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#61
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@ Volkmar
Ich weiß nicht, ob die Vorgehensweise des Verteidigers von Magnus G. so schlecht war. Ich denke, ihm war klar, daß Magnus G verurteilt worden wäre, auch wenn er geschwiegen hätte. Es hätte halt einen Indizienprozeß gegeben, der sich endlos lange gezogen hätte, aber am Ende wäre das URteil sicherlich so gekommen, wie es jetzt vorliegt. Mit dem Geständnis hat der Anwalt m. E. die einzige Möglichkeit in die Wagschale geworfen, noch irgendwo einer Strafmilderung einen Ansatz zu bieten. Und m. E. muß das Gericht auch sehr genau darauf eingehen, warum das Geständnis nun hier überhaupt keine mildernde Wirkung hatte, obwohl MAgnus G. damit ein ihm günstiges Beweisverwertungsverbot nicht genutzt hat und das Verfahren so stark vereinfacht hat. Eigentlich ist dies als Stramilderungsgrund anerkannt. Meine Erfahrung aus Köln ( Schöffengericht, Staatsanwaltschaft und Verteidiger ) ist auch die, daß selbst bei klarer Sachlage ein Geständnis des Angeklagten zu Anfang des Verfahrens ordentlich Rabbat gibt, wenn ich das so sagen darf. Selbst bei schwersten Verbrechen ist das möglich. Ich weiß aber, daß das in anderen LG-Bezirken durchaus enger gesehen wird ( dem Vernehmen nach z. B. Wuppertal ). Die Krücke im Rahmen des Art. 1 I GG ist das Recht ( fassen wir es jetzt mal als Grundrecht auf ) des Opfers bzw. der gefährdeten Person, und zwar ebenfalls aus Art 1 I GG. Das Recht des Täters aus ARt 1 I GG nicht gegen die Rechte der Opfer abzuwägen, bedeutet, daß hier de facto eine Abwägung zum Nachteil der Opfer vorgenommen wird. Deren Rechte nicht zu berücksichtigen ist nämlich auch eine Entscheidung, die sich als Ergebnis eines Abwägungsprozesses darstellt. Wenn man das Recht des Täters aus Art 1 I GG als Abwägungsfest hinstellt und die Opferrechte gar nicht mehr beachtet, dann hat man mindestens im Ergebnis deren Recht aus Art 1 I GG unter das Recht des Täters gestellt. Genauso wie man das Recht des Täters auf Menschenwürde nicht leugnen darf ( Stammtischparolen:"Der hat sein Recht zu leben verwirkt" ), darf man die Rechte der Opfer nicht unberücksichtigt lassen. Und wenn es wirklich darauf ankommt, dann muß im Ordnungsrecht halt der Störer mit der Ordnungsmaßnahme belegt werden, weil er Gefahrnächster ist. Hier also unser Bombenleger, vgl. mein Lehrbuchbeispiel etc. Ich bleibe dabei, wir brauchen ein ausdrückliches Folterverbot. Daß der finale Rettungsschuß eine gesetzliche Grundlage gefunden hat, liegt daran, daß der Gesetzgeber wegen dem überragenden Rechtsggut Leben eine Spezialregelung wollte. Gleichwohl wäre auch eine Subsumtion unter die Generalklausel im EXTREMFALL möglich, wenn es die Spezialermächtigungen nícht gäbe. Alle ordnungsrechtlichen Spezialermächtigungen sind auch durch die Generalklausel erfaßt. Nur dort, wo der Gesetzgeber besondere Voraussetzungen für eine Maßnahme aufstellt, wird eine Spezialermächtigung nötig, um der gesetzgeberischen Intention Ausdruck zu verleihen ( deswegen auch die engeren Anforderungen des finalen Rettungsschusses ). Und spätestens unter diesen Voraussetzungen muß dann auch eine Folter zumindest vertretbar sein. Ob so eine Regelung verfassungskonform ist oder nicht, ist ein absolut heikles Problem. Da kann man mehrere Doktorarbeiten drüber schreiben und ist immer noch kein Stück weiter, weil es auch um grundsätzliche philosphische Fragen geht. Ich persönlich wage aber zu bezweifeln, daß das BVerfG diese Regelung im Falle eines Falles wirklich kippen würde, und zwar mit Blick auf die Extremfälle. Der Staat darf rechtswidirges Handeln nicht dulden ( Rechtsstaatsprinzip ) und wenn es nicht anders geht: darf er dafür prinzipiell auch töten? Zumindest ist das die Kernfrage, um die es geht. Das kann man auch nahtlos auf die Folter übertragen. Man, wir stoßen ja echt in Abgründe unseres Rechtssystems vor. Meine Diskussion mit Difu über den Aufbau eines Straftatbestands fand ich schon hier unpassend. Wir reden ja über die ordnungsrechtliche Zulässigkeit der Folter. Das heißt ja nicht, daß ich darauf nicht eingehen will. Von mir aus können wir diese Diskussion hier noch fortsetzen. Hab ich kein Problem damit. |
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#62
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Man kann die Sache auch anders angehen:
Die Polizei benötigt für jegliche Handlung eine Ermächtigungsgrundlage. Im Bereich der Gefahrenabwehr ( präventiv )- und davon muss man vorliegend ausgehen, da es Daschner wohl unbestritten darum ging, dass Leben des Kindes zu retten- wird sie entweder aufgrund einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, aufgrund einer der Standardmaßnahmen oder aufgrund der Generalklausel tätig. Hier wäre wohl von einem Vorgehen aufgrund von § 12 HSOG auszugehen; dieser stellt das polizeirechtliche Äquivalent zu § 163a StPO dar. Konsequenterweise wird daher auch in § 52 HSOG auf das strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrecht verwiesen, wonach im Falle einer möglichen Belastung der aussagenden Person selbst diese eben nicht auszusagen braucht. Insofern fehlt es bereits an der Ermächtigungsgrundlage. Zur Diskussion bezüglich des Notstandes: Der Staat kann sich nicht auf eine Notstandslage berufen. Dies ist unumstritten und müßig, ständig dennoch angebracht zu werden. Man kann es drehen und wenden, wie man will: was Herr Daschenr gemacht hat, ist dogmatisch nicht zu rechtfertigen. Sollte Herr Endres dennoch vor dem Bundesverfassungsgericht landen, denke ich dennoch, dass die Richter ergebnisorientiert urteilen werden ( alle Studenten können davon ein Lied singen). Sie werden im Urteil deutlich herausstellen, dass EIGENTLICH die angedrohte Folter ein absolutes Verfahrenshindernis darstellt, aber aufgrund der bis dato einmaligen Situation UND der juristischen Kenntnisse von Magnus Gefken dieser hätte wissen müssen, dass er nicht auszusagen braucht, auch wenn Herr Daschner ihm noch so oft Folter androht in diesem einmaligen Fall kein absolutes Verfahrenshindernis anzunehmen ist.
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Gänzlich frei von Signaturen... |
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#63
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@ Sascha Eichmann
Ich kenne mich im hessischen Landesrecht nicht aus. Da Volkmar und ich beide aus NW sind, haben wir uns wohl stillschweigend nur auf das Landesrecht NW bezogen. Mag sein, daß das HSOG eine Parallelvorschrift zu § 163a StPO kennt, das PolG NW bzw. OBG NW kennt so eine Norm nicht ( oder ich kenne sie nicht - dann bitte ich um Aufklärung ). In NW gibt es halt mit der Generalklausel eine Ermächtigungsgrundlage. Ansonsten würde mich mal interessieren, welche Folgen denn ein Verstoß gegen die parallel zu § 163a StPO abgefaßte Vorschrift nach sich zieht ( außer der Rechtswidrigkeit und möglicherweise Schadenersatzansprüchen )? Wenn die hessische Polizei dam Störer entsprechende Informationen abfoltert, unterliegen diese Informationen dann auch einem "Verwertungsverbot"? Also wird es im ERgebnis noch paradoxer: In Hessen ist Folter dann wohl verboten, in NW erlaubt. Es gibt i. ü. einen Aufsatz in der JZ aus 98, 99 oder 2000 ( weiß ich nicht mehr - ich erinnere mich nur daran, irgendwann vor dem ersten Examen mal was darüber gelesen zu haben und sehr erstaunt gewesen zu sein ), der eine Folter aus dogmatischen Gesichtspunkten schlüssig herleitet. Unter moralischen Gesichtspunkten ist das so ein Ergebnis sicherlich absolut bedenklich, aber ich meine, daß es besser ist, dies jetzt offenzulegen, wo unsere Rechtskultur ( noch ? ) in einem Zustand ist, der ein gestzliches Folterverbot ermöglichen könnte. Das braucht man nämlich, um absolut sicher zu sein. Wenn es das in Hessen gibt, ist das gut. Aber das sollte schon bundeseinheitlich geregelt werden. Das mit den ergebnisorientierten Urteilen höchstinstanzlicher Gerichte ist übrigens nur ein Gerücht :rolleyes Mal im ernst: Genau wie ich es hinsichtlich des finalen Rettungsschuß meine, so wird ein höchstinstanzliches Gericht auch im Folterfall wahrscheinlich kein kategorisches Verbot finden "können", sondern sich nur im Einzelfall aus der Affäre ziehen. |
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#64
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das Pferd von hinten aufgezäumt
Inzwischen weiß ja jeder, dass das Kind schon tot war, als die Vernehmung durchgeführt wurde. Ich möchte aber mal folgenden Gedanken durchspielen:
Angenommen, es hätte zu diesem Zeitpunkt noch gelebt und wäre verdurstet, weil sich Gäfgen nicht mehr um ihn gekümmert hat - z.B. weil er das Geld ja hatte und das Überleben des Kindes für ihn eher gefährlich war. Die Polizei hat den Täter, hofft, dass das versteckte Kind noch lebt und kann mit allen erlaubten Vernehmungsmethoden das Versteck nicht herausbekommen. Auf Grund der Persönlichkeitanalyse wäre zu vermuten gewesen, dass der Täter unter Folterandrohung den Ort preisgeben würde. Da Folterandrohung verboten ist, verzichtet die Polizei darauf. Wenn Das Kind nun stirbt, hätte sich die Polizei (wer auch immer) wegen der Garantenstellung der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht? Evtl. ein Tötungsdelikt durch Unterlassung begangen? Hätte Daschner (oder wer auch immer) überhaupt eine legale Möglichkeit gehabt, das Versteck des noch lebenden Kindes zu erfahren? Hätte man den Eltern die Folterung überlassen dürfen? Oder die geht die Achtung des Folterverbots über ein Menschenleben? Wie gesagt, es ist jetzt leicht, den Stab zu brechen, weil man den Ausgang der traurigen Geschichte kennt.
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Große Leuchten (Sonnen) brennen schnell und sehr hell, aber meist nicht sehr lange (ein paar mio Jahre). Zum Glück bin ich nur ein kleines Licht Geändert von klugscheisser (01.08.2003 um 12:12 Uhr) |
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#65
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Das HSOG erklärt die entsprechenden Stellen der StPO ür entsprechend anwendbar. Abgefolterte Geständnisse sind daher sowohl in strafprozessualer als auch in polizeirechtlicher Sicht nicht verwertbar.
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Gänzlich frei von Signaturen... |
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#66
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das beantwortet aber meine Frage nicht:
Was wäre wenn?
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Große Leuchten (Sonnen) brennen schnell und sehr hell, aber meist nicht sehr lange (ein paar mio Jahre). Zum Glück bin ich nur ein kleines Licht |
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#67
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War auch gar nicht auf deinen Beitrag bezpgen, sondern auf die Frage von MagicBackhand ( weil: hab´deinen nicht gesehen).
Für ein Unterlassungsdelikt brauchst du zunächst mal die von dir angesprochen Garantenpflicht/Stellung. Eine solche hat die Polizei allerdings nicht gegenüber den Opfern von Delikten, sondern gegenüber solchen Personen, die sie in Gewahrsam hat. Die Achtung des Folterverbotes geht muss in einem solchen Fall bewahrt bleiben, weil ansonsten eine Diskussion um die zulässigen Grenzen der Folter entstehen wird. Und wohin dass führen wird, kann man sich sicherlich denken.
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Gänzlich frei von Signaturen... Geändert von Sascha Eichmann (01.08.2003 um 10:29 Uhr) |
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#68
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Dass die Folterandrohung unrechtmäßig war, scheint unbestritten.
Trotzdem - Was wäre die Alternative? Hätte es eine Möglichkeit gegeben, sich rechtmäßig zu verhalten, ohne das Leben des Kindes zusätzlich zu gefährden? Keine Folter anzudrohen wäre rechtmäßig gewesen, aber zu welchem Preis? Ich bin heilfroh, dass ich diese Entscheidung nicht treffen musste; und ich bin auch heilfroh, dass ich nicht darüber urteilen muss
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Große Leuchten (Sonnen) brennen schnell und sehr hell, aber meist nicht sehr lange (ein paar mio Jahre). Zum Glück bin ich nur ein kleines Licht |
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#69
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@ Sascha Eichmann
Deine Ausführungen gelten nur für das Hessische Ordnungsrecht. In NW siehts anders aus, wie ich meine. Aber wie sieht denn ein ordnungsrechtliches Verwertungsverbot aus? Und muß es da nicht auch Durchbrechungen geben, ähnlich wie im Strafprozeß, wenn man das staatliche Strafverfolguingsinteresse bei schweren Straftaten über die Grundrechte des Einzelnen stellt? Ich könnte mir denken, daß man analog im Ordnugnsrecht verfahren könnte, wenn die Sachlage es gebietet. Außerdem kann sich der einzelne Polizeibeamte selbstverständlich strafbar machen, wenn er vorsätzlich nicht einschreitet, obwohl er von gesetzlich dazu verpflichtet wäre. Die Garantenstellung beruht hier direkt auf der gesetzlichen Habndlungspflicht. Weiterhin treffen Klugscheissers Gedanken den Nagel auf den Kopf. In einem Fall, wie Klugscheisser ihn beschreibt, ist es sicherlich nur schwer vertretbar, den Tod des Kindes in Kauf zu nehmen, weil man nicht weiter gehen darf. Man darf bei einer Abwägung nicht außer Acht lassen, daß man die Rechtsgüter des Opfers komplett per se vernachlässigt, wenn man zu Gusnten des Täters ein Abwägungsverbot annimmt. Hier muß eine Diskussion über das Folterverbot einsetzen, sonst wird man am Ende von den Dingen überrollt. Auch die Lage im Fall Magnus G. wäre sehr viel klarer gewesen, wenn man den Mut gehabt hätte, sich bereits vorher eingehender mit einer solchen Frage zu befassen. Nicht die theoretische Diskussion über ein Folterverbot ist gefährlich. Gefährlich ist es, wenn ein Rechtsanwender in eine Lage kommt, über Folter nachdenken zu müssen, ohne daß es zu diesem heiklen Thema einen gesicherten theoretischen Hintergrund gibt. Er hat nämlich regelmäßig dann nicht die Zeit, dieses Problem genau zu durchleuchten. Und wenn sich halt nach Ende dieser Diskussion ergibt, daß Folter in Deutschland zumindest nicht völlig unmöglich ist, dann ist der Gesetzgeber gefordert, zu überelegen, ob er diesen Zustand nicht ändern muß. Nicht über so ein Thema zu diskutieren käme es gleich, einen gefährlichen Virus nicht zu erforschen, weil man davon ausgeht, er könne oder dürfe nicht auftreten. Sehr Riskant. |
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#70
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Das HSOG sieht natürlich eine solche Durchbrechung ebenfalls vor.
Nach § 12I HSOG sind die Vorschriften der StPO entsprechend anzuwenden; die Ausnahme dazu normiert § 12II HSOG: demnach besteht eine Auskunftspflicht, auch entgegen der Bestimmungen der StPO dann, wenn eine Gefahr für Leib und Leben besteht; insoweit war Magnus Gefken auch nach hessischem Polizeirecht verpflichtet auszusagen ( natürlich im Widerspruch zur StPO mit der Folge der Nichtverwendbarkeit vor Gericht). Als Durchsetzungsmaßnahmen für eine solche Auskunftspflicht sieht das HSOG jedoch als einzige Maßnahme des Verwaltungszwanges eine Geldstrafe vor; eine Ersatzvornahme scheitert selbstredend an der mangelnden Praktikabilität. Um den staatlichen Folterverbot über den Verweis in § 12I HSOG auf die StPO nochmals Nachdruck zu verleihen, wird in § 52II HSOG zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Unmittelbarer Zwang zur Abgabe einer Erklärung ausgeschlossen ist.
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