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Fitness - Ernährung - Psyche - Gesundheit - Verletzungen Keine Ausdauer? Unbeweglich? Übergewicht? Verletzt? Der Körper muss nun mal mitspielen (auch mental), daher geht es hier um Training (abseits des Tisches), Krafttraining, Workouts, Mindset, Rezepte, Tipps für Body & Seele, usw. |
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Themen-Optionen |
#1
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Psychologie im TT / Mentaltraining: unterschätzt oder schwachsinnig?
Hallo Zusammen,
ich würde hier gern einmal eine Diskussion starten, die ich bereits versucht habe, im Thread "die Übermacht aus China" vorsichtig anzubringen. Wie schätzt Ihr die Wichtigkeit des mentalen Bereiches im Tischtennis ein und wie wird er Eurer Meinung nach gefördert, gelehrt & trainiert? Wie schätzt Ihr die Präsenz dieses Bereiches in den Landes- und Bundeskadern ein? Haltet Ihr es überhaupt für einen notwendigen "Trainings"bereich oder setzt sich am Ende doch immer die technische Überlegenheit durch? Von den hier lesenden & schreibenden Profis würde mich interessieren, ob sie schon einmal die Dienste eines Mentalcoaches in Anspruch genommen haben und wie die Erfahrungen sind bzw. warum sie sich vielleicht bisher dagegen entschieden haben. Mal schauen, ob wir hier ne interessante Diskussion in Gang bringen. Viele Grüße, Dirk |
#2
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AW: Mentaltraining: unterschätzt oder schwachsinnig?
Hallo!
429 Hits und noch immer kein Eintrag… Könnte es sein, dass das Thema „Psychologie im TT“ ein äußerst problematisches ist? Ich lasse mal den Spitzensport inkl. China außen vor und spekuliere so vor mich hin: 1. Der Begriff „Psychologie“ ist für viele primär eine „Worthülse“; man kann sich hinter dem Wort nur schwerlich etwas ganz Konkretes vorstellen. Vielleicht wäre das anders, wenn die Psychologie ein Schulfach oder zumindest ein Themengebiet wäre, das im Lehrplan der bundesrepublikanischen Schulen einen festen Standort hätte… 2. Damit einher geht womöglich ein tiefgreifendes Misstrauen gegenüber der Brauchbarkeit psychologischen Wissens und psychologischer Methoden. Im Gegensatz zu anderen Trainingsmethoden (wie Balleimer oder Waldlauf) stellt man im Hinblick auf das Mentaltraining viiel leichter die Frage: „Bringt das wirklich was?“ Ich kann mich täuschen, aber: Relativ selten wird in den handelsüblichen Lehrbüchern so etwas wie aktive Überzeugungsarbeit geleistet, die vielleicht gerade in diesem Bereich notwendig wäre (im Sinne einer „Beweisführung“ – nach dem Motto „So war das vorher – dann haben wir das und das gemacht – und dabei kam dann dies oder jenes heraus“). 3. Ich weiß nicht, welchen Stellenwert das Thema Psychologie bundesweit in der Traineraus- und -fortbildung hat. Ich befürchte aber, dass in dieser oder jener Form am Ende vielfach ein „methodisches Vakuum“ bleibt. Konkret: Ich glaube, dass Übungsleiter/innen relativ wenig „mundgerecht“ an die Hand bekommen, was sie nach Abschluss einer überschaubaren Vorbereitungsphase in der Halle in die Tat umsetzen können. 4. Ich vermute zudem, dass vielerorts gerade im psychologischen Bereich „persönliche Hemmschwellen“ da sind: Beim Reden über Zielsetzungen und Gefühle z.B., aber auch im Zusammenhang mit Dingen wie Augen schließen, Sich im Gruppenverband hinlegen, Still werden, Gedanken aufschreiben, etc. Teilt ihr den einen oder anderen Gedanken? Gibt´s gegensätzliche oder anderweitige Auffassungen? Oder konkrete Erfahrungswerte? Gruß Gunter Straub |
#3
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AW: Mentaltraining: unterschätzt oder schwachsinnig?
Also ich habe mich die letzten 2 Jahre sehr stark mit dem Thema Sportpsychologie auseinander gesetzt. Ich habe es selbst angewendet und konnte bei mir dadurch eine deutliche Leistungssteigerung erkennen.
Ich denke kaum, dass es sich irgendjemand leisten kann im Spitzensport die Bedeutung von Mentalität zu unterschätzen. Gerade Tischtennis ist ein Sport, der für die Psyche sehr belastend ist. Die Bedeutung von technischer und konditioneller Fähigkeit sind und bleiben Grundlage für die Spielstärke. Dennoch glaube ich, dass die mentalen Fähigkeiten ebenfalls einen klaren Unterschied darstellen können. Wichtig ist es zu wissen, dass mentales Training (mT) sehr vielfältig ist. Es ist genauso, wie wenn ich dich jetzt auffordern würde, das Tischtennistraining zu beschreiben. Du könntest über Anfängertraining, Profitraining, Erfahrungen, Vorhand Topspins, Aufschläge und vieles mehr schreiben. Nicht weniger vielfältig ist es, über das Thema mT zu schreiben. So wie sich das Tischtennistraining bei einem Spieler entwickelt, muss sich auch das mT entwickeln. Wichtig ist es zu erkennen, dass jeder Mensch mT in irgendeiner Art und Weise regelmäßig durchläuft. Z.B. machst du vor dem Spiel gerne einen Spaziergang, da du dann ruhiger im Spiel bist. Du hörst laut Musik, um in richtige Stimmung zu kommen. Du freust dich auf die Herausforderung und motivierst dich dein Bestes zu geben. Ich gratuliere, genau das ist mentales Training. Viele Menschen verbinden mit dem Begriff mT, das klassische Bild, dass man beim Psychologen auf der Couch liegt. Hypnose ist sicherlich eine Möglichkeit mT durchzuführen. Nebenbei erwähnt eine sehr effiziente. Aber es ist eben nur einer von sehr vielen möglichen Wegen. Ich würde mT als den Weg bezeichnen, mit dem du dich in deine Höchstleistungszone führt. Und zwar gerade dann, wenn du es brauchst. Ob das ein bestimmtes Ritual (Halle zuerst mit dem rechten Fuß betreten) ist, ein Stofftier als Glücksbringer, ein bestimmtes Musikstück oder eben Meditations- oder Entspannungstechniken sind, ist dabei gar nicht mal so wichtig. Es ist nur wichtig, dass man selbst daran glaubt und sich für diese Trainingsform innerlich öffnet. Ich gehe in einer schlechten Phase meine Augen schließe, gedanklich in eine blaue Grotte. Ich atme den Nebel in der Grotte ein und mir dieser Nebel schenkt mir neue Kraft für mein TT Spiel. Na, schwer vorstellbar, dass das wirklich funktioniert. Aber bei mir funktioniert das nicht selten, weil ich selbst daran glaube. Viele Sportpsychologen arbeiten auf höchst unterschiedlichen Wegen und gelangen zum gleichen Ziel. Die Ziele sind: - Steigerung der Konzentration - Steigerung der Selbstüberwindung - Steigerung des Selbstvertrauen - Steigerung der Gelassenheit - Steigerung der Motivation In der Praxis wird mT oftmals einfach nur in das Training / in das Leben integriert, ohne dass man es bewusst wahrnimmt. Wenn dein Trainer oder du dir selbst sagst, "auf gehts, du packst das!" ist das bereits eine Form des mT. Als Trainer sollte man sich auch darauf konzentrieren, psychisch beanspruchende Elemente des Sports in Spielformen in das Training zu integrieren. Auch hier gibt es viele Möglichkeiten. Im Endeffekt kommt es ja auch auf ein Zusammenspiel zwischen Körper und Geist an, wenn es darum geht Höchstleistungen zu erbringen. Daher ist es durchaus sinnvoll, dies auch gleichzeitig zu trainieren. Für ein integriertes mT öffnen sich alle Spieler. Anders sieht es aus bei einem speziellen mT. Beinahe alle Spieler, die heute spezielles MT betreiben, sind dazu gekommen, da sie eine Schwäche in diesem Bereich diagnostiziert bekommen haben. Meist wird ein Mentaltrainer erst in Anspruch genommen, wenn man am Boden ist. Hier hat die Erfahrung gezeigt, dass es sich meist immer auszahlt mit einem Spezialisten zu arbeiten. Diese haben schon viele Situationen erlebt und die Erfahrungen, die ein Mentaltrainer mit nervlich verletzten Menschen hat, ist beachtlich. Meist läuft dieses Training so ab, dass der Mentalcoach und der Sportler, gemeinsam nach inneren Lösungen suchen und diese im Spiel dann ausführen. Neigt ein Sportler gerne dazu zu überdrehen und die Nerven zu verlieren, so werden der Sportler und der Mentalcoach gemeinsam nach einer Lösung finden, wie der Sportler in Stresssituationen die Nerven verliert. Egal wo die Schwächen liegen, wird Mentaltrainer genau dort eine Lösung suchen und wenn der Sportler mitarbeitet auch finden. |
#4
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Männer weinen nicht - Kinder schon
Tischtennis ist eine "brutale Kampfsportart". Einer gegen den andern, einer verliert, einer gewinnt. Unentschieden gibt es nicht. Der Sieger hat damit in der Regel keine Probleme, für den Verlierer aber bricht manchmal eine Welt zusammen, erfühlt sich als wertloser Versager.
Eine oft grausame Situation. Sie trifft manchmal sogar die Besten. Zum Beispiel, wenn ein guter B-Schüler gegen einen etliche Jahre älteren Jugendlichen verliert. Eine Lösungsmöglichkeit: eine "win-win - Situation" herstellen, so dass sich keiner als Verlierer fühlt, auch wenn er verloren hat. Das ist entweder vor dem Spiel (wenn die Niederlage absehbar ist) oder nach dem Spiel möglich. Natürlich auch mittendrin beim Coachen. Ich habe da so meine Strategien, die manchmal greifen, manchmal nicht. Zum Beispiel gibt es keinen Vorwurf nach der Niederlage, nur positive Aspekte werden angesprochen. Das kann vielleicht der Aufschlag des Gegners sein, den der Schützling im letzten Satz besser bekommen hat. Trösten hilft manchmal, manchmal bewirkt es auch das Gegenteil. Ich hatte es schon, dass ein Spieler unbewusst gerne verloren hat, weil er anschließend getröstet werden wollte. Wahrscheinlich hat ihm das zuhause gefehlt. Welche Strategien und Wege habt ihr, um einer "win-win-Situation" möglichst nahe zu kommen? Geändert von klugscheisser (13.03.2008 um 00:39 Uhr) |
#5
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AW: Männer weinen nicht - Kinder schon
Zitat:
Hier finde ich es wichtig, dass man darüber offen spricht, jedoch trotzdem nicht ohne ein Ziel in das Spiel geht. Folgende Ziele vereinbare ich in diesen Fällen mit meinen Spielern/Innen: - zwinge Deinen vermeintlich stärkeren Gegner dazu, dass er 100% geben muss, um Dich zu schlagen - ziehe vom ersten bis zum letzten Punkt die besprochene Taktik durch, egal was passiert - versuche konsequent neu erlernte- oder im Training verbesserte Elemente im Spiel anzubringen und zum Punkt zu kommen - kämpfe um Dein Leben, um jeden Punkt...ganz egal wie es ausgeht - versuche eine mögliche Taktik herauszufinden, wie Du möglichst viele Punkte bekommst usw. So hat man nach dem Spiel viele Ansatzpunkte aus einer Niederlage trotzdem einen Erfolg zu ziehen. Außerdem sage ich dem Schützling immer, dass jede Niederlage wichtig ist, um für folgende Begegnungen etwas zu lernen. Ich stehe zu dieser Meinung zu 100 %. Man hat da schon ne Menge Möglichkeiten. Viele Grüße, Dirk |
#6
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AW: Psychologie im TT / Mentaltraining: unterschätzt oder schwachsinnig?
Niederlagen und schlechte Phasen sind sehr wichtig für die Entwicklung von jungen Sportlern. Wenn mein Spieler schlecht gespielt hat, darf er es ruhig wissen weshalb. Zumindest wenn der Spieler leistungsorientierte Ziele verfolgt, sollte der Trainer nicht anfangen und sagen: "Du hast doch gut gespielt. Er war einfach besser." Sondern das Geschehene muss analysiert werden.
Entscheidend ist dabei die Frage: "Wie machen wir das in Zukunft besser?" Niederlagen sind gerade für B Schüler ganz wichtige Erfahrungen. Dass da die Welt zusammenbricht kommt häufig vor. Für Kleinkinder ist dieser Zustand jedoch ganz normal. Denke mal zurück, wie oft du als 10-12 Jähriger geheult hast und Dinge dramatisiert hast, über die du heute lachen musst. :-) Ich denke da fällt jedem Leser etwas ein. Ein bis zwei aufmunternte Worte reichen aus. Mehr kannst du in einer Dramasituation sowieso nicht machen. In einem gut funktionierenden Team trösten sich die Spieler auch untereinander. Wenn du als Trainer dich noch mehr um den Spieler kümmerst und ihn für dieses Verhalten belohnst, wird er es immer öfter bringen. Belasse es dabei, ihn kurz in den Arm zu nehmen und 1-2 aufmunternde Worte zu sagen. Deutlich später (2-3 Tage) sollte dann analysiert werden, wobei der Nerveneinbruch ein Bestandteil sein sollte. Aus jeder Niederlage kann man lernen. Und nur wenn man aus ihr lernt, kann man von einer Win Win Situation sprechen. Daher ist es wichtig alles anzusprechen und einen Plan zu erstellen, wie man es in Zukunft besser macht. Es kann in der Tat unterschiedliche Gründe für Niederlagen geben. Interessant sind aber nur die Gründe, die man selbst im Griff hat. Analysiert werden, sollten nur die Gründe, die man selbst in der Hand hat. Wenn du jetzt gegen Timo Boll verlierst, solltest du nicht anfangen eine Analyse von diesem Spiel zu machen. Denn da kannst du spielen, wie du möchtest und du gewinnst nicht. Du hast es also nicht selbst in der Hand. Analysiere also nur Dinge, die der Spieler verändern kann. Auch schlechte Hallenverhältnisse sollten kein Bestandteil einer Analyse sein, sondern höchstens das Verhalten des Spielers deswegen. Zitat:
- wenn ich einen Fehler gemacht habe, konzentriere ich mich sofort auf den nächsten Ball. - Ich bekräftige jeden gelungenen Schlag mit einer positiven Äußerung. - Wenn ich verliere, erkenne ich die gute Leistung meines Gegners an. - Ich bin 10 Meter groß und mache alle platt. - Ich denke positiv - Ich bin selbstsicherer als mein Gegner - Im entscheidenden Augenblick bin ich topfit, konzentriert und selbstbewusst Ich würde mich über eine weitere Ergänzung freuen. :-) |
#7
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AW: Psychologie im TT / Mentaltraining: unterschätzt oder schwachsinnig?
Zustimmung.
Natürlich muss ein Sportler auch verlieren können. Natürlich muss er außer Lob auch berechtigte Kritik wegstecken können. Nun kann es aber sein, dass bei sehr jungen Kindern (unter 10 oder so) die sportlichen Fähigkeiten weiter entwickelt sind als die Fähigkeit, seine Gefühle zu erkennen und zu kontrollieren. Das kommt manchmal erst später, in Ausnahmefällen nie. Damit diese Kinder nun an ihren negativen Gefühlsausbrüchen (Trauer, Wut usw) nicht scheitern, versuche ich, ihnen zu helfen. Unmittelbar nach einer Niederlage gibt es weder Kritik noch Fehleranalyse. Einfach ein paar Minuten in Ruhe lassen, auch nicht trösten. Die Analyse kommt dann später, wenn das Gewitter im Kopf abgeklungen ist. Wohlgemerkt: das Ganze betrifft nur die Kinder, die bei allem Siegeswillen ihre Gefühle entwicklungsbedingt noch nicht kontrollieren können |
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