Austrian Open 2007

[Tackiness]

Zitat von Rudi Endres

Seine beste Zeit liegt längst hinter ihm und er hält immer noch mit. Das beweist, dass man damals gutes TT gespielt hat.

... was ausser einigen vorlauten Teenagern und ignoranten Mittzwanzigern wohl auch niemand bestreiten wird ;-)

Hes beste Zeit könnte noch vor ihm liegen - er ist ja wohl der einzige Spitzenspieler, der überhaupt nicht frischklebt.

[henrypijames]

Zitat von Luxi

Wie gut ist He Zhi Wen eigentlich zu seiner besten Zeit in China bzw. in der Welt gewesen? War der Nationalspieler usw. oder ist der erst in Spanien so gut geworden?

He Zhi Wen hat fuer China bei den WM 1983, 1985 und 1987 gespielt. Zusammen mit Jiang Jialiang gewann er 1985 WM-Bronze in Doppel.

Zitat von Luxi

Hab mal gehört dass der nichts mehr trainiert bzw. sehr wenig und nur zum Spaß für Granada und Spanien spielt. Verdient der dann mit Tischtennis noch seinen Lebensunterhalt (Granada zahlt ja angeblich sehr gut) obwohl er nur noch sporadisch spielt?

He trainiert ein paar Stunden in der Woche - deutlich weniger als eine Stunde am Tag im Durchschnitt. Ich weiss nicht, wie viel Geld er von Granada bekommt, aber es ist definitv nicht sein einziges Einkommen, denn seine Frau hat ein kleines Kleider-Geschaeft, in dem er viel aushilft.

[henrypijames]

Was He Zhi Wen vor allem beweist, ist das die besten Aufschlaege vor zwanzig Jahren auch heute genau so effektiv und gefaehrlich sind - und dass schnelle, lange Aufschlaege ein nahezu verlorener Kunst ist, der von Spitzenspieler unserer Zeit viel mehr Beachtung verdient.

Der einzige aktuelle Weltklassen-Spieler ausser He, der regelmaessig und systematisch schnelle, lange Aufschlaege einsetzt, ist Ovtcharov (mit der Rueckhand), und auch dieser macht viele Punkte damit.

In der chinesischen Fachkreisen wurde schon seit einigen Jahren verstaekt dazu aufgerufen, wieder mehr lange Aufschlaege zu trainieren, um diese in Matches taktisch gekonnt einzusetzen (vgl. den von mir uebersetzten Artikel "Die Strategie fuer Saetze bis 11" in "tischtennis", 2006-09, S. 14, Abs. "Aufschlag und Rueckschlag").

Wenn man die Spiele der chinesischen Nationalspieler heute analysiert, dann erkennt man, dass die Haeufigkeit der langen Aufschlaege bei den meisten Spielern seit zwei, drei Jahren deutlich gestiegen ist - von durchschnittlich weniger als zwei lange Aufschlaege pro Match auf nunmehr ein bis zwei lange Aufschlaege pro Satz.

Allerdings handelt es dabei meist um relativ einfache, schnitt-arme Kickaufschlaege. Die lange Aufschlaege von He Zhi Wen und Ovtcharov, die sehr starken Schnitt - vor allem Seitenschnitt - haben, sind von einer ganz anderen Qualitaet. Da besteht noch enormen Nachholbedarf, und ich wage zu prophezeien, dass wir in den naechsten drei, vier Jahren mehrere chinesischen Spitzenspieler sehen werden, die schnitt-reichen langen Aufschlaege systematisch einsetzen.

Mit anderen Worten, die verlorene Kunst der langen Aufschlaege wird mit Sicherheit einen Comeback feiern - genau so wie die der Stipp-Aufschlaege, die mehrere junge japanische und chinesische Spieler nun zu ihrem Stamm-Repertoires zaehlen.

[gammlerattack]

@ henry

Werner Schlager sollte man nicht vergessen. Seine langen Aufschläge gehören ebenfalls zu einer seiner besten Waffen.

[henrypijames]

Zitat von gammlerattack

Werner Schlager sollte man nicht vergessen. Seine langen Aufschläge gehören ebenfalls zu einer seiner besten Waffen.

Nein, er streut lange Aufschlaege nur gelegentlich zur taktischen Ablenkung ein, wie die meisten anderen Spieler auch. Wenn ich sage, dass jemand lange Aufschlaege "systematisch" einsetzt, meine ich damit, dass er im Durchschnitt mindestens jeden vierten Aufschlag lang serviert. Davon ist Schlager weit entfernt.

[Rieslingrübe]

´

Zitat von Rudi Endres

Seine beste Zeit liegt längst hinter ihm und er hält immer noch mit. Das beweist, dass man damals gutes TT gespielt hat.

Gab's da jemals Zweifel dran?

Allerdings - und ich wiederhole mich hier - erreichte He Zhi Wen in den 80ern niemals die Klasse von Xie Saike, Chen Longcan oder Jiang Jialiang, die ja bekanntlich ebenfalls im Penholderstil mit kurzen u. harten Noppen außen agierten.

Zitat von Henrypijames

Mit anderen Worten, die verlorene Kunst der langen Aufschläge wird mit Sicherheit ein Comeback feiern...

Wie sieht's denn mit einer Renaissance eben dieser Penholder-Spieler in China aus? - In der lösungsmittelfreien Zeit nach Peking 2008 könnte sich da womöglich einiges tun...

[henrypijames]

Zitat von Rieslingrübe

Wie sieht's denn mit einer Renaissance eben dieser Penholder-Spieler in China aus? - In der lösungsmittelfreien Zeit nach Peking 2008 könnte sich da womöglich einiges tun...

Eher das Gegenteil. Penholder-Kurznoppen-Angriff kann nur bestehen, wenn die Baelle schnell fliegen und wenig Schnitt haben. Der Trend des TT-Sport geht eindeutig in die entgegen gesetzte Richtung - naemlich langsamerer Flug (durch Vergroesserung des Balles, nun nochmals durch Wegfall des Frischklebens) und staerkeren Schnitt (durch immer besseren Belaege und auch immer besseren Topspin-Technik).

Penholder-Topspin-Spiel wird - vor allem Dank Wang Hao - evtl. eine kleine Renaissance erleben. Penholder-Schuss-Spiel ist - fuerchte ich und die allermeisten chinesischen Experte, die ich kenne - Geschichte.

[Rudi Endres]

Zitat von henrypijames

Penholder-Schuss-Spiel ist - fuerchte ich und die allermeisten chinesischen Experte, die ich kenne - Geschichte.

Das mag so sein. Die wenigen Spieler, die es trotzdem versuchen, könnten davon profitieren.

[Rieslingrübe]

Zitat von henrypijames

Der Trend des TT-Sport geht eindeutig in die entgegen gesetzte Richtung - naemlich langsamerer Flug (durch Vergroesserung des Balles....).

Penholder-Schuss-Spiel ist - fuerchte ich...- Geschichte.

Tja ja, der große böse Ball....schade schade...aber vielleicht taucht ja doch irgendwann mal 'n neuer
Liu Guoliang auf - falls die neuen Frischkleber u. Tuner auf Dauer nicht allzu brauchbar ausfallen...

[henrypijames]

Die groesste Hoffnung fuer die Revival des Kurznoppen-Agriffs sind eigentilch zwei Regelreform-Ideen, die sich in den letzten Jahren formiert haben:

Erstens die komplette Umstellung dahin, dass nur noch Belege mit kurzen Noppen erlaubt werden - im Artikel "Ein Spiel mit Zukunft", "tischtennis" 2006-03, S. 18, wurde diese Moeglichkeit erwaehnt. Obwohl sie sicherlich radikal erscheint, ist sie keinesfalls hirnrissig, sondern tatsaechlich eine ernsthafte Ueberlegungen, die ich persoenlich sogar unterstuetzen wuerde (obwohl ich selbst bislang auf keiner Seite mit kurzen Noppen spiele).

Zweitens der Vorstoss, die Vorschrift, dass das Schlaeger-Holz hautsaechlich aus Holz bestehen muss, fallen zu lassen. In der ITTF-Generalversammlung am Rande des diesjaehrigen WM wurde diese Regelaenderung sogar schon konkret durch die ITTF-Regelkomitee zur Abstimmung eingereicht - ohne dass der Fachpresse darauf aufmerksam wurde (ausser meiner Wenigkeit, die ich einen Bericht darueber in die chinesische Presse veroeffentlich habe, der aber im Laerm um die eigentlichen WM voellig untergegangen war). Erwartungsgemaess erhielt der Antrag nicht die noetigen Stimmenmehrheit - so gut wie keine Regelaenderung schafft es auf Anhieb. Aber ein Vorstoss aus der ITTF-Regelkomitee (im Gegensatz zu einzelne Nationalverbaende, die auch Antraege stellen duerfen) ist sehr ernst zu nehmen, und ich sehe eine gute Chance, dass der Vorschlag in fuenf bis zehn Jahren durchgesetzt wird.

Das wuerde das Tischtennis-Spiel komplett revolutionieren - wie der Umstieg von Holz- zu Kunststoff-Schlaeger in Tennis und vielen anderen Sportarten auch getan hat. Ein TT-Schlaeger rein aus Karbon unvergleichlich schneller als ein sogenanntes Karbon-Schlaeger heute. Damit waere Schuss-Angriff grundsaetzlich wieder konkurrenzfaehig.

Fuer diejenigen, die den Antrag und die Erlaeuterung dazu selbst nachlesen moechte:
http://www.ittf.com/World_Events/wtt...ORT_ZAGREB.pdf
S. 48, Antrag 3.