Fairness? Aggressives Verhalten?

[Rieslingrübe]

Zitat von Bow

..... Ich finde das auch sehr schade und natürlich nicht auf Chinesen beschränkt, dass Wegschauen viel häufiger als Blickkontakt geworden ist....

Einige Weltklassespieler sind einfach verklemmt und verzogen - alle andere wäre hier gelogen....

[TT-mAlti]

Aus meiner Sicht hast du damit recht, aber ich glaube, dass die Spieler in China bewusst in diese Richtung getrimmt werden, weil es Stärke symbolisieren soll...
Möglicherweise ist dieses Verhalten darauf zurückzuführen, dass die Chinesen nach 2003 alle nicht gerade als mental stark galten, seitdem zeigen sie mehr die Faust und feuern sich besser an, allerdings schießen sie auch oft übers Ziel hinaus( Faust bei Punkten, die durch Netz/Kantenbälle zustande gekommen sind, Bedanken bei Fehlaufschlägen). Ich schaue hier gerade zufällig das Spiel von Ma Lin gegen Patrick Chila von der Mannschafts-WM, nachdem Ma Lin im ersten und zweiten Satz öfters mal übertreibt steigt auch Patrick Chila voll ein, und bei 1:0 im 3. Satz nach einem üblen Netzroller gibt es erstmal die Faust
Timo Boll wird übrigens besser behandelt als die anderen, da gibt es auch schonmal nen Schulterklopfer, vielleicht weil sie ihn als ebenbürtig betrachten...?

Vor ein paar Jahren durfte ich mal gegen eine chinesiche Provinzauswahl spielen, bei starken Bällen( zB Rückhandtopspin parallel als Aufschlagannahme) haben sie einen vorwurfsvoll angeguckt, und bei relativ leichten Fehlern, haben sie offen gelacht. Vielleicht sind sie ganz anders erzogen als wir, und wir verstehen sie einfach nur nicht, womit meine Theorien oben auch einfach Quatsch sein könnten...
Vielleicht können uns ein paar Experten in den chinesischen Benimmregeln was dazu sagen, ich würde mich freuen.

Grüße Malte

[Bow]

Interessant was Du schreibst, Malte.
Daran wundert mich aber: Gerade das in die Augen Schauen zeigt doch mentale Stärke (und Stolz), auch und insbesondere nach einer Niederlage. Beim Handschlag nicht in die Augen schauen (die Augen niederschlagen, Kopf abwenden) ist doch eher unterwürfiges Verhalten.
Am wahrscheinlichsten für mich aber, sollte das so gewollt sein: Was hier signalisiert werden soll, ist eine Nicht-Anerkennung des Gegenübers, im Grunde eine Überheblichkeitsgeste.
Wenn es aber dem Verhalten der Spieler selbst entspringt, dann ist es wie Rübe schreibt: einfach nur schlechte/fehlende (sportliche) Erziehung...

[Aufschlagwunder]

Zitat von TT-mAlti

Möglicherweise ist dieses Verhalten darauf zurückzuführen, dass die Chinesen nach 2003 alle nicht gerade als mental stark galten, seitdem zeigen sie mehr die Faust und feuern sich besser an, allerdings schießen sie auch oft übers Ziel hinaus( Faust bei Punkten, die durch Netz/Kantenbälle zustande gekommen sind, Bedanken bei Fehlaufschlägen). Ich schaue hier gerade zufällig das Spiel von Ma Lin gegen Patrick Chila von der Mannschafts-WM, nachdem Ma Lin im ersten und zweiten Satz öfters mal übertreibt steigt auch Patrick Chila voll ein, und bei 1:0 im 3. Satz nach einem üblen Netzroller gibt es erstmal die Faust

Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieses Verhalten auch aus den kurzen Sätzen bis 11 heraus resultiert. Jeder Punkt kann spielentscheidend sein, selbst der erste. Wenn man verhalten ins Spiel geht und abwartet, kann es hinter her schon zu spät sein.

Von daher wird von Anfang an auf die Tube gedrückt, auch was die Körpersprache angeht. Durch die kurzen Sätze ist man zudem einem ständig künstlichen Stresszustand ausgesetzt, den einen dann leicht über das Ziel hinaus schießen lässt.

Im Grunde genommen ist dieses Verhalten sogar eine Anerkennung für den Gegner...nämlich dass er einem selbst alles abverlangt, sodass man zu diesen Mitteln greifen muss

[henrypijames]

Zitat von Rieslingrübe

Vielleicht benehmen sich Wang und Ma ja im Heimatland auch wesentlich natürlicher und weniger manieriert als bei ihren Auftritten im Ausland....

Sehr unwahrscheinlich. Denn die allermeisten chinesische TT-Fans erleben ihre Nationalspieler nicht live, sondern am Fernsehen. Und die meisten Turniere (zumindest solche mit TV-Uebertragung) spielen sie nicht in China, sondern im Ausland (Pro-Tour, WM, etc.).

Zitat von Rieslingrübe

Möglicherweise fehlt Ihnen , verehrter Mister James - bei allem Fachwissen - aber auch einfach der gesunde Abstand, um solcherlei Gebaren wertfrei und objektiv einschätzen zu können...

Das kann ich nicht abstreiten, und das will ich auch nicht abstreiten. Es geht hier aber darum, wie die chinesische Spieler *allgemein* empfunden werden. Und zu der Allgemeinheit gehoeren nun mal nicht nur die, die dir gleichgesinnt sind. Ich behaupte ja nicht, dass ich selbst die Mehrheitsmeinung ueber Ma Lin und Co. vertrete. Ich wundere mich nur, dass du dir dies anscheinend anmasst.

[henrypijames]

Zitat von Haudruff

Also bei der WM hab ich keins gesehen . Ist mir nur so aufgefallen.

Wie viele Spiele der Chinesen hast du da gesehen, und bei wie vielen davon bist du dir sicher, dass es nach dem Spiel kein Augenkontakt gab?

[henrypijames]

Ich glaube, dass ich das schon mal anderswo in diesem Forum erzaehlt habe, aber ich tue es gerne noch einmal: In fernoestlichen Kulturen (chinesisch, japanisch, koreanisch, etc.) gilt "dem Gegenueber in den Augen schauen" definitiv *nicht* zu Hoeflichkeitsgeste - es ist naemlich zu eindringlich. Hoeflich ist dagegen, den Kopf nach unten zu neigen bzw. auf dem Boden zu schauen. Im antiken China hat man bei einem kaiserlichen Empfang dafuer den Kopf verlieren koennen, dass man den Kaiser ins Gesicht schaut - egal offen oder verstohlen, ohne zuvor von ihm ausdruecklichen dazu auffordert zu werden. "Ausspaehen des kaiserlichen Anlitzes" war also eine bekannte Todsuende.

Zugeben, damals gab es auch keine "Haendeschuetteln" - zumindest nicht so wie heute. Aber selbst viele heutige japanische und koreanische Sportler neigen noch automatisch ihre Oberkoerper nach vorne, wenn sie dem Gegenueber die Hand geben, und schauen dabei oft nach unten. Das ist eine ueberaus hoefliche Geste.

Dagegen ist das "am Gegenueber vorbei ins leere Luft schauen", wie es stellenweise tatsaechlich von Ma Lin und andere Chinesen praktiziert werden, mit Sicherheit *nicht* als hoefliche Geste gemeint. Es ist genau das, wie die Europaer es auch wahrnehmen: ein Ausdruck der Geringschaetzung oder zumindest der Gleichgueltigkeit. Zwar waere die gleiche Geste im antiken China durchaus als Hoeflichkeit wahrgenommen - das Meiden des Hinschauens als Zeichen der Ehrfurcht, aber diese Tradition kennen heute nicht einmal die durchschnittlichen Intellektuellen in China, geschweige denn die deutlich unterdurchschnittlich gebildeten Leistungssportler.

[henrypijames]

Zitat von Bow

Von diesen 8 sieht nur einer einmal dem Gegner beim HS in die Augen. Erstaunlicherweise ist das Wang Hao - Feier-Konnerth bei der WM, wo WH ja recht deutlich gewinnt.

Gar nicht so erstaunlich. Wang Hao ist bei Weitem der herzlichste Spieler der chinesischen Nationalmannschaft. Er ist genau so nett wie Wang Liqin, aber viel aufgeschlossener; er ist genau so offen wie Chen Qi, aber deutlich aufrichtiger. Er ist der Sunnyboy - ganz im positiven Sinne.

Uebrigens hat auch Ma Lin nach seinen Sieg ueber Lee Jung Woo (der Sieg zum Titelverteidigung) versucht, Lee beim Haendeschuetteln anzuschauen. Leider war es Lee, der sich weggedreht hat. Zumindest dem Schiedrichter schaute Ma dann "erfolgreich" in den Augen.

[henrypijames]

Zitat von Aufschlagwunder

Im Grunde genommen ist dieses Verhalten sogar eine Anerkennung für den Gegner...nämlich dass er einem selbst alles abverlangt, sodass man zu diesen Mitteln greifen muss

Auch wenn du das jetzt etwas ironisch meinst, ist es tatsaechlich die Einstellung, die die Trainer der chinesischen Nationalspieler von ihren Schuetzlingen abverlangen. Der grosse Fuehrer Mao Zedong hat einst gelehrt, "Schaetze den Gegner strategisch gering, taktisch aber hoch ein", was so viel heisst wie, sei zuversichtlich in der Grundeinstellung, aber vorsichtig im Detail.

Du wirst nie von einem Chinesen hoeren, "In diesem Vergleich bin ich der eindeutige Favorit, es ist ganz selbstverstaendlich fuer mich zu gewinnen." Weder vor oder nach dem Spiel, auch nicht von Ma Lin, sollte er auf Fejer-Konnerth treffen (nichts gegen Zolli).

[Rieslingrübe]

Zitat von henrypijames

.... In fernoestlichen Kulturen (chinesisch, japanisch, koreanisch, etc.) gilt "dem Gegenueber in den Augen schauen" .....
(...........)
.........das Meiden des Hinschauens als Zeichen der Ehrfurcht, aber diese Tradition kennen heute nicht einmal die durchschnittlichen Intellektuellen in China, geschweige denn die deutlich unterdurchschnittlich gebildeten Leistungssportler.

Danke für die schlüssige Erklärung und fundierten Infos

upi



PS: Ausgerechnet Wang Hao als Sympathieträger im chinesischen Team auszumachen, dazu werde ich aber wohl niemals in der Lage sein....