Europa auf dem Boden der Tatsachen

[Felix Lingenau]

Nicht nur hier im Forum war die Stimmung vor den Achtelfinals der Herren bei der WM in Osaka gar nicht mal so schlecht. Europa wurde durchaus gleichberechtigte Stellung gegenüber Asien zugerechnet. Die 9:7 Beteiligung daran liess diese hoffnungen ja auch zu.

Das böse Erwachen kam im Achtelfinale. Im Vietelfinale steht als einziger Europäer Samsonov. Und wenn man böses will dann kann man sagen er steht dort weil er als einziger einen Europäer und keinen Asiaten zm Gegner hatte.

Mich interessieren eure Meinungen zumThema und vor allem ob ihr auch Ursachen seht, die dafür verantwortlich sind.

[BlackJack]

Hi,

wir haben dasselbe Thema im Thread drunter, aber egal. Ich muss sagen, dass es mich doch schon etwas überrascht, das kein Europäer sich gegen einen Chinesen durchsetzen konnte. Gut, man hätte damit rechnen können, aber die meisten Spiele waren ja doch recht eindeutig zu Gunsten der Asiaten. Was das "warum" angeht, gibt es auf der Seite des ITTF ein kleines Interview mit Werner Schlager, der sagt, dass in China einfach TT einen ganz anderen Stellenwert hat und das es dort vor Allem eine ganz andere (und anscheinend viel besserer ) Talentförderung und Jugendarbeit gibt. Ich denke da liegen schon die Knackpunkte. Wenn man mal vergleicht, wie viele junge, talentierte Spieler China hervorbringt und besonders wie viele dann auch den Sprung an die Weltspitze schaffen und dann mal sieht, wie es in Europa aussieht, da kann man schon einen riesen Unterschied sehen.
Vielleicht ein Problem (nur mal eine Idee) ist, dass es in Europa einfach nicht die Zusammenarbeit gibt, wie in China. Wenn man mal sieht, China ist von der Größe her vielleicht insgesamt so groß wie ganz Europa. So, in diesem riesen Land wird nun überall Talentförderung betrieben und ich denke mal, da arbeiten alle Stützpunkte zusammen. Nun schaun wir mal zusammen nach Europa. Da arbeitet jedes Land schön für sich, aber ich glaube dann hört's auch schon auf. Vielleicht müsste man einfach in Europa vielmehr zusammen statt gegeneinander arbeiten, um die asiatische Vormachtstellung zu durchbrechen. Nur mal so eine Idee

cu
BlackJack

[Tansincos]

Das Asiatische Schiff versenkt Europa mit cinesichen Kanonen.
Ganz böse Sache für Europa.
Wenn man sich die bisherige Bilanz anschaut, kann man nur sagen:
Es muß ganz schnell irgendwas pasieren!

[Walker]

Original erstellt von Tansincos

Es muß ganz schnell irgendwas pasieren!

Also, ganz schnell muss sicher nichts passieren !!!
Leider kapieren es viele Leute immer noch nicht, dass man im Sport "ganz schnell" gar nichts bewegt.
Abgesehen davon, dass TT in China einen ganz anderen Stellenwert hat und die Europäer wohl nie mit China gleichziehen werden, müsste man wenn, ein Konzept
für eine langfristige Talentförderung ausarbeiten.
Einen möglichen Ansatz dazu hat BlackJack genannt.

Ich denke, dass nach jeder TT-WM die Europäer so aufgeschrien haben, aber geändert hat sich bisher wohl noch nichts, was beweist, dass es gar nicht so leicht ist, China an den Karren zu fahren :-).

[Obergans]

Original erstellt von Walker


Also, ganz schnell muss sicher nichts passieren !!!

Ich denke, dass nach jeder TT-WM die Europäer so aufgeschrien haben, aber geändert hat sich bisher wohl noch nichts, was beweist, dass es gar nicht so leicht ist, China an den Karren zu fahren :-).

Das klingt aber nach Kapitulation. Das kann´s ja auch nicht sein, es einfach so zu akzeptieren, dass wir halt schlechter sind! Durch Abwarten löst man auch kein Problem! Es müssen Konzepte her, ganz klar.

Warum kommt eigentlich aus den komischen Tischtennis-Internaten, die da mal reihenweise eingerichtet wurden, nix raus??

[Coach]

In der deutschen Förderpolitik gibt es einige Fehler!

1. Fehler:
Die Regionen (Landesverbände) arbeiten nicht zusammen. Statt Kooperationen aufzubauen "kocht jeder Verband sein eigenes Süppchen". Besonders problematisch ist es dann, wenn die Trainer der verschiedenen Ebenen unterschiedliche Vorstellungen von Training und Technik haben.

2. Fehler:
Um erfolgreich zu arbeiten ist es nötig, täglich und auf hohem Niveau zu trainieren. Da bei unserem Vereins- und Kadersystem jedoch wieder jeder Bereich seine eigenen Interessen an einem Spieler hat, findet wiederum keine optimale Zusammenarbeit statt.

3. Fehler:
Wie ich oben bereits angedeutet habe, haben verschiedene Trainer unterschiedliche Vorstellungen. Wenn ein Spieler bei Lehrgängen auf drei verschiedenen Ebenen einen Schlag (z.B. VH-Konter) mit drei verschiedenen Bewegungen erklärt bekommt, ist dies für eine optimale Förderung kontraproduktiv.

4. Fehler:
Auch das Auswahlverfahren für Talente muss verbessert werden. Es darf nicht sein, dass ein Trainer auf unterer Ebene Talente nicht fördern will, da sie aus einer bestimmten Region seines Landesverbands kommen, während der Bundestrainer diesen Jugendlichen als förderungswürdig einstuft und ihn bis zur höchsten Sichtungsstufe einläd.

Wie kann man etwas ändern?

Es muss in Deutschland ein Internatsystem entstehen. Spieler, die im Internat leben und täglich trainieren können, werden schneller besser und schaffen es früher, auf ein hohes spielerisches Niveau zu kommen. Dadurch ist er zu einem Zeitpunkt in der nationalen Spitze, in dem er noch in einer entwicklungsfähigen Phase (Alter) ist.
Alle Internate müssen unter der Oberaufsicht des/der Bundestrainer stehen, damit ein einheitliches Konzept verfolgt werden kann und auch die Trainer gleiche Vorstellungen von Training und Bewegung haben. Es müssen regelmäßige Treffen und Lehrgänge stattfinden, damit sich die Trainer absprechen können. Ich habe selber jahrelang als Stützpunkttrainer gearbeitet und habe mich immer wieder über fehlende Kooperationen beklagt. Leider hat sich bis heute nichts geändert.

Auch die Auswahl der Talente muss unter qualitativ hochwertiger Aufsicht erfolgen. Wer ein Blick für Talente hat kann besser auswählen als ein weniger qualifizierter
Basistrainer. Wer sich die Sendung "Popstars" angesehen hat, hat mitbekommen, wie ein Gremium von "Sichtern" Talente gesichtet und nach und nach nach verschiedenen Kriterien ausgesondert hat. Am Ende sind einige übriggeblieben, die man als die Besten der Besten ansehen kann. Das muss auch beim Tischtennis erfolgen.

Damit die Spieler auch auf den entsprechenden Ebenen ihre Mannschaftsspiele absolvieren, sollten Kooperationen mit entsprechenden Vereinen eingegangen werden. Solche Kooperationskonzepte werden in einigen Regionen bereits erfolgreich praktiziert.
Wenn keine Kooperationsvereine zur Verfügung stehen, sollte für die Spieler die Möglichkeit geschaffen werden, als Gastspieler in entsprechenden Vereinen mitspielen zu können. Besteht auch diese Möglichkeit nicht, so sollte man Stützpunktvereine einführen, die in Ligen eingestuft werden, in denen die Nachwuchsspieler die besten Entwicklungschancen haben.

Wenn in Deutschland Tischtennis erstklassig werden soll, müssen diese Punkte umgesetzt werden. Die meisten dieser Punkte werden in China bereits praktiziert. Darum sind uns die Chinesen so haushoch überlegen.
Ich hoffe, dass die Deutschen endlich aufwachen und ein erfolgreiches Konzept in die Wege leiten!

[Walker]

@ Dennis

Meiner Meinung nach wird China die Vormachtstellung im TT behalten. Selbst wenn es die Europäer mal schaffen einen "Wunderspieler" hervorzubringen, werden in der Weltspitze trotzdem vor allem Chinesen zu finden sein.
In den nächsten Jahren kann es, realistisch gesehen, nur unser Ziel sein die Chinesen ein bisschen zu ärgern (siehe Schweden bei der letzten WM).

Langfristig kann man vielleicht mit guten Konzepten (siehe dazu den excellenten Beitrag von Coach) zu China aufschliessen. Wobei die Änderungen wirklich sehr tiefgreifend sein müssten, vielleicht werden auch die Vereine dann eine sehr viel geringere Rolle spielen.

Weiterhin könnte ich mir vorstellen, dass es mit der europäischen Integration auch zu einer besseren Zusammenarbeit in Bezug auf Sport, bzw. TT kommt.
Aber wie gesagt, das steht alles in den Sternen und wird auch nicht in den nächsten Jahren passieren.

[Tansincos]

Das Internatssystem ist meiner Meinung nach das Einzig sinnvolle, da nur so die Talente optimal gefördert werden.
Man hätte es schon vor 10 Jahren einführen sollen.
Aber es wird sein wie immer: es gibt viele Leute mit guten Ideen (wie z.B: in TT - News), aber ihre Meinung kommt nie zu Tage...und so wird sich (leider) nie was ändern.

[Gerhard]

Es ist doch ganz einfach ! In China wird zentral selektioniert und da gibt es keinen Widerspruch. Ein passender Jüngling wird TT-Spieler, ein anderer passender Schwimmer usf. Und im entsprechenden TT-Kindergarten muß(!) täglich auf die verdammte am Zwirn vom Plafond hängende Kugel geschlagen werden. Da kommt kein Elternteil auf die Idee, sich beim Kindergartenleiter zu beschweren (oder nur einmal) Ja, so ist die Realität - selbst in China gesehen. Wollen wir das ????? Oder lieber meistens gegen China verlieren ?

[Tansincos]

Wir müsen es ja nicht so extrem machen, wie die Chinesen.
Aber die Richtung ist korrekt.