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#21
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AW: Mord an Hrant Dink
Zitat:
Vergessen, verdrängt, verleugnet Am 24. April fand in Frankfurt die zentrale Gedenkfeier zur Erinnerung an den ersten Völkermord des vergangenen Jahrhunderts statt: Vor genau 90 Jahren begann der Genozid der Türken an den Armeniern. Bis heute weigert sich die Türkei, die eigenen Verbrechen anzuerkennen, und will auch deutschen Politikern ihre Position aufzwingen. Gedenken an die Opfer der türkischen Massaker Am 24. April, nachmittags in der Frankfurter Paulskirche: Gedenken an die türkischen Massaker an den Armeniern vor 90 Jahren. Der Publizist Ralph Giordano erinnert an den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts, bei dem über eine Million Menschen in den Jahren von 1915 – 1918 grausam umgebracht wurden: vertrieben, erschlagen, erschossen, dem Hungertod überlassen. Männer, Frauen, Kinder: "Die Aufnahmen, die da gemacht worden sind, während der Deportation der Armenier, Hunderttausender, in die Wüsten Syriens und Mesopotamiens 1915/1916 sind so, wie die Welt sie nur noch einmal gesehen hat, nämlich nach der Befreiung der deutschen Konzentrationslager durch die Alliierten 1944/1945." Die planmäßige Vernichtung Es war die systematische Ausrottung eines ganzen Volkes. Die Türkei hatte den Balkankrieg verloren: Das Osmanische Reich schrumpfte zusammen. Jetzt galt die nationalistische Parole: Die Türkei den Türken – ohne die verhassten Armenier. Am 24. April 1915 begann ihre planmäßige Vernichtung. Das Martyrium der Armenier überstieg alles bis dahin Bekannte. Sie wurden aus ihren Häusern vertrieben, deportiert, erschossen oder auf Todesmärschen in die Wüste getrieben, wo sie verhungerten. Nur wenige überlebten, wie Mihran Der-Sarkassian: "Die, die gehen konnten, gingen weiter und die, die es nicht konnten, blieben liegen. Die liegen blieben, starben dort. In der Nacht wurden sie von Raubtieren gefressen. Einige beendeten ihre Qual, indem sie sich in den Fluss warfen. Es gab weder Essen noch Trinken. Meiner Mutter blieb nichts anderes übrig, als meiner Schwester Urin zum Trinken zu geben, weil sie so durstig war." Gräuel im Schatten des Ersten Weltkrieges Ein Verbrechen im Schatten des Ersten Weltkrieges. Die Türken waren die Verbündeten Deutschlands. Und obwohl deutsche Diplomaten detailliert von den Gräueln berichteten, reagierte Berlin kaltschnäuzig: Unser einziges Ziel ist, die Türkei an unserer Seite zu halten, ob darüber Armenier zu Grunde gehen oder nicht. Der Völkermord war dem Kaiserreich egal. Autor Wolfgang Gust hat die historische Dimension in seinem Buch niedergeschrieben: "Man muss schon sagen, durch die Tatsache, dass die Deutschen über alles Bescheid wussten und nichts getan haben, mit Ausnahme von verbalen Protesten, von denen sie wussten, dass es verbale Proteste waren, fällt auf Deutschland schon eine gewisse Mitschuld." Eine vergessene Tragödie Über den Ruinen der armenischen Siedlungen weht heute die türkische Fahne. Über eine Million Armenier fielen der Ausrottung zum Opfer. Die Türkei leugnet jede Verantwortung für den Völkermord. Und in den unruhigen Zeiten nach dem Ersten Weltkrieg interessierte sich niemand für das Schicksal des armenischen Volkes. Die Tragödie geriet in Vergessenheit. Und so mahnt Ralph Giordano: "Es gibt einen fürchterlichen Ausspruch, der zeigt, was dieses Nichtwissen für Folgen hat. Hitler sagt am 22. oder 23. August 1939, also eine Woche des von ihm ausgelösten Zweiten Weltkrieges, vor den Kommandeuren der SS- Todesschwadron und einer sehr willfährigen Generalität, sagt der Führer, dies wird kein Krieg wie andere Kriege zuvor, dies wird ein Krieg gegen Mann, Weib und Kind. Und dann sagt er: Wer spricht heute noch von der Vernichtung der Armenier?" Der türkische Staat lehnt die Verantwortung ab Bis zum heutigen Tag, 90 Jahre danach, lehnt der türkische Staat jede Verantwortung für den Völkermord ab. Die offizielle Sprachregelung lautet: Es waren Defensivaktionen, die unter den Bedingungen des Ersten Weltkrieges - ungewollt - sehr viele Opfer forderten. Wer sich dieser offiziellen Lesart nicht anschließt und von Genozid redet, wie der Schriftsteller Orhan Pamuk, wird als Verräter angefeindet, mit Morddrohungen und Hetzartikeln in der Presse. Pamuk hat öffentliche Auftritte inzwischen abgesagt. Deshalb kritisiert Ralph Giordano: "Ich sehe nicht, dass von offizieller Seite der Türkei wirklich Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Schweigen, mit dem die Opfer zum Zweiten Mal getötet werden, dass das wirklich aufgebrochen wird." Die erste Debatte zum Thema im deutschen Bundestag Im Gegenteil: Die türkische Botschaft in Berlin versucht sogar, Einfluss auf deutsche Schulen zu nehmen: Im Land Brandenburg sollte die Erwähnung des Völkermords aus dem Lehrplan gestrichen werden. Armenische Proteste konnten das verhindern. Der Bundestag wagt sich nur zögernd an das Thema heran. Die erste Debatte überhaupt fand am 21. April vor fast leerem Hause statt. Man beschloss, an die Türkei zu appellieren, aber das Wort "Völkermord“ wird vermieden. Ankara soll nicht düpiert werden. Völkerrechtler Otto Luchterhand dazu: "Insgesamt würde ich das in der Tat als ein Zeichen von Feigheit, von politischem Opportunismus und von Inkonsequenz in Bezug auf die Völkermordproblematik einschätzen." Akten aus dem Archiv des Auswärtigen Amtes 90 Jahre danach erscheinen jetzt die schockierenden Berichte der deutschen Diplomaten von damals als Buch. Die Akten lagen im Archiv des Auswärtigen Amtes. Amtschef Joschka Fischer wurde um ein Vorwort gebeten – und lehnte ab. Und auch Gerhard Schröder will es sich mit dem EU-Kandidaten und NATO-Partner Türkei nicht verderben. Bisher gab es keine Äußerung des Kanzlers zum Völkermord – wird er auch beim seinem Staatsbesuch Anfang Mai schweigen ? Mihran Der-Sarkassian denkt nur an eines: "Bis zum heutigen Tage sagt mein Bruder immer wieder, die Leiche meiner Mutter wurde von Hunden gefressen, sie wurde von Hunden gefressen." |
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