Volksverhetzung?

[Carstens_Brüderchen]

Mal kurz back to topic...was ist eigentlich mit dem Ausspruch "Du Jude"? Nach kurzem Überfliegen der Rechtslage scheint mir das noch nicht zwingend als Volksverhetzung zu gelten. "Du Sch***-Jude" allerdings sehr wohl.

Wenn ich das analog ausrichte auf "Du Sch***-Deutscher", ergibt sich für mich schon eine gewisse Sinnhaftigkeit bei der Grundüberlegung, hier Unfrieden vermeiden zu wollen. Dabei spielt für mich jetzt keine Rolle, ob es Deutsche gibt, die kein Problem damit haben, wegen ihrer Nationalität beschimpft zu werden oder ob es Juden geben mag, die auch kein Problem damit haben, ihres Glaubens wegen beschimpft zu werden.

Fakt ist, dass aus solchen Verhetzungen in der Vergangenheit grauenhafte Szenarien entstanden sind - wohl ein Hauptgrund für §130. Dementsprechend erachte ich die Beleidigung von Religionsgruppen, Völkergruppen und dergleichen grundsätzlich als eine Verletzung der Würde der Betroffenen, weil hiervon immer die Gefahr eines Schwelbrands für Menschenrechte und den Bürgerfrieden ausgeht.

Sich jovial auf das hohe Ross zu setzen, indem man sagt "mir doch egal - wenn sie Spaß dran haben, sollen sie doch machen - das ficht mich nicht an" halte ich für wenig umsichtig. Das mag zwar zunächst von Selbstsicherheit oder von Courage zeugen, jedoch waren unter Millionen Holocaust-Toten sicher einige Zehn-, wenn nicht Hunderttausend, die diese Problematik während der Anfänge ebenso souverän abgewiegelt und anschließend mit dem Leben bezahlt haben...

Nur, um eins klarzustellen: Mich treibt hier nicht irgendein patriotischer Anspruch, sondern vielmehr die Befürchtung, dass der soziale Friede durch solche Beschimpfungen zunehmend aus den Fugen gerät. Das ist nicht gut!

Dass solche Verhetzungen von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Schieflagen herrühren, ist mir klar, darf aber niemals dazu gereichen, dass Deutsche Farbige zusammenschlagen, Deutsch-Russen Türken den Schädel zertrümmern, Albaner und Libanesen mit Messern aufeinander losgehen usw. - doch solche Szenarien häufen sich mehr und mehr.

Sowas fängt alles im Kleinen an...erst verbal, dann körperlich, dann unter Einsatz von Waffen. Vielleicht ist es gut, wenn man schon bei "verbal" die Bremse anzieht...

Gruß

Olaf

[nevada]

regs nevada

[Jaskula]

Zitat von Carstens_Brüderchen

Sowas fängt alles im Kleinen an...erst verbal, dann körperlich, dann unter Einsatz von Waffen. Vielleicht ist es gut, wenn man schon bei "verbal" die Bremse anzieht...

Macht aber nur Sinn, wenn man parallel beginnt, die Ursachen zu bekämpfen. Strafe wirkt nur bei denen abschreckend, die etwas zu verlieren haben. Diejenigen, die soweit unten sind, daß sie ohnehin keine Chance in unserer Gesellschaft haben, ob Deutsche oder Ausländer, lassen sich davon kaum beeindrucken, dass sie wegen Beleidigung eine Geldstrafe bezahlen sollen. Oder sollen die dann deswegen im Knast ihren Kriminellen-Feinschliff erhalten ?

Ansonsten aber volle Zustimmung zu Deinen Ausführungen.

[spinball]

Zitat von Jaskula

Macht aber nur Sinn, wenn man parallel beginnt, die Ursachen zu bekämpfen. Strafe wirkt nur bei denen abschreckend, die etwas zu verlieren haben. Diejenigen, die soweit unten sind, daß sie ohnehin keine Chance in unserer Gesellschaft haben, ob Deutsche oder Ausländer, lassen sich davon kaum beeindrucken, dass sie wegen Beleidigung eine Geldstrafe bezahlen sollen. Oder sollen die dann deswegen im Knast ihren Kriminellen-Feinschliff erhalten?

Natürlich ist alles irgendwo auch eine soziale Frage und die Verhältnisse sollten gerechter gestaltet werden.
Trotzdem gibt es keinen ethischen Grund und kein Recht, Unschuldige und Unbeteiligte zu beleidigen oder sogar deren körperliche Unversehrtheit zu verletzen, nur weil man selbst mal von andern eventuell benachteiligt oder ungerecht behandelt wird oder wurde.
Solche Aktionen müssen streng und sofort im augenblicklichen gesetzlichen Rahmen (z.B. Arbeit in sozialen Einrichtungen) sanktioniert werden, sonst wird vieles von den einfachen und oft auch zum Teil recht primitiven Gemütern nicht mehr ernst genommen - sie sehen es dann sozusagen als ihr Recht an, so zu handeln und sich abzureagieren.
Es sollte als moralischer Verhaltenskodex gelten, dass man Unbeteiligte, Unschuldige und auch Schwächere nicht beleidigt (das ist sozusagen die "Einstiegsdroge") und erst recht nicht sich an ihnen vergreift. Wenn alle Schichten (z.B. auch Manager, da würde es dann aber eher ungerechtfertigte Bereicherung sein) dies begreifen und beherzigen, dann erst hat eine Gesellschaft begriffen, wie man zum sozialen Frieden und Ausgleich kommt.
Aber nicht, indem man Verhaltensweisen und Ausdrücke prekären Ursprungs salonfähig macht, indem man sagt, da es mich nicht stört, sollten alle andern auch gelassener reagieren...
Für gewaltbereite Jugendliche (die natürlich vor Beleidigungen erst recht nicht zurückschrecken) kann nur gelten, kanalisiert eure Power und setzt sie ein, um die Verhältnisse zu ändern, nicht um sie zu verfestigen!
(Individueller Terror hat schon bei der RAF nicht geklappt)
Erziehung bei den Anfängen (später ist das Kind oft schon ziemlich in den Brunnen gefallen) ist auf jeden Fall auch Vermittlung von höflichem Verhalten, und dazu gehören Beleidigungen nun mal auf gar keinen Fall!

[flatulenzio]

Etwas OFFTOPIC:

Härtere Strafen funktionieren, wie oben bereits erwähnt, in der Regel nicht wie von den "Verhängern" geplant. In GB hat man ausgezeichnete Erfahrungen damit gemacht, die guten alten "Bobbies" wieder auf Streife zu schicken. Zu Fuß oder zu Pferd. Ohne Schusswaffen. Alleine die Präsenz führte zu deutlichen Rückgängen der Kriminalitätsrate...

Sollte man sich auch hierzulande mal ein Beispiel nehmen, statt eine "Task Force" nach der anderen aus dem Boden zu stampfen!!!

Eine alte Weisheit besagt: Du stärkst, was Du bekämpfst...