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allgemeines Tischtennis-Forum Dies ist unser Hauptforum. Hier geht es um Tischtennis allgemein und hier gehört alles rein, was nicht in die Fachforen oder sonstigen Foren passt. |
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Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Geneigte Forumsgemeinde,
ich lese im Forum seit einiger Zeit mit und bin immer wieder überrascht, ob des enormen Sachverstandes und Fachwissens, welche hier kompiliert werden - Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel. Deshalb will auch ich eine Problematik aus meinem Umfeld schildern. Da ich auf möglichst präzise Anregungen und Ideen für deren Lösung hoffe, bitte ich es mir nachzusehen, wenn meine Schilderung dementsprechend ausladend ausfallen mag. Zur Problematik: Im vorderen Paarkreuz meiner Mannschaft spielt neben meiner Wenigkeit ein junger Spieler (20 Jahre), der einerseits enormes spielerisches Potenzial besitzt, andererseits aufgrund teils massiver Aggressionsprobleme immer wieder weit hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt. Er steht in der Liga aktuell etwa ausgeglichen, könnte aber ohne die negativen Emotionen nach meiner festen Überzeugung durchaus eine Bilanz mit nur zwei Niederlagen aufweisen. Ich versuche herauszufinden, welchen Mustern die Ausraster folgen, will ergründen, welchem Denken sie entspringen, um auf diese Weise einen Lösungsansatz zu finden. Die Tatsache, dass die genannten Wutausbrüche nicht auf Punktspielsituationen beschränkt sind, dürfte verdeutlichen, wie umfassend das Problem ist. Schon im normalen Training kommt es bei ihm zu Verstimmungen, wenn er beim Einspielen eine Reihe von Bällen nicht trifft. Das rationale Fehleranalysieren ist bereits hier schwer möglich. Stattdessen reagiert er mit Fluchen auf Fehler. Verliert er im Training ein Spiel gegen einen Vereinskollegen - sei dieser nominell schwächer oder stärker, das spielt keine Rolle -, kommt es teilweise bereits hier zu Schlägen auf und gegen den Tisch, unter Umständen aber auch zu "kontrollierten" Schlägerwürfen. Wie erfolgreich das Training auch war - nahezu immer endet es damit, dass ein Satz verloren wird oder einige Bälle nicht getroffen werden. Dann folgen Wut, Frust und meist setzt er sich in eine Ecke, um dort einigen Minuten von sich "hinzukochen". Einige Momente später geht es bereits wieder, er ist ansprechbar, es folgt eine gewisse Einsicht und der Wille wird bekundet "nie wieder" in Training oder Punktspiel auf diese Weise zu eskalieren. Die Umsetzung bleibt stets aus. Nun zu den Punktspielsituationen: Im gemeinsamen Doppel gelingt es mir noch, die Ausraster in begrenztem Maße einzuhegen. Unsere Kombination funktioniert sehr gut, doch bereits nach zwei oder drei verschlagenen Bällen seinerseits spüre ich seine wachsende Wut, die sich vor allem darin äußert, dass er teils einfache Bälle über den Tisch hinausjagt oder ins Netz schießt. Ihn immer wieder zu "pushen" und zum Fokussieren aufzufordern, ist jedoch meist erfolgreich und es bleibt bei kleineren Konzentrationsschwankungen. Das kostet mich selbst aber bereits ungeheure Kraft, da ich stets eine zweite Baustelle habe, die nicht außer Kontrolle geraten sollte und meiner Aufmerksamkeit bedarf. Im Einzel gestaltet sich die Sache weitaus extremer. Kurz zusammengefasst könnte man sagen: Gewinnt er und trifft jeden Ball, ist alles in Ordnung - mit Würde zu gewinnen fällt in diesem Sinne nicht schwer. Schon beim minimalsten Gegenwind des Gegners jedoch oder eigenen Fehlern - die in unserem Sport eben unvermeidlich sind - , stehen die Zeichen auf Sturm. Nach meinem Eindruck ist es dabei irrelevant, ob der Gegner ihm nominell weit überlegen ist oder einen schwächeren Punktewert besitzt. Die Reaktionen ähneln sich in beiden Fällen und unterscheiden sich nicht signifikant. Meist beginnt es bereits, wenn er nur einen einzigen Satz verloren hat. Während des Satzes erfolgen sarkastisches Lachen, Fluchen, resignierende Gesten, Bandentritte, am Satzende erfolgt ein nahezu obligatorischer Schlägerwurf oder - in kreativen Momenten - wird der Ball weggeschossen. Tragisch ist, dass diese ungeheure Wut das gesamte eigene Spiel sabotiert. In Satzpausen ist er in diesen Momenten kaum ansprechbar, reagiert auf taktische Beratungen apathisch und beherzigt sie ganz offensichtlich nicht. Im nächsten Satz reicht dann ein verschlagener Ball, um das gesamte Spiel in sich zusammenbrechen zu lassen. Die einfachsten Bälle werden verschlagen, erneute Eruptionen folgen, kurzum: es ist ein so effektiver wie selbstzerstörerischer Teufelskreislauf... Sehr wichtig erscheint mir, dass die Aggression stark nach innen gerichtet ist. Nach meinem Eindruck ist sie nie auf den Gegner gerichtet, es erfolgt auch keine vorwurfsvolle oder anderweitige Kommunikation über Gesten oder Blicke mit den Mitspielern. Stattdessen scheint er völlig in sich selbst verloren, geradezu in einem "negativen Tunnelblick" befangen zu sein. Ist ein gewisser Punkt überschritten, ist insofern nichts mehr zu machen. Man merkt ihm an jeder Bewegung an, dass er innerlich vor Wut geradezu übergeht und keines rationalen Gedankens mehr fähig ist. Die negativen Emotionen beherrschen ihn dann völlig. Weder ich noch andere finden einen Zugriff, die Spiele sind dann meist rasch vorüber. Zu meinen Lösungsversuchen: Selbstverständlich habe ich zahllose Male das Gespräch mit ihm gesucht. Gerade im Training mache ich ihn auf seine Stimmungsschwankungen aufmerksam und versuche, mit ihm gemeinsam Rationalität und klare Fehleranalyse aufrechtzuerhalten. Im Rahmen einer umfangreicheren Technikanalyse, die ich mit mehreren Spielern meines Vereins durchgeführt habe, sprach ich sehr ausführlich mit ihm über dieses Defizit seines Spiels und habe versucht, im auseinanderzusetzen, dass er sein Spiel dadurch selbst zerstört. Stets erfolgen Einsicht, Versprechungen der Besserung, die jedoch keine zwei Tage von Erfolg gekrönt sind. In den Partien selbst versuche ich, ihn herunterzubringen und beruhigend auf ihn einzuwirken. In letzter Zeit habe ich aber auch einige Male eine härtere Gangart gewählt und ihn "angefahren", seine Eruptionen zu unterlassen. Mein Anliegen: Ich hoffe, es wurde deutlich, dass ich eine Veränderung dieser Situation herbeiführen will. Sie belastet einerseits den Akteur selbst, stiftet jedoch auch Unruhe in der gesamten Mannschaft. Ich würde mich außerordentlich über Anregungen freuen. Zum ersten assoziative Gedanken zu dem von mir konzise Dargestellten: Woher kommt die Wut, welchen Mechanismen folgt sie, welche Dinge könnte ich übersehen haben? Und zum zweiten: Welche Wege gäbe es, mit dem Spieler zu arbeiten, bzw. ihn selbst dazu anzuregen? Ich denke da unter anderem an konkrete Lektüretipps. Diese dürfen gerne aus der Tischtennisbranche kommen, ebenso wichtig wären mir aber auch Hinweise auf Bücher, in denen es um Aggressions- und Emotionskontrolle im Sport geht. Gibt es eventuell auch Videos, auf denen die zerstörerische Dimension negativer Emotionen im Tischtennis deutlich wird? Auch das könnte in meinen Augen helfen. Im Übrigen besitze ich bereits vier Videos, auf denen ich seine Ausraster in guter Qualität dokumentiert habe. Wäre es eine Möglichkeit, sich diese mit ihm anzusehen? Die ganze Lächerlichkeit seines Verhaltens könnte ihm so deutlich werden... Spannend wäre doch insbesondere die Frage, wie man die beschrieben Emotionen in positive umwandelt. Mir geht es nicht darum, einen besseren Menschen aus dem Spieler zu machen. Vielmehr kenne ich zahlreiche, auf ihrem Niveau erfolgreiche Spieler, die in Punktspielen aggressiv wirken. Allerdings verfügen sie über eine Art positive Aggression; schlagen zum Beispiel in die Bande oder brüllen wie Geisteskranke, um dann im Anschluss in vollem Fokus ihr bestes Tischtennis zu spielen. Wie kommt man dorthin? Ist es richtig von mir, dort eine "Aggressionsverwandtschaft" zu ahnen und auf einen möglichen Transfer zu hoffen? Kann bei einem emotionalen Spieler der Weg zur konstruktiven Aggression gelingen oder ist dies charakterlich determiniert? Nicht zuletzt stelle ich mir die Frage, wie von meiner Seite aus mit der Sache umzugehen ist. Da meine Geduld - um offen zu sprechen - nunmehr an einem seidenen Faden hängt, habe ich mir überlegt, ob unter Umständen auch ein "reinigendes Gewitter" helfen könnte? Im konkrete meine ich, ihm in einer entsprechenden Spielsituation eine richtige "Szene zu machen" und ihm einmal - gewiss verbal aber unmissverständlich - Kontra zu geben. Ich freue mich auf Anregungen, Ideen, gerne aber auch Kritik, falls meine Beschreibung, Analyse und die darauf basierenden Deutungen teils ins Irre gehen - denn das ist gut möglich! Anaximandros |
#2
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Schwierige Sache weil solche Verhaltensmuster tief im Unterbewußtsein eingepflanzt sind. Kenne das aus eigener Erfahrung. Da ist auch mit rationalen Argumenten oder ähnlichem nicht so einfach bei zu kommen.
1. Das ganze auf Video mal vorzuführen in einer ruhigen Minute kann natürlich helfen . Vielleicht ist er dann über sich selbst so schockiert dass er es unterläßt. Evtl eine Bezugsperson dazu holen außerhalb des TT. Zb seine Schwester, Freundin besten Kumpel..vielleicht nutzt da ja ein gutes Zureden zusätzlich was. 2. Atemübungen zur Konzentration zb aus fernöstlichen Kampfsportarten oä können helfen. Eben ein ruhiges Ritual was man statt dem Ausrasten in solchen Lagen initialisiert ...Hat bei mir in meiner Hochzeit der Ausraster gut funktioniert (so Anfang Mitte 20). 3. Letzte Möglichkeit sind negative Sanktionen...Sprich die Mannschaft sagt ihm: a) wenn du im Training damit anfängst brechen wir das Trainingsspiel mit dir direkt ab-wir haben da keinen Bock drauf dann mit dir zu spielen b) passiert sowas im Meisterschaftsspiel und du läßt dich nach einem Hinwies von uns nicht beruhigen dann holen wir dich vom Tisch( geht eher bei Jugendlichen) oder verzichten beim nächsten Spiel auf deine Teilnahme... Wir wollen unseren Verein nicht so präsentieren... Muss man dann natürlich auch durchziehen auch wenn es der Mannschaft vieleicht kurzfristig schadet!!!
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Zitat Kriegela: Zu Tode geänderte Sportart - Rest in Peace - Tischtennis Me too ... TT Classic rules TT mit P-Ball ist wie S... mit einer Gummipuppe. |
#3
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Sehr gute Tipps von Fastest!
Auch ein gängiges Mittel ist ein Stopp-Wort. Also ein Wort, bei dem er lernt, seine Emotionen aktiv zu steuern. Die Pause kann er verdeutlichen, indem er dann seinen Schläger bewusst ablegt, einen Schritt zur Seite geht und kurz die Augen zumacht, während er zu sich selbst "STOPP" sagt (innerlich). Am Anfang übt man das dann in den einfacheren Situationen (Training wurde von dir angesprochen), später dann in Situationen, in denen die Selbstkontrolle schwieriger ist. Am Anfang kann das Wort von außen kommen, später von ihm selbst, und noch später äußert er es nur innerlich. Das Ganze funktioniert sozusagen wie ein "Notaus-Knopf", bei dem die Spirale "Ärger - Konzentrationsverlust - Negativerlebnis - Ärger..." unterbrochen wird. Im Idealfall sollte parallel der Aufbau von Konzentration und Fokus geübt werden. Ach ja, ein ganz anderer Ansatz wäre, zumindest im Training, Doppel oder beim Coaching gar nicht mehr auf sein Theater zu reagieren. Möglicherweise versucht der Spieler dadurch unbewusst, Aufmerksamkeit und Zuwendung zu erhalten und bekommt dadurch einen Emotions"kick" (die Reizschwelle im Jugendalter steigt entgegen der landläufigen Meinung, wodurch oft aktiv Wege gesucht werden, sie durch immer "krassere" Situationen zu überschreiten). Auch als Strafe gemeinte Reaktionen können diesen Kick geben. Wenn gar keine Reaktion kommt, gibt es auch keinen Kick. Das kann zwar kurzfristig zu einer Steigerung des Ausrastens führen, mittelfristig macht das Verhalten dann aber keinen Sinn mehr und wird "gelöscht". Das sollte aber vorher auch kommuniziert werden, damit der Spieler nicht den Eindruck bekommt, dass man sich von ihm persönlich abgrenzt. So oder so bessert sich so ein Verhalten langfristig meistens von alleine (eigene Erfahrung!), da es als ineffektiv wahrgenommen wird. Aber das kann seine Zeit dauern, besonders wenn die unterschwelligen Ziele (Mitleid, Zuwendung) immer wieder erreicht werden.
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Du hoschd Rächd un I han mei Ruh |
#4
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Zitat:
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#5
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Zitat:
Wenn das Verhalten so krass ausgeprägt ist wie gesschildert bzw. bei mir rüber kommt, halte ich eine professionelle psychologische Hilfe für ratsam. Der Umgang mit Fehlern und Schwächen sowie das überzogene Anspruchsdenken haben m.E. (tiefen-)psychologische Ursachen, die professioneller Hilfe benötigen und keine Internetratschläge. |
#6
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Meine Meinung:
Entweder ist der Mensch cholerisch, dann wird er dies Verhalten mit ins Grab nehmen, da es seinem Charakter entspricht. Dann kann nur die Vereinsführung für Einhalt sorgen, indem ihm klargemacht wird, dasß er so für den Verein nicht tragfähig ist, oder er ist ein Heißsporn, der sich die Hörner abstoßen will. Dann hilt Geduld und unterstützen, da er irgendwann von selbst ruhiger wird (meist nachdem er Vater wurde). Dies mag etwas platt und vereinfacht rüberkommen, aber ohne den Menschen, sein Umfeld und die Familie zu kennen ,find ichs schwierig für individuelle Probleme, allgemeine Lösungen zu bieten. Gruß
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Tischtennis ist eben nicht wie Radfahren (Wiedereinsteiger) |
#7
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Du meinst so wie das mit der Armlänge Abstand ?
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wer braucht schon eine Signatur |
#8
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Offtopic -> an die Wand
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Du hoschd Rächd un I han mei Ruh |
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Stichwort Plastikball.
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#10
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AW: Vermeiden von Ausrastern und Aggressionskontrolle
Vielen Dank schon einmal für alle Antworten und Versuche, sich der Sache anzunähern - insbesondere an Fastest und Armendariz für die ganz konkreten Anregungen und wertvollen Tipps! Tukans Rat werde ich ebenso beherzigen, eine gesuchte Maximal-Eskalation erscheint mir derzeit mit erheblichen Risiken verbunden zu sein.
Die Idee mit einem Signalwort oder dergleichen, auf das dann ein bestimmtes Ritual erfolgt, erscheint mir interessant. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass mein Vereinskollege kein "geborener Choleriker" ist, sondern dass man mit der Sache umgehen kann. Mal eben drei Jahre warten und die Dinge laufen zu lassen erschiene mir allerdings auch verfehlt. Einerseits verliert er unnötigerweise zahlreiche Spiele, seine gesamte spielerische Entwicklung wird gehemmt, andererseits ist die Atmosphäre vergiftet. Was mich wirklich interessieren würde, ist der von mir kurz angerissene Punkt "positive Aggression" bzw. "positive Emotion". Ist die Idee, all die Energie in solche Bahnen zu lenken utopisch? Und zur Lektüre: Gibt es da konkrete Anregungen? Natürlich wird man da über die Internetsuche fündig, aber vielleicht hat jemand eigene empirische Erfahrungen und Befunde? Anaximandros |
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Ausraster, Wutanfall, Wutausbruch |
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