um die WM im Schwergewicht in den Zwanziger Jahren zwischen Jack Dempsey und Gene Tunney im sog. ´kleinen´ Stadion von Philadelphia - vor jeweils rund 120.000 Zuschauern.) ´ Geändert von Rieslingrübe (16.05.2007 um 21:01 Uhr) |
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