Allrounder im Spitzen-Tischtennis: Fehlanzeige?

[Elbandolero]

Hola tt-amigos:

ausgelöst durch ein telefonisches " TT-Fachgespräch " welches ich vor einigen Tagen führte
ist der Begriff des Allrounders im Tischtennis erwähnt worden. Mir ist da sofort aufgefallen das ich beim Spielertypus zwar zwischen Angreifer und Abwehrer unterscheide; den Begriff " Allrounder " habe ich aber schon seit Jahren nicht mehr benutzt. Ist dieser Spielertyp ( mögliches Beispiel: Peter Stellwaag ) mittlerweile ausgestorben ? Ist jeder Spieler der die verschiedensten Schlagtechniken alle " ein bißchen " beherrscht gleich ein Allrounder ? Was unterscheidet den Allrounder vom Angreifer bzw. Abwehrer ( Halb-Distanz ? ) ?

Würde mich über konstruktive Antworten und Meinungen freuen. Gracias.

un saludo a todos. El Bandolero.

[kum25]

Ich persönlich würde aktuell aus der Weltspitze nur Samsonov als Allrounder bezeichnen.

[pibach]

Man könnte entfernt auch Jun Mizutani, Adrien Mattenet und Aruna Quadri dem zuordnen.

[JanMove]

Ich würde sagen das hängt von der Definition ab, was man unter einem Allrounder versteht.
Im eher weiter unten angesiedelten Hobbybereich würde ich sagen, dass ein Allrounder eher sehr verhalten spielt. Er schupft erst mal mit, und wenn der Gegner angreift wird klassisch mehr oder wneiger sicher geblockt. Zwischendurch gibt es aber auch mal eine Topspinattacke, die normalerweise eher auf Rotation und Platzierung ausgerichtet ist.
Je weiter oben man spielt umso weniger funktioniert so ein System, weswegen es so etwas bei den Profis nicht gibt. Mit zunehmender Spielstärke muss das Spiel zwangsweise offensiver ausgelegt werden. Bei den Profis gibt es dann im Prinzip nur noch Offensivspieler oder moderne Verteidiger. Das liegt zum einen daran, dass die klassischen Blocktechniken im Profibereich ausgestorben sind, und alles nur noch mit Spinblock oder Gegentopspin beantwortet wird. Die letzten grossen Spieler, die noch klassisch extrem gut geblockt haben waren Persson und Waldner. Persson war für mich ein perfekter Allrounder. Waldner ist dafür zu sehr auf den Aufschlag und Vh-Topspin fixiert.
Bei den noch aktuellen Profis, die ich so in den Übergangsbereich zum absolut modernen Spiel sehen würde, würde ich Samsonov und Oh Sang Eun als die letzten Allrounder bezeichnen (fall Letzterer überhaupt noch spielt). Aber die verschwinden auch bald von der Bühne. Deren Stärke, die hohe Grundsicherheit und das Passivspiel, ist eben zugleich auch deren Schwäche, da sie sich oftmals auf dieses Spiel verlassen und dann für heutige Verhältnisse zu passiv spielen. Ich kenne beispielsweise keinen anderen Spieler, der mit einem Schupfball den Gegner so unter Druck setzen kann wie Samsonov! Habe mal ein Spiel zwischen den beiden gesehen, bei dem oftmals derjenige Spieler das Nachsehen hatte, der versuchte den Punkt offensiv zu erspielen.
Ich bin ein richtiger Fan der Samsonov'schen Spielweise, was u. a. auch daran liegt, dass ich auf meinem Niveau einen ähnlichen Spielstil praktiziere. Da man mit Allrounder aber wie oben beschrieben eine eher passive Spielweise verbindet bezeichne ich meinen Stil immer als "variabel offensiv". Das hört sich für mich besser an.

[JanMove]

Zitat von pibach

Man könnte entfernt auch Jun Mizutani, Adrien Mattenet und Aruna Quadri dem zuordnen.

Die würde ich eher als Halbdistanzspieler bezeichnen. Die spielen aber alles mehr oder weniger nur Topspin.

[pibach]

Zitat von JanMove

Die würde ich eher als Halbdistanzspieler bezeichnen. Die spielen aber alles mehr oder weniger nur Topspin.

Das war eigentlich schon immer kennzeichnend für "Allroundspieler" siehe z.B. Mikael Appelgren. Ok, Stellan Bengtsson hat auch mal eine Hacke eingestreut, das macht heute kaum noch jemand (bzw. heißt dann "moderne Abwehr" und wird mit einer Seite Noppen gespielt). Das Spiel ist halt insgesamt spinniger und druckvoller geworden.

[JanMove]

Wie gesagt ist das auch eine Frage der Definition. Wenn aber jemand sein Spielsystem im wesentlichen nur auf einen Schlag aufbaut wie z.B. Topspin aus der Halbdistanz ist das für mich kein Allrounder. Dann wären auch Kreanga viele andere als Allrounder zu bezeichnen.
"Allrounder" impliziert für mich, dass mehr oder wenige alle Schlagtechniken beherrscht und auch eingesetzt werden.

[kum25]

Ein Allrounder ist für mich ein Spieler, der (nahezu) alle Schlagtechniken spielen und auch in seinen Spielen, (gewinnbringend) einsetzen kann. Aktuell, wie schon gesagt, nur Samsonov für mich. Früher auch ein Oh Sang Eun, Waldner, Persson und ich würde auch Schlager im weitesten Sinne dazuzählen.

[pibach]

Die "klassischen" Allroundspieler sind eigentlich Saive, Appelgren, Jónyer oder Bengtsson. Das war auch bei denen immer schon hauptsächlich Topspin (und der ist inzwischen natürlich noch wichtiger geworden). Ihr Spiel ist dadurch geprägt, dass sie selten härter spielen als der Gegner und gegen dessen vermeintliche Winner einfach einen Schritt zurück gehen und den Ball wieder reinspielen. Sie agieren gerne aus der Halbdistanz sowie auch mal Ballonabwehr.

Waldner und auch Oh Sang Eun bleiben dagegen normalerweise am Tisch und blocken auch viel und suchen den harten Abschluss, sobald es geht. Das gehört eigentlich nicht zum klassischen Allroundspiel.
"Allroundspiel" ist also etwas irreführende Bezeichnung.

[Zigeuner]

Also klassisches Allroundspiel im Hobbyberich ist jemand, der technisch nicht in der Lage ist vernünftig und konsequent anzugreifen .

Im Profibereich ist es jemand, der eine Bandbreite an Schlagtechniken und -variationen gewinnbringend einsetzt.
Außerdem wird weniger aggressiv und risikoreich gespielt, das passive Spiel ist ihre Stärke. Der Grundgedanke besteht eher darin den Ball einmal öfter auf den Tisch zu bringen als der Gegner und nicht darin den Ballwechsel immer schnellstmöglich zu beenden (was zwar auch gemacht wird, aber seltener und gegen ihre Natur).