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Stammtisch Hier könnt Ihr über "Gott und die Welt", Politik, Fernsehen, Bücher, Musik und alles was Euch sonst interessiert diskutieren. Plaudern in lockerer Atmosphäre ;-) |
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#11
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AW: Winnenden - Post scriptum
Zitat:
Nur kann man auch nicht immer alles nur auf das Elternhaus, das direkte Umfeld oder auf Liebeskummer schieben. Viel zu häufig sind Amokläufer schon aus liebevollen Elternhäusern und auch sonst intakten Verhältnissen erwachsen. Oftmals ist aber das Individuum schlicht und einfach von sich aus nicht in der Lage und/oder gewillt, sich mit der Umgebung auseinanderzusetzen. Auch im vorliegenden Fall hat sich der Täter - laut Aussagen von Freundinnen seiner Schwester oder anderen Mitschülern - offensichtlich eher aktiv selbst isoliert, suchte und wollte scheinbar keinen Kontakt und steigerte dadurch weiter seine Ablehnung gegen die Gesellschaft. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob ich abgelehnt werde und deswegen mit der Welt hadere oder ob ich zuerst mit der Welt hadere und diese dann selbst ablehne. Beides ist nicht gut, keine Frage! Aber ich habe schon häufig junge Menschen beobachtet, die nicht das geringste Interesse hatten, sich mit einbeziehen zu lassen - ob in sportliches Miteinander, zu Parties oder einfach nur zu einem Gespräch. Das macht die Sache nicht gerade einfach. Dann ist es natürlich häufig so, dass die Gemeinschaft auch irgendwann ihre Bemühungen aufgibt, so jemanden noch weiter integrieren zu wollen. Da schließt sich dann irgendwann der Teufelskreis. Noch zu Deiner These, dass Amokläufer gar nicht heroisiert werden wollen: Das ist leider meistens doch so. Schau nur mal in die entsprechende Foren. Da werden Amokläufer als Helden und sogar als "Götter" gefeiert, da werden "Abschussquoten" verglichen. Schau Dir mal die Videos an, in denen viele dieser Gestörten sich auf Schießständen oder in anderen Situationen mit Waffe in der Hand inszenieren und den Übermenschen spielen oder - wie im aktuellen Fall - noch möglichst theatralische Titel ("Apocalypse Today" oder "Apocalypse 9/11") für ihr Vorhaben ersinnen. Das hat absolut nichts mehr mit "geschundener Seele" zu tun, sondern ist einfach nur krankhaft soziopathisch. Wenn Du versuchst, solche Leute verbal zu erreichen, bevor sie auskreisen, dann sieht es eher so aus, dass sie Dir nicht in die Augen schauen, sondern entweder unbeteiligt auf den Boden oder sonstwo hin starren, dabei hin und wieder nicken und mit einem "hmhm" Bestätigung suggerieren. Und wenn sie dann alleine sind, ticken sie schon im Kleinen aus, weil man ja "versucht hat, sie zu verändern". Da ist es völlig egal, ob das absolut einfühlsam und verständnisvoll vorgetragen wurde, ob Du echtes Interesse an dem Menschen zeigst und versuchst, ihm einfach nur zu helfen. Nicht jeder von der Sorte wird gleich zum Amokläufer, aber glaub' doch bitte nicht, dass die Typen nach dem Gespräch zu sich selbst sagen "Klingt ja echt total vernünftig! Eigentlich könnte ich ja auch mal auf die Leute zugehen - vielleicht haben die ja gar nichts gegen mich. Probiere ich direkt mal morgen aus..." Die Realität sieht in den Köpfen eher so aus: "Spinnt der? Hält der mich für dämlich?! Meint das blöde Schwein, ich hätte ihn nicht durchschaut?! Ich krieche den ganzen Idioten doch nicht noch hinten rein!" Sorry, Wolfgang, aber es gibt leider Menschen, bei denen man kein richtiges Kabel findet, das man noch rechtzeitig abstöpseln oder durchkneifen kann, um die Detonation zu verhindern. Dass es tausende von Ursachen und viele auslösende Momente geben kann, die dazu führen, dass jemand sich innerlich dermaßen abwendet, ändert m.E. nichts am kranken Selbstverständnis, das diesen Taten gleichermaßen vorangestellt ist.
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"Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen." George Orwell (1903-50), eigtl. Eric Arthur Blair, engl. Schriftsteller. |
#12
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AW: Winnenden - Post scriptum
in diesem Zusammenhang durchaus lesenswert, auch wenn es natürlich populäwissenschaftlich ist:
http://www.focus.de/schule/schule/ps...id_436654.html
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#13
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AW: Winnenden - Post scriptum
Es schaut so aus, dass ich nicht gänzlich unter die Kategorie "Hobby-Psychologe" falle, in die man mich mal im Ursprungsthread stecken wollte. Nach Auswertung der bisherigen Dokumente und Computerdateien scheint sich die Kontur des Täters ziemlich exakt an das "Menschen"-Bild zu schmiegen, das ich bereits mehrfach skizziert habe:
http://www.welt.de/vermischtes/artic...schenhass.html Ausschnitte aus dem Artikel von Welt Online: "Er hasste die Menschen, wünschte sich eine Freundin und hatte Angst, das Abitur nicht zu schaffen." ... „Sein Hass gegen die Menschheit und vor allem gegen die Institution Schule“ sei das Motiv der Tat. Mehrfach und ausdrücklich betonte er, seine Eltern seien nicht für die Tat verantwortlich. Der 18-Jährige habe nicht mehr leben wollen und einkalkuliert, bei der Tat getötet zu werden. ... "Der Amoklauf war nach Angaben der Staatsanwaltschaft von langer Hand geplant. Die ersten Hinweise auf die Tat seien in dem Schriftstück auf April datiert, hieß es. In den Folgemonaten habe er zudem unter anderem festgehalten, welche Waffen er einsetzen werden und welche Klassenzimmer er stürmen wolle." Weitere Aspekte, wie Angst vor einer schweren Krankheit, für die offensichtlich keinerlei Anlass bestand, spielten wohl eine zusätzliche Rolle...
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"Wenn Freiheit überhaupt etwas bedeutet, dann das Recht, anderen Leuten das zu sagen, was sie nicht hören wollen." George Orwell (1903-50), eigtl. Eric Arthur Blair, engl. Schriftsteller. |
#14
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AW: Winnenden - Post scriptum
Das ist ein "Fall", der die Abgründe der menschlichen Seele so traurig real ans Tageslicht befördert....
Mir fällt nur Spock ein, und das in einem neutralen, bitte nicht zu wertenden Film-Bon-Mot: "Faszinierend" Da stösst reale Hilfe, bzw. Prophylaxe an beängstigende Grenzen!
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#15
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AW: Winnenden - Post scriptum
Ich les' ja nur noch recht selten in den Stammtisch-Foren, noch seltener schreibe ich dort.
Und schon gar nicht in solch' "Problem-Threads" wie diesem hier... Weiterhin bin ich ja generell auch kein Freund von "Endlos-Beiträgen". Aber sowohl Wolfgangs als auch Olafs "Abhandlungen" sind natürlich in höchstem Maße lesenswert, jede auf ihre Weise. "In der Sache" tendiere ich allerdings eindeutig in Olafs Richtung (ist ja nicht immer so), aber ich bin natürlich auch nur (bekennender!) Hobbypsychologe... |
#16
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AW: Winnenden - Post scriptum
aber warum nur ....kontrovers=klass(e)isch, oder ?
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#17
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AW: Winnenden - Post scriptum
Zitat:
Ab einem gewissen Zerstörungsgrad ist keine EIGENVERANTWORTUNG mehr zu erwarten. Nur wenn zentral wichtige Mechanismen noch einigermaßen, wenn auch nur minimal funktionieren (z.B. lieben zu können, oder Respekt und Achtung vor anderem Leben empfinden können, oder, oder ....) ist es u.U möglich Korrekturen vorzunehmen und "umzulernen". Über diesen Grad hinaus ist der Zug durch, da kannst Du nichts mehr erreichen. Und so ein Menschlein ist schnell restlos zerstört. Auch wenn es hart klingen mag, wer irreparabel gebrochen wurde für den ist Ende Gelände. Und ich möchte mir nie anmaßen (da tun mir mir manchmal die Psychoheinis leid) beurteilen zu können wann "das Maß voll ist". Wir haben im Regelfall Mitleid und möchten noch helfen wo nicht mehr zu helfen ist. Weiß auch keine Lösung was dann geschehen soll mit dem Individuum. Laufen genug herum da draußen, vor denen hab ich tatsächlich Angst, weil sie nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind.
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wer braucht schon eine Signatur |
#18
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AW: Winnenden - Post scriptum
Zitat:
Schüler X (sagen wir mal ist 12 Jahre alt, und seinem Alter entsprechend seinen Mitschülern körperlich unterlegen) geht seinen täglichen Weg zur Bushaltestelle. Dort angekommen, wird er von den anwesenden Schülern bereits erwartet. Und los geht's mit der Demütigung, mit dem Schubbsen, dem Mobbing, dem Gelächter..... Der Bus kommt. Oft für Zusteigende kein Platz mehr. Wieder wird Schüler X angestänkert, gestoßen, ausgelacht..... Endlich im Klassenraum angekommen, doch auch hier: Mobbing Teil III...... Ist Schüler X zudem noch ein wenig häßlich, besitzt kein Handy, und trägt kein Adidas, Dockers oder Geox, ist der Ofen ganz aus. Schüler X befindet sich in einer ausweglosen Lage, und wird auch kaum mehr eine Chance erhalten, seine mißliche Situation zu korrigieren. Dies multipliziere man einmal über einen längeren Zeitraum. Wieso wundert man sich also über Winnenden?
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Wer sich an das Absurde gewöhnt hat, findet sich in unserer Zeit gut zurecht. (Eugene Ionesco) |
#19
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AW: Winnenden - Post scriptum
Weil es so einfach eben doch nicht ist.
Speziell in dem Fall treffen schon körperliche Unterlegenheit und das nicht Besitzen von Dingen nicht zu. Auch war er wohl nicht gänzlich ausgegrenzt. Man sollte nicht davon ausgehen, dass jedes menschliche Verhalten eine Reaktion auf Erlebtes ist. Denn selbst Menschen, die gleiche Erlebnisse hatten, verarbeiten diese völlig unterschiedlich. Manche Defekte sind eben bereits angeboren oder werden durch körperliche Störungen (Stoffwechsel, Hormone) hervorgerufen. Gerade Depressionen haben oft "chemische" Ursachen, dann kann das Umfeld quasi gar nichts tun bzw. verhindern. Da können nur Spezialisten helfen, wenn man es denn gemerkt hat. |
#20
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AW: Winnenden - Post scriptum
ja, z.B. mit LSD
aber spannendes Posting, melde mich später dazu nochmal
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